Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

setzung, den Vorgang nennt, nach einem ähn-
lichen Capitel in jeder National-Geschichte,
durch dessen Herbeiziehung man sich zuvörderst
in die alte National-Gemüthsstimmung, in den
alten National-Tact zu versetzen strebt, worauf
nun die Debatte beginnen und der neue Vorfall
in seiner ganzen Eigenthümlichkeit an's Licht tre-
ten kann.

Endlich ist die ganze politische Erziehung der
Britten durchaus alterthümlich und juristisch:
wenig Beisatz von modernem Staatswitz, Con-
stitutions-Bauerei und economie politique und
allem dem Tand, womit man auf dem Continente
spielt, dessen erhabene Wesentlichkeit hinge-
gen in England ausgeübt und von großen Auto-
ren beschrieben wird. Alle großen Financiers in
England waren erzogene, ich möchte sagen, ge-
borne
Juristen *).

*) Freilich ist das Studium des Rechtes in England von
der Deutschen Vorschule der Jurisprudenz sehr verschie-
den. Das Recht, welches man auf den Brittischen
Universitäten theoretisch, vorzüglich aber in den Ge-
richtshöfen praktisch lernt, ist etwas durchaus Natio-
nales. Das Studium der Institutionen von Sir
Edward Coke
und der Commentarien von
Blackstone steht der ganzen Oekonomie des Britti-
chen National-Lebens viel näher, als die Justinianische

ſetzung, den Vorgang nennt, nach einem aͤhn-
lichen Capitel in jeder National-Geſchichte,
durch deſſen Herbeiziehung man ſich zuvoͤrderſt
in die alte National-Gemuͤthsſtimmung, in den
alten National-Tact zu verſetzen ſtrebt, worauf
nun die Debatte beginnen und der neue Vorfall
in ſeiner ganzen Eigenthuͤmlichkeit an’s Licht tre-
ten kann.

Endlich iſt die ganze politiſche Erziehung der
Britten durchaus alterthuͤmlich und juriſtiſch:
wenig Beiſatz von modernem Staatswitz, Con-
ſtitutions-Bauerei und économie politique und
allem dem Tand, womit man auf dem Continente
ſpielt, deſſen erhabene Weſentlichkeit hinge-
gen in England ausgeuͤbt und von großen Auto-
ren beſchrieben wird. Alle großen Financiers in
England waren erzogene, ich moͤchte ſagen, ge-
borne
Juriſten *).

*) Freilich iſt das Studium des Rechtes in England von
der Deutſchen Vorſchule der Jurisprudenz ſehr verſchie-
den. Das Recht, welches man auf den Brittiſchen
Univerſitaͤten theoretiſch, vorzuͤglich aber in den Ge-
richtshoͤfen praktiſch lernt, iſt etwas durchaus Natio-
nales. Das Studium der Inſtitutionen von Sir
Edward Coke
und der Commentarien von
Blackſtone ſteht der ganzen Oekonomie des Britti-
chen National-Lebens viel naͤher, als die Juſtinianiſche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0137" n="103"/>
&#x017F;etzung, den <hi rendition="#g">Vorgang</hi> nennt, nach einem a&#x0364;hn-<lb/>
lichen Capitel in jeder National-Ge&#x017F;chichte,<lb/>
durch de&#x017F;&#x017F;en Herbeiziehung man &#x017F;ich zuvo&#x0364;rder&#x017F;t<lb/>
in die alte National-Gemu&#x0364;ths&#x017F;timmung, in den<lb/>
alten National-Tact zu ver&#x017F;etzen &#x017F;trebt, worauf<lb/>
nun die Debatte beginnen und der neue Vorfall<lb/>
in &#x017F;einer ganzen Eigenthu&#x0364;mlichkeit an&#x2019;s Licht tre-<lb/>
ten kann.</p><lb/>
            <p>Endlich i&#x017F;t die ganze politi&#x017F;che Erziehung der<lb/>
Britten durchaus alterthu&#x0364;mlich und juri&#x017F;ti&#x017F;ch:<lb/>
wenig Bei&#x017F;atz von modernem Staatswitz, Con-<lb/>
&#x017F;titutions-Bauerei und <hi rendition="#aq">économie politique</hi> und<lb/>
allem dem Tand, womit man auf dem Continente<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;pielt</hi>, de&#x017F;&#x017F;en erhabene We&#x017F;entlichkeit hinge-<lb/>
gen in England ausgeu&#x0364;bt und von großen Auto-<lb/>
ren be&#x017F;chrieben wird. Alle großen Financiers in<lb/>
England waren erzogene, ich mo&#x0364;chte &#x017F;agen, <hi rendition="#g">ge-<lb/>
borne</hi> Juri&#x017F;ten <note xml:id="note-0137" next="#note-0138" place="foot" n="*)">Freilich i&#x017F;t das Studium des Rechtes in England von<lb/>
der Deut&#x017F;chen Vor&#x017F;chule der Jurisprudenz &#x017F;ehr ver&#x017F;chie-<lb/>
den. Das Recht, welches man auf den Britti&#x017F;chen<lb/>
Univer&#x017F;ita&#x0364;ten theoreti&#x017F;ch, vorzu&#x0364;glich aber in den Ge-<lb/>
richtsho&#x0364;fen prakti&#x017F;ch lernt, i&#x017F;t etwas durchaus Natio-<lb/>
nales. Das Studium der In&#x017F;titutionen von <hi rendition="#g">Sir<lb/>
Edward Coke</hi> und der <hi rendition="#g">Commentarien</hi> von<lb/><hi rendition="#g">Black&#x017F;tone</hi> &#x017F;teht der ganzen Oekonomie des Britti-<lb/>
chen National-Lebens viel na&#x0364;her, als die Ju&#x017F;tiniani&#x017F;che</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0137] ſetzung, den Vorgang nennt, nach einem aͤhn- lichen Capitel in jeder National-Geſchichte, durch deſſen Herbeiziehung man ſich zuvoͤrderſt in die alte National-Gemuͤthsſtimmung, in den alten National-Tact zu verſetzen ſtrebt, worauf nun die Debatte beginnen und der neue Vorfall in ſeiner ganzen Eigenthuͤmlichkeit an’s Licht tre- ten kann. Endlich iſt die ganze politiſche Erziehung der Britten durchaus alterthuͤmlich und juriſtiſch: wenig Beiſatz von modernem Staatswitz, Con- ſtitutions-Bauerei und économie politique und allem dem Tand, womit man auf dem Continente ſpielt, deſſen erhabene Weſentlichkeit hinge- gen in England ausgeuͤbt und von großen Auto- ren beſchrieben wird. Alle großen Financiers in England waren erzogene, ich moͤchte ſagen, ge- borne Juriſten *). *) Freilich iſt das Studium des Rechtes in England von der Deutſchen Vorſchule der Jurisprudenz ſehr verſchie- den. Das Recht, welches man auf den Brittiſchen Univerſitaͤten theoretiſch, vorzuͤglich aber in den Ge- richtshoͤfen praktiſch lernt, iſt etwas durchaus Natio- nales. Das Studium der Inſtitutionen von Sir Edward Coke und der Commentarien von Blackſtone ſteht der ganzen Oekonomie des Britti- chen National-Lebens viel naͤher, als die Juſtinianiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/137
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/137>, abgerufen am 30.04.2024.