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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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tur, die Jeder gesehen haben will, und Niemand
aufzeigen kann.

Dem zu Folge ist vielleicht in diesem Augen-
blick eine solche, den Europäischen Mächten
gemeinschaftliche, Basis des Rechtes und des
Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege
ist, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner
Antiquität: die Idee des Staates oder des
Rechtes, wie ich sie beschrieben habe, ist dieses
ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht,
nach der die Menschheit strebt und ohne Ende
strebt, müssen alle einzelnen Völker wollen, in
so fern sie nur ihre eigne Existenz wollen: diese
ist es, in der, und für die alle wahren Kriege
geführt werden; noch jetzt werden die unechten
Kriege mit Scheingründen motivirt, die wenig-
stens von dem Begriffe jener Verbindung aller
Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa-
tes hergenommen sind.

Jeder wirkliche einzelne Staat drückt die al-
len Staaten gemeinschaftliche Idee des Rechtes
in seiner eigenthümlichen Sprache, in eigen-
thümlichen Formen, Gesetzen und Sitten aus;
also liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig
das doppelte Streben, 1) diesen seinen eigen-
thümlichen Ausdruck der Rechts-Idee gegen al-
len Angriff und alle Corruption zu vertheidigen,

tur, die Jeder geſehen haben will, und Niemand
aufzeigen kann.

Dem zu Folge iſt vielleicht in dieſem Augen-
blick eine ſolche, den Europaͤiſchen Maͤchten
gemeinſchaftliche, Baſis des Rechtes und des
Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege
iſt, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner
Antiquitaͤt: die Idee des Staates oder des
Rechtes, wie ich ſie beſchrieben habe, iſt dieſes
ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht,
nach der die Menſchheit ſtrebt und ohne Ende
ſtrebt, muͤſſen alle einzelnen Voͤlker wollen, in
ſo fern ſie nur ihre eigne Exiſtenz wollen: dieſe
iſt es, in der, und fuͤr die alle wahren Kriege
gefuͤhrt werden; noch jetzt werden die unechten
Kriege mit Scheingruͤnden motivirt, die wenig-
ſtens von dem Begriffe jener Verbindung aller
Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa-
tes hergenommen ſind.

Jeder wirkliche einzelne Staat druͤckt die al-
len Staaten gemeinſchaftliche Idee des Rechtes
in ſeiner eigenthuͤmlichen Sprache, in eigen-
thuͤmlichen Formen, Geſetzen und Sitten aus;
alſo liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig
das doppelte Streben, 1) dieſen ſeinen eigen-
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[115/0149] tur, die Jeder geſehen haben will, und Niemand aufzeigen kann. Dem zu Folge iſt vielleicht in dieſem Augen- blick eine ſolche, den Europaͤiſchen Maͤchten gemeinſchaftliche, Baſis des Rechtes und des Glaubens, welche die Bedingung rechtlicher Kriege iſt, nicht zu finden. Dennoch rede ich von keiner Antiquitaͤt: die Idee des Staates oder des Rechtes, wie ich ſie beſchrieben habe, iſt dieſes ewige Gemeingut; die Verbindung im Recht, nach der die Menſchheit ſtrebt und ohne Ende ſtrebt, muͤſſen alle einzelnen Voͤlker wollen, in ſo fern ſie nur ihre eigne Exiſtenz wollen: dieſe iſt es, in der, und fuͤr die alle wahren Kriege gefuͤhrt werden; noch jetzt werden die unechten Kriege mit Scheingruͤnden motivirt, die wenig- ſtens von dem Begriffe jener Verbindung aller Staaten im Recht, oder in der Idee des Staa- tes hergenommen ſind. Jeder wirkliche einzelne Staat druͤckt die al- len Staaten gemeinſchaftliche Idee des Rechtes in ſeiner eigenthuͤmlichen Sprache, in eigen- thuͤmlichen Formen, Geſetzen und Sitten aus; alſo liegt in jedem einzelnen Staate nothwendig das doppelte Streben, 1) dieſen ſeinen eigen- thuͤmlichen Ausdruck der Rechts-Idee gegen al- len Angriff und alle Corruption zu vertheidigen,

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/149>, abgerufen am 30.04.2024.