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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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gemein und sehr leicht, endlich auch ein unent-
behrliches Bedürfniß der Menschheit; und wenn
dem übrigens hochverdienten Manne deshalb kein
Vorwurf gemacht werden soll, daß er in einem
so erfinderischen Jahrhundert lebte: so paßt doch
seine Erklärung vom Wesen des Staates zu
unsern Absichten besser, als irgend eine andre;
und so gereicht es zu seinem Lobe, daß Er, was
Andre unter mancherlei Capitulationen und Ver-
wahrungen undeutlich und unmuthig meinten,
wenigsten unumwunden, und mit einer gewissen
genialischen Dreistigkeit, deutlich herausgesagt
hat. --

Es folgt mancherlei Thörichtes aus dieser un-
glücklichen Lehre, die vor zwanzig Jahren ein
so unermeßliches Publicum hatte:

1) Was Menschenhände willkührlich gemacht
haben, können andre Menschenhände willkührlich
zerstören, wenigstens verwerfen. Man sieht nicht
gut ein, warum, wenn der Staat eine bloße
Erfindung nach Art der Brand-Cassen u. s. w.
ist, nun nicht einmal ein Mensch zu demselben
Zwecke, der dem Staate untergelegt wird, etwas
Anderes und noch Klügeres erfinden sollte, was
kein Staat wäre; man sieht, wenn man das viele
Wichtige und Große, was mit dem Staate zu-
sammenhängt und in ihn verwachsen ist, über-

gemein und ſehr leicht, endlich auch ein unent-
behrliches Beduͤrfniß der Menſchheit; und wenn
dem uͤbrigens hochverdienten Manne deshalb kein
Vorwurf gemacht werden ſoll, daß er in einem
ſo erfinderiſchen Jahrhundert lebte: ſo paßt doch
ſeine Erklaͤrung vom Weſen des Staates zu
unſern Abſichten beſſer, als irgend eine andre;
und ſo gereicht es zu ſeinem Lobe, daß Er, was
Andre unter mancherlei Capitulationen und Ver-
wahrungen undeutlich und unmuthig meinten,
wenigſten unumwunden, und mit einer gewiſſen
genialiſchen Dreiſtigkeit, deutlich herausgeſagt
hat. —

Es folgt mancherlei Thoͤrichtes aus dieſer un-
gluͤcklichen Lehre, die vor zwanzig Jahren ein
ſo unermeßliches Publicum hatte:

1) Was Menſchenhaͤnde willkuͤhrlich gemacht
haben, koͤnnen andre Menſchenhaͤnde willkuͤhrlich
zerſtoͤren, wenigſtens verwerfen. Man ſieht nicht
gut ein, warum, wenn der Staat eine bloße
Erfindung nach Art der Brand-Caſſen u. ſ. w.
iſt, nun nicht einmal ein Menſch zu demſelben
Zwecke, der dem Staate untergelegt wird, etwas
Anderes und noch Kluͤgeres erfinden ſollte, was
kein Staat waͤre; man ſieht, wenn man das viele
Wichtige und Große, was mit dem Staate zu-
ſammenhaͤngt und in ihn verwachſen iſt, uͤber-

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[53/0087] gemein und ſehr leicht, endlich auch ein unent- behrliches Beduͤrfniß der Menſchheit; und wenn dem uͤbrigens hochverdienten Manne deshalb kein Vorwurf gemacht werden ſoll, daß er in einem ſo erfinderiſchen Jahrhundert lebte: ſo paßt doch ſeine Erklaͤrung vom Weſen des Staates zu unſern Abſichten beſſer, als irgend eine andre; und ſo gereicht es zu ſeinem Lobe, daß Er, was Andre unter mancherlei Capitulationen und Ver- wahrungen undeutlich und unmuthig meinten, wenigſten unumwunden, und mit einer gewiſſen genialiſchen Dreiſtigkeit, deutlich herausgeſagt hat. — Es folgt mancherlei Thoͤrichtes aus dieſer un- gluͤcklichen Lehre, die vor zwanzig Jahren ein ſo unermeßliches Publicum hatte: 1) Was Menſchenhaͤnde willkuͤhrlich gemacht haben, koͤnnen andre Menſchenhaͤnde willkuͤhrlich zerſtoͤren, wenigſtens verwerfen. Man ſieht nicht gut ein, warum, wenn der Staat eine bloße Erfindung nach Art der Brand-Caſſen u. ſ. w. iſt, nun nicht einmal ein Menſch zu demſelben Zwecke, der dem Staate untergelegt wird, etwas Anderes und noch Kluͤgeres erfinden ſollte, was kein Staat waͤre; man ſieht, wenn man das viele Wichtige und Große, was mit dem Staate zu- ſammenhaͤngt und in ihn verwachſen iſt, uͤber-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/87>, abgerufen am 27.04.2024.