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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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hat man sich in Deutschland sehr laut und sehr
oft gegen solche Corporationen im Staate erklärt,
welche man "Staaten im Staate" nannte;
und allerdings war es eine gerechte Absicht, im
Staate nichts Fremdartiges, von seiner Autori-
tät Eximirtes, dulden zu wollen. Sehr richtig
fühlte man die Gebrechlichkeit eines Staates,
der über sich selbst nicht Herr seyn kann, weil
in seinem Innern etwas von seiner Organisation
durchaus Unabhängiges, in seinen Verband nicht
Eingreifendes existirt. Man hat den Ansprüchen
der katholischen Kirche, des Adels, der städti-
schen und ständischen Corporationen die sehr
richtige Forderung entgegengesetzt, daß diese ver-
schiedenen Körper nur geduldet werden könnten,
in so fern sie sich vertrügen und Eins würden
mit dem Staate, und also keinen Staat im
Staate bildeten. -- Wie kann man aber eine
den Gesetzen ganz fremdartige, ja widerspre-
chende Sitte, eine der Bürgerlichkeit ganz entge-
gengesetzte häusliche Tugend, eine den äußer-
lichen Verpflichtungen ganz widerstreitende Nei-
gung des Herzens, eine aller Nationalität ent-
gegenarbeitende Wissenschaft, eine den großen
energischen Geist des politischen Lebens völlig
vernichtende Religion der Schlaffheit, der Feig-
heit und des isolirten Interesse -- nicht bloß

hat man ſich in Deutſchland ſehr laut und ſehr
oft gegen ſolche Corporationen im Staate erklaͤrt,
welche man „Staaten im Staate” nannte;
und allerdings war es eine gerechte Abſicht, im
Staate nichts Fremdartiges, von ſeiner Autori-
taͤt Eximirtes, dulden zu wollen. Sehr richtig
fuͤhlte man die Gebrechlichkeit eines Staates,
der uͤber ſich ſelbſt nicht Herr ſeyn kann, weil
in ſeinem Innern etwas von ſeiner Organiſation
durchaus Unabhaͤngiges, in ſeinen Verband nicht
Eingreifendes exiſtirt. Man hat den Anſpruͤchen
der katholiſchen Kirche, des Adels, der ſtaͤdti-
ſchen und ſtaͤndiſchen Corporationen die ſehr
richtige Forderung entgegengeſetzt, daß dieſe ver-
ſchiedenen Koͤrper nur geduldet werden koͤnnten,
in ſo fern ſie ſich vertruͤgen und Eins wuͤrden
mit dem Staate, und alſo keinen Staat im
Staate bildeten. — Wie kann man aber eine
den Geſetzen ganz fremdartige, ja widerſpre-
chende Sitte, eine der Buͤrgerlichkeit ganz entge-
gengeſetzte haͤusliche Tugend, eine den aͤußer-
lichen Verpflichtungen ganz widerſtreitende Nei-
gung des Herzens, eine aller Nationalitaͤt ent-
gegenarbeitende Wiſſenſchaft, eine den großen
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[47/0081] hat man ſich in Deutſchland ſehr laut und ſehr oft gegen ſolche Corporationen im Staate erklaͤrt, welche man „Staaten im Staate” nannte; und allerdings war es eine gerechte Abſicht, im Staate nichts Fremdartiges, von ſeiner Autori- taͤt Eximirtes, dulden zu wollen. Sehr richtig fuͤhlte man die Gebrechlichkeit eines Staates, der uͤber ſich ſelbſt nicht Herr ſeyn kann, weil in ſeinem Innern etwas von ſeiner Organiſation durchaus Unabhaͤngiges, in ſeinen Verband nicht Eingreifendes exiſtirt. Man hat den Anſpruͤchen der katholiſchen Kirche, des Adels, der ſtaͤdti- ſchen und ſtaͤndiſchen Corporationen die ſehr richtige Forderung entgegengeſetzt, daß dieſe ver- ſchiedenen Koͤrper nur geduldet werden koͤnnten, in ſo fern ſie ſich vertruͤgen und Eins wuͤrden mit dem Staate, und alſo keinen Staat im Staate bildeten. — Wie kann man aber eine den Geſetzen ganz fremdartige, ja widerſpre- chende Sitte, eine der Buͤrgerlichkeit ganz entge- gengeſetzte haͤusliche Tugend, eine den aͤußer- lichen Verpflichtungen ganz widerſtreitende Nei- gung des Herzens, eine aller Nationalitaͤt ent- gegenarbeitende Wiſſenſchaft, eine den großen energiſchen Geiſt des politiſchen Lebens voͤllig vernichtende Religion der Schlaffheit, der Feig- heit und des iſolirten Intereſſe — nicht bloß

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/81>, abgerufen am 27.04.2024.