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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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der einzelne Vortheil etwas bloß Reales und
Augenblickliches.

Der Staatsmann betrachtet 1) das Gesetz
nie einzeln in seiner abstracten Strenge, sondern
er stellt es der Lage der Dinge gegenüber, in
der es entstanden, er sieht es an, wie es aus
der Geschichte hervorgegangen ist; er behandelt
das einzelne Gesetz wie eine Seele, deren Kör-
per in einem Capitel aus der National-Geschichte
besteht; und so stellt er selbst weder das bloße
Gesetz, noch die bloße historische Erfahrung,
oder die personificirte Geschichte dar, sondern er
ist ein lebendiges Drittes: die Idee des Na-
tional-Rechtes
.

Eben so betrachtet der Staatsmann 2) den
Nutzen, den ökonomischen Gewinn, nie einzeln
in seiner concreten Gestalt: er stellt die bestimmte
ökonomische Maßregel einem Gesetze gegenüber,
das sich daraus entwickeln muß; er giebt dem
dürren Körper eine Seele, indem er sich die
Maßregel des Nutzens durch lange folgende Jahre
fortlaufend denkt. So personificirt er den Nutzen,
wie er im ersteren Falle das Gesetz personificirte;
er belebt beide: den Nutzen, indem er ihm eine
Seele; das Gesetz, indem er demselben einen
Körper giebt. Der Nutzen, für den die Zu-
kunft, das Gesetz, für das die Vergangenheit

der einzelne Vortheil etwas bloß Reales und
Augenblickliches.

Der Staatsmann betrachtet 1) das Geſetz
nie einzeln in ſeiner abſtracten Strenge, ſondern
er ſtellt es der Lage der Dinge gegenuͤber, in
der es entſtanden, er ſieht es an, wie es aus
der Geſchichte hervorgegangen iſt; er behandelt
das einzelne Geſetz wie eine Seele, deren Koͤr-
per in einem Capitel aus der National-Geſchichte
beſteht; und ſo ſtellt er ſelbſt weder das bloße
Geſetz, noch die bloße hiſtoriſche Erfahrung,
oder die perſonificirte Geſchichte dar, ſondern er
iſt ein lebendiges Drittes: die Idee des Na-
tional-Rechtes
.

Eben ſo betrachtet der Staatsmann 2) den
Nutzen, den oͤkonomiſchen Gewinn, nie einzeln
in ſeiner concreten Geſtalt: er ſtellt die beſtimmte
oͤkonomiſche Maßregel einem Geſetze gegenuͤber,
das ſich daraus entwickeln muß; er giebt dem
duͤrren Koͤrper eine Seele, indem er ſich die
Maßregel des Nutzens durch lange folgende Jahre
fortlaufend denkt. So perſonificirt er den Nutzen,
wie er im erſteren Falle das Geſetz perſonificirte;
er belebt beide: den Nutzen, indem er ihm eine
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[91/0125] der einzelne Vortheil etwas bloß Reales und Augenblickliches. Der Staatsmann betrachtet 1) das Geſetz nie einzeln in ſeiner abſtracten Strenge, ſondern er ſtellt es der Lage der Dinge gegenuͤber, in der es entſtanden, er ſieht es an, wie es aus der Geſchichte hervorgegangen iſt; er behandelt das einzelne Geſetz wie eine Seele, deren Koͤr- per in einem Capitel aus der National-Geſchichte beſteht; und ſo ſtellt er ſelbſt weder das bloße Geſetz, noch die bloße hiſtoriſche Erfahrung, oder die perſonificirte Geſchichte dar, ſondern er iſt ein lebendiges Drittes: die Idee des Na- tional-Rechtes. Eben ſo betrachtet der Staatsmann 2) den Nutzen, den oͤkonomiſchen Gewinn, nie einzeln in ſeiner concreten Geſtalt: er ſtellt die beſtimmte oͤkonomiſche Maßregel einem Geſetze gegenuͤber, das ſich daraus entwickeln muß; er giebt dem duͤrren Koͤrper eine Seele, indem er ſich die Maßregel des Nutzens durch lange folgende Jahre fortlaufend denkt. So perſonificirt er den Nutzen, wie er im erſteren Falle das Geſetz perſonificirte; er belebt beide: den Nutzen, indem er ihm eine Seele; das Geſetz, indem er demſelben einen Koͤrper giebt. Der Nutzen, fuͤr den die Zu- kunft, das Geſetz, fuͤr das die Vergangenheit

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/125>, abgerufen am 30.04.2024.