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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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der Staat? zugleich beantworten; den Staat in
seiner Bewegung auffassen. Demnach lehrt uns
das erhabene Beispiel Adam Smith's: die
geistigen Bedürfnisse der Menschen und
ihr inneres Handeln vom Staate nicht
auszuschließen
, was freilich unsrer gesammten
Staatsansicht eine von allen bestehenden Theorieen
durchaus abweichende, aber um so lebendigere
Gestalt geben muß.

Der erste Grundirrthum der gangbaren poli-
tischen Systeme ist widerlegt: der Staat ist nicht
eine bloße Manufactur, Meierei, Assecuranz-An-
stalt, oder mercantilische Societät; er ist die in-
nige Verbindung der gesammten physi-
schen und geistigen Bedürfnisse, des ge-
sammten physischen und geistigen Reich-
thums, des gesammten inneren und
äußeren Lebens einer Nation, zu einem
großen energischen, unendlich bewegten
und lebendigen Ganzen
. -- Von diesem
Ganzen kann die Wissenschaft kein todtes, still-
stehendes Bild, keinen Begriff geben; denn der
Tod kann das Leben, der Stillstand die Bewe-
gung nicht abbilden. Daß keine Idee, also auch
nicht die Idee des Staates, deshalb, weil sie
in der hier beschriebenen Allgemeinheit und Un-
endlichkeit aufgefaßt wird, nun formlos zerfließt

der Staat? zugleich beantworten; den Staat in
ſeiner Bewegung auffaſſen. Demnach lehrt uns
das erhabene Beiſpiel Adam Smith’s: die
geiſtigen Beduͤrfniſſe der Menſchen und
ihr inneres Handeln vom Staate nicht
auszuſchließen
, was freilich unſrer geſammten
Staatsanſicht eine von allen beſtehenden Theorieen
durchaus abweichende, aber um ſo lebendigere
Geſtalt geben muß.

Der erſte Grundirrthum der gangbaren poli-
tiſchen Syſteme iſt widerlegt: der Staat iſt nicht
eine bloße Manufactur, Meierei, Aſſecuranz-An-
ſtalt, oder mercantiliſche Societaͤt; er iſt die in-
nige Verbindung der geſammten phyſi-
ſchen und geiſtigen Beduͤrfniſſe, des ge-
ſammten phyſiſchen und geiſtigen Reich-
thums, des geſammten inneren und
aͤußeren Lebens einer Nation, zu einem
großen energiſchen, unendlich bewegten
und lebendigen Ganzen
. — Von dieſem
Ganzen kann die Wiſſenſchaft kein todtes, ſtill-
ſtehendes Bild, keinen Begriff geben; denn der
Tod kann das Leben, der Stillſtand die Bewe-
gung nicht abbilden. Daß keine Idee, alſo auch
nicht die Idee des Staates, deshalb, weil ſie
in der hier beſchriebenen Allgemeinheit und Un-
endlichkeit aufgefaßt wird, nun formlos zerfließt

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[51/0085] der Staat? zugleich beantworten; den Staat in ſeiner Bewegung auffaſſen. Demnach lehrt uns das erhabene Beiſpiel Adam Smith’s: die geiſtigen Beduͤrfniſſe der Menſchen und ihr inneres Handeln vom Staate nicht auszuſchließen, was freilich unſrer geſammten Staatsanſicht eine von allen beſtehenden Theorieen durchaus abweichende, aber um ſo lebendigere Geſtalt geben muß. Der erſte Grundirrthum der gangbaren poli- tiſchen Syſteme iſt widerlegt: der Staat iſt nicht eine bloße Manufactur, Meierei, Aſſecuranz-An- ſtalt, oder mercantiliſche Societaͤt; er iſt die in- nige Verbindung der geſammten phyſi- ſchen und geiſtigen Beduͤrfniſſe, des ge- ſammten phyſiſchen und geiſtigen Reich- thums, des geſammten inneren und aͤußeren Lebens einer Nation, zu einem großen energiſchen, unendlich bewegten und lebendigen Ganzen. — Von dieſem Ganzen kann die Wiſſenſchaft kein todtes, ſtill- ſtehendes Bild, keinen Begriff geben; denn der Tod kann das Leben, der Stillſtand die Bewe- gung nicht abbilden. Daß keine Idee, alſo auch nicht die Idee des Staates, deshalb, weil ſie in der hier beſchriebenen Allgemeinheit und Un- endlichkeit aufgefaßt wird, nun formlos zerfließt

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/85>, abgerufen am 27.04.2024.