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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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von wilden Tieren und giftigen Schlangen, von Fieber
und Cholera, ruhelos wandert von einem Ort zum andern,
um mühselig hier und dort ein Samenkorn zu säen,
von dem er doch nicht weiß, ob nicht der Wüstensturm
es verwehen, ob es nicht an der Wüstensonne vergehen
wird. Mit diesem Bild, wie es vielleicht noch zu Li-
vingstones Zeiten als typisch gelten durfte, hat der
moderne Missionar kaum noch entfernte Ähnlichkeit. Auch
für den Missionar sind heute die äußeren Lebensverhält-
nisse mehr oder weniger geordnete geworden fast auf
allen Missionsgebieten. In Japan wohl am meisten.
Dort ist der äußere Lebensrahmen sehr wenig verschie-
den von dem unsrigen hier.

Vor allem ist es schon nichts weniger als ein un-
wirtliches Land, nach welchem der Missionar hier geschickt
wird. Mit dem Volk, welchem es hier zu wohnen ver-
gönnt ist, kann es Gott wahrlich nicht böse gemeint haben.
Nippon 1), d. h. Sonnenaufgang, nennt der Japaner mit
Stolz sein Land, und wer es kennt, der weiß, daß der
Name trefflich gewählt ist; der wundert sich nicht mehr,

1) Das beste Buch über "Japan" ist von dem deutschen Pro-
fessor J. J. Rein. Ohne dieses Buch ist eine gründliche Kennt-
nis Japans schlechterdings unmöglich.
Nippon oder Nihon ist zusammengesetzt aus nichi (ni) =
Sonne, Tag und hon = Ursprung.
Die angewandte Schreibweise japanischer Namen und Wörter
ist die allgemein übliche. Die Aussprache der Vokale ist die kon-
tinentale bezw. deutsche (ausgenommen ist ei = ee, z. B. Geisha
= Geesha
), die der Konsonanten die englische, d. h. ch = tsch
(nichi = nitschi); j = dsch (Fuji = Fudschi); sh = sch (Heishi
= Heeschi); y = i,
am Anfang der Silbe = j (Tokyo = Tokio;
aber yama = jama); z = ds (Zen = Dsen). Die Silben werden
gleichmäßig betont; man merke aber Tokyo, nicht Tokyo; Osaka,
nicht Osaka.

von wilden Tieren und giftigen Schlangen, von Fieber
und Cholera, ruhelos wandert von einem Ort zum andern,
um mühſelig hier und dort ein Samenkorn zu ſäen,
von dem er doch nicht weiß, ob nicht der Wüſtenſturm
es verwehen, ob es nicht an der Wüſtenſonne vergehen
wird. Mit dieſem Bild, wie es vielleicht noch zu Li-
vingſtones Zeiten als typiſch gelten durfte, hat der
moderne Miſſionar kaum noch entfernte Ähnlichkeit. Auch
für den Miſſionar ſind heute die äußeren Lebensverhält-
niſſe mehr oder weniger geordnete geworden faſt auf
allen Miſſionsgebieten. In Japan wohl am meiſten.
Dort iſt der äußere Lebensrahmen ſehr wenig verſchie-
den von dem unſrigen hier.

Vor allem iſt es ſchon nichts weniger als ein un-
wirtliches Land, nach welchem der Miſſionar hier geſchickt
wird. Mit dem Volk, welchem es hier zu wohnen ver-
gönnt iſt, kann es Gott wahrlich nicht böſe gemeint haben.
Nippon 1), d. h. Sonnenaufgang, nennt der Japaner mit
Stolz ſein Land, und wer es kennt, der weiß, daß der
Name trefflich gewählt iſt; der wundert ſich nicht mehr,

1) Das beſte Buch über „Japan“ iſt von dem deutſchen Pro-
feſſor J. J. Rein. Ohne dieſes Buch iſt eine gründliche Kennt-
nis Japans ſchlechterdings unmöglich.
Nippon oder Nihon iſt zuſammengeſetzt aus nichi (ni) =
Sonne, Tag und hon = Urſprung.
Die angewandte Schreibweiſe japaniſcher Namen und Wörter
iſt die allgemein übliche. Die Ausſprache der Vokale iſt die kon-
tinentale bezw. deutſche (ausgenommen iſt ei = ee, z. B. Geisha
= Geesha
), die der Konſonanten die engliſche, d. h. ch = tsch
(nichi = nitschi); j = dsch (Fuji = Fudschi); sh = sch (Heishi
= Heeschi); y = i,
am Anfang der Silbe = j (Tokyo = Tokio;
aber yama = jama); z = ds (Zen = Dsen). Die Silben werden
gleichmäßig betont; man merke aber Tṓky̆ṓ, nicht Tŏkȳ́ŏ; Ṓsăkắ,
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[2/0016] von wilden Tieren und giftigen Schlangen, von Fieber und Cholera, ruhelos wandert von einem Ort zum andern, um mühſelig hier und dort ein Samenkorn zu ſäen, von dem er doch nicht weiß, ob nicht der Wüſtenſturm es verwehen, ob es nicht an der Wüſtenſonne vergehen wird. Mit dieſem Bild, wie es vielleicht noch zu Li- vingſtones Zeiten als typiſch gelten durfte, hat der moderne Miſſionar kaum noch entfernte Ähnlichkeit. Auch für den Miſſionar ſind heute die äußeren Lebensverhält- niſſe mehr oder weniger geordnete geworden faſt auf allen Miſſionsgebieten. In Japan wohl am meiſten. Dort iſt der äußere Lebensrahmen ſehr wenig verſchie- den von dem unſrigen hier. Vor allem iſt es ſchon nichts weniger als ein un- wirtliches Land, nach welchem der Miſſionar hier geſchickt wird. Mit dem Volk, welchem es hier zu wohnen ver- gönnt iſt, kann es Gott wahrlich nicht böſe gemeint haben. Nippon 1), d. h. Sonnenaufgang, nennt der Japaner mit Stolz ſein Land, und wer es kennt, der weiß, daß der Name trefflich gewählt iſt; der wundert ſich nicht mehr, 1) Das beſte Buch über „Japan“ iſt von dem deutſchen Pro- feſſor J. J. Rein. Ohne dieſes Buch iſt eine gründliche Kennt- nis Japans ſchlechterdings unmöglich. Nippon oder Nihon iſt zuſammengeſetzt aus nichi (ni) = Sonne, Tag und hon = Urſprung. Die angewandte Schreibweiſe japaniſcher Namen und Wörter iſt die allgemein übliche. Die Ausſprache der Vokale iſt die kon- tinentale bezw. deutſche (ausgenommen iſt ei = ee, z. B. Geisha = Geesha), die der Konſonanten die engliſche, d. h. ch = tsch (nichi = nitschi); j = dsch (Fuji = Fudschi); sh = sch (Heishi = Heeschi); y = i, am Anfang der Silbe = j (Tokyo = Tokio; aber yama = jama); z = ds (Zen = Dsen). Die Silben werden gleichmäßig betont; man merke aber Tṓky̆ṓ, nicht Tŏkȳ́ŏ; Ṓsăkắ, nicht Ŏsáka.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/16>, abgerufen am 28.03.2024.