Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



Gottlob, völlig von der Wahrheit des Christenthums
überzeugt, und ich empfinde auch bey mir die Kraft dessel-
ben zur Beruhigung meines Gewissens und zur Besserung
meiner Gesinnungen. Jch hoffe die Zweifel, die mir
etwa noch einfallen möchten, und die leichten Aufwallun-
gen der Begierden, von denen ich mich sonst ganz habe
beherrschen lassen, und die mich itzt noch wohl beunru-
higen, wird mir Gott verzeihen, da ich an beyden kein
Wohlgefallen habe, sondern mich bestrebe, sie so gleich
zu unterdrücken. Jch bin bereit mich zu jeder Aufopfe-
rung meiner bisherigen Neigungen durch die That selbst
zu verstehen, die Sie von mir fordern werden. Nim-
mermehr würde ich das sonst gethan haben, da ich durch
die Religion noch nicht erleuchtet war. Jch weiß nun
nicht, ob Sie Ursache finden mit mir zufrieden zu seyn.
Prüfen Sie mich, auf welche Art Sie es für nöthig
halten, und wenn Sie dann mit mir zufrieden sind, so
bitte ich Sie, lassen Sie sich dadurch nicht beunruhigen,
wenn etwa dieser oder jener nach seinen Einsichten urthei-
len sollte, Sie hätten mich zu sehr durch die Vernunft zu
gewinnen gesucht. Jch erkenne es mit Dank vor Gott,
daß Sie diesen Weg mit mir gegangen sind. Auf keine
andere Art würde bey mir etwas auszurichten gewesen
seyn, ich würde mich mit Hartnäckigkeit widersetzt haben,
vielleicht wäre ich in einige Bewegung gesetzt worden,
aber eine feste dauerhafte Ueberzeugung wäre gewiß nicht
zu Stande gekommen. Es kann Gott auch nicht mis-
fallen, da die Religion so vernunftmäßig ist, daß man
die Menschen durch die Vernunft für dieselbige zu gewin-
nen sucht. So machte es Jesus selbst, und Paulus
richtete sich zu Athen und vor dem Felix und Agrippa
nach der Denkungsart der Leute, mit denen er zu thun
hatte. Diese Art, wie ich zur Aenderung meiner Gesin-
nungen in Absicht auf Religion und Tugend gekommen
bin, hoffe ich, soll auch andere, die so darüber denken,

als



Gottlob, voͤllig von der Wahrheit des Chriſtenthums
uͤberzeugt, und ich empfinde auch bey mir die Kraft deſſel-
ben zur Beruhigung meines Gewiſſens und zur Beſſerung
meiner Geſinnungen. Jch hoffe die Zweifel, die mir
etwa noch einfallen moͤchten, und die leichten Aufwallun-
gen der Begierden, von denen ich mich ſonſt ganz habe
beherrſchen laſſen, und die mich itzt noch wohl beunru-
higen, wird mir Gott verzeihen, da ich an beyden kein
Wohlgefallen habe, ſondern mich beſtrebe, ſie ſo gleich
zu unterdruͤcken. Jch bin bereit mich zu jeder Aufopfe-
rung meiner bisherigen Neigungen durch die That ſelbſt
zu verſtehen, die Sie von mir fordern werden. Nim-
mermehr wuͤrde ich das ſonſt gethan haben, da ich durch
die Religion noch nicht erleuchtet war. Jch weiß nun
nicht, ob Sie Urſache finden mit mir zufrieden zu ſeyn.
Pruͤfen Sie mich, auf welche Art Sie es fuͤr noͤthig
halten, und wenn Sie dann mit mir zufrieden ſind, ſo
bitte ich Sie, laſſen Sie ſich dadurch nicht beunruhigen,
wenn etwa dieſer oder jener nach ſeinen Einſichten urthei-
len ſollte, Sie haͤtten mich zu ſehr durch die Vernunft zu
gewinnen geſucht. Jch erkenne es mit Dank vor Gott,
daß Sie dieſen Weg mit mir gegangen ſind. Auf keine
andere Art wuͤrde bey mir etwas auszurichten geweſen
ſeyn, ich wuͤrde mich mit Hartnaͤckigkeit widerſetzt haben,
vielleicht waͤre ich in einige Bewegung geſetzt worden,
aber eine feſte dauerhafte Ueberzeugung waͤre gewiß nicht
zu Stande gekommen. Es kann Gott auch nicht mis-
fallen, da die Religion ſo vernunftmaͤßig iſt, daß man
die Menſchen durch die Vernunft fuͤr dieſelbige zu gewin-
nen ſucht. So machte es Jeſus ſelbſt, und Paulus
richtete ſich zu Athen und vor dem Felix und Agrippa
nach der Denkungsart der Leute, mit denen er zu thun
hatte. Dieſe Art, wie ich zur Aenderung meiner Geſin-
nungen in Abſicht auf Religion und Tugend gekommen
bin, hoffe ich, ſoll auch andere, die ſo daruͤber denken,

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="146"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Gottlob, vo&#x0364;llig von der Wahrheit des Chri&#x017F;tenthums<lb/>
u&#x0364;berzeugt, und ich empfinde auch bey mir die Kraft de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben zur Beruhigung meines Gewi&#x017F;&#x017F;ens und zur Be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
meiner Ge&#x017F;innungen. Jch hoffe die Zweifel, die mir<lb/>
etwa noch einfallen mo&#x0364;chten, und die leichten Aufwallun-<lb/>
gen der Begierden, von denen ich mich &#x017F;on&#x017F;t ganz habe<lb/>
beherr&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en, und die mich itzt noch wohl beunru-<lb/>
higen, wird mir Gott verzeihen, da ich an beyden kein<lb/>
Wohlgefallen habe, &#x017F;ondern mich be&#x017F;trebe, &#x017F;ie &#x017F;o gleich<lb/>
zu unterdru&#x0364;cken. Jch bin bereit mich zu jeder Aufopfe-<lb/>
rung meiner bisherigen Neigungen durch die That &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu ver&#x017F;tehen, die Sie von mir fordern werden. Nim-<lb/>
mermehr wu&#x0364;rde ich das &#x017F;on&#x017F;t gethan haben, da ich durch<lb/>
die Religion noch nicht erleuchtet war. Jch weiß nun<lb/>
nicht, ob Sie Ur&#x017F;ache finden mit mir zufrieden zu &#x017F;eyn.<lb/>
Pru&#x0364;fen Sie mich, auf welche Art Sie es fu&#x0364;r no&#x0364;thig<lb/>
halten, und wenn Sie dann mit mir zufrieden &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
bitte ich Sie, la&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich dadurch nicht beunruhigen,<lb/>
wenn etwa die&#x017F;er oder jener nach &#x017F;einen Ein&#x017F;ichten urthei-<lb/>
len &#x017F;ollte, Sie ha&#x0364;tten mich zu &#x017F;ehr durch die Vernunft zu<lb/>
gewinnen ge&#x017F;ucht. Jch erkenne es mit Dank vor Gott,<lb/>
daß Sie die&#x017F;en Weg mit mir gegangen &#x017F;ind. Auf keine<lb/>
andere Art wu&#x0364;rde bey mir etwas auszurichten gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn, ich wu&#x0364;rde mich mit Hartna&#x0364;ckigkeit wider&#x017F;etzt haben,<lb/>
vielleicht wa&#x0364;re ich in einige Bewegung ge&#x017F;etzt worden,<lb/>
aber eine fe&#x017F;te dauerhafte Ueberzeugung wa&#x0364;re gewiß nicht<lb/>
zu Stande gekommen. Es kann Gott auch nicht mis-<lb/>
fallen, da die Religion &#x017F;o vernunftma&#x0364;ßig i&#x017F;t, daß man<lb/>
die Men&#x017F;chen durch die Vernunft fu&#x0364;r die&#x017F;elbige zu gewin-<lb/>
nen &#x017F;ucht. So machte es Je&#x017F;us &#x017F;elb&#x017F;t, und Paulus<lb/>
richtete &#x017F;ich zu Athen und vor dem Felix und Agrippa<lb/>
nach der Denkungsart der Leute, mit denen er zu thun<lb/>
hatte. Die&#x017F;e Art, wie ich zur Aenderung meiner Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen in Ab&#x017F;icht auf Religion und Tugend gekommen<lb/>
bin, hoffe ich, &#x017F;oll auch andere, die &#x017F;o daru&#x0364;ber denken,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0158] Gottlob, voͤllig von der Wahrheit des Chriſtenthums uͤberzeugt, und ich empfinde auch bey mir die Kraft deſſel- ben zur Beruhigung meines Gewiſſens und zur Beſſerung meiner Geſinnungen. Jch hoffe die Zweifel, die mir etwa noch einfallen moͤchten, und die leichten Aufwallun- gen der Begierden, von denen ich mich ſonſt ganz habe beherrſchen laſſen, und die mich itzt noch wohl beunru- higen, wird mir Gott verzeihen, da ich an beyden kein Wohlgefallen habe, ſondern mich beſtrebe, ſie ſo gleich zu unterdruͤcken. Jch bin bereit mich zu jeder Aufopfe- rung meiner bisherigen Neigungen durch die That ſelbſt zu verſtehen, die Sie von mir fordern werden. Nim- mermehr wuͤrde ich das ſonſt gethan haben, da ich durch die Religion noch nicht erleuchtet war. Jch weiß nun nicht, ob Sie Urſache finden mit mir zufrieden zu ſeyn. Pruͤfen Sie mich, auf welche Art Sie es fuͤr noͤthig halten, und wenn Sie dann mit mir zufrieden ſind, ſo bitte ich Sie, laſſen Sie ſich dadurch nicht beunruhigen, wenn etwa dieſer oder jener nach ſeinen Einſichten urthei- len ſollte, Sie haͤtten mich zu ſehr durch die Vernunft zu gewinnen geſucht. Jch erkenne es mit Dank vor Gott, daß Sie dieſen Weg mit mir gegangen ſind. Auf keine andere Art wuͤrde bey mir etwas auszurichten geweſen ſeyn, ich wuͤrde mich mit Hartnaͤckigkeit widerſetzt haben, vielleicht waͤre ich in einige Bewegung geſetzt worden, aber eine feſte dauerhafte Ueberzeugung waͤre gewiß nicht zu Stande gekommen. Es kann Gott auch nicht mis- fallen, da die Religion ſo vernunftmaͤßig iſt, daß man die Menſchen durch die Vernunft fuͤr dieſelbige zu gewin- nen ſucht. So machte es Jeſus ſelbſt, und Paulus richtete ſich zu Athen und vor dem Felix und Agrippa nach der Denkungsart der Leute, mit denen er zu thun hatte. Dieſe Art, wie ich zur Aenderung meiner Geſin- nungen in Abſicht auf Religion und Tugend gekommen bin, hoffe ich, ſoll auch andere, die ſo daruͤber denken, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/158
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/158>, abgerufen am 30.04.2024.