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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Man hat vermutet, daß die christliche Grundlage doch
zu schwach war, um auf die Dauer stand zu halten;
und wenn es schon der eindrucksvollen geistesmächtigen
Persönlichkeit des Paulus schwer war, in wenigen Tagen
nachhaltige Bekehrungen zu bewerkstelligen, so ist das
anderen Missionaren geradezu unmöglich. Die Unhalt-
barkeit dieser Methode hat sich vollends erwiesen in der
Jesuitenmission des Franziskus Xaver. Sein brennen-
der Missionseifer, der ihn von einem Ort zum andern
trieb, seine schallende Missionsparole "amplius amplius"
("weiter, weiter") ist an ihm selbst und seinen Nach-
folgern durch den radikalen Zusammenbruch seines
Werkes fürchterlich zu schanden geworden. Die Sauer-
teigsbedeutung des Christentums hatte man überhaupt
nicht gekannt und seine Senfkornnatur war gründlich miß-
verstanden worden. Heute ist das anders. Nicht in die
Weite geht heute der Missionsweg, sondern in die Tiefe,
nicht vielen etwas bieten ist das nächste Ziel, sondern
einzelnen alles bieten. Darum schweift der Missionar
heute nicht in die Weite, vielmehr bleibt er an einem
und demselben Ort, um an einzelnen intensiv zu arbeiten.

Nicht als ob das einseitig gehandhabt werden sollte,
als ob der Missionar an einen und denselben Ort ge-
bannt wäre. Vielmehr darf und soll er ab und zu seine
kleinen Missionsreisen unternehmen. Auch in Japan.
Und hieran wurde er auch durch die bis jetzt bestehende,
aber binnen kurzem außer Kraft tretende Bestimmung
nicht gehindert, daß das Innere des Landes dem Fremden
verschlossen sei. Zu körperlicher Erholung und zu
wissenschaftlichen Untersuchungen hat die japanische
Regierung stets Pässe an irgend einen Ort des Landes
ausgestellt, sie hat das aber auch dann gethan, wenn es
sich offenkundig um missionarische Zwecke, um Propa-

Man hat vermutet, daß die chriſtliche Grundlage doch
zu ſchwach war, um auf die Dauer ſtand zu halten;
und wenn es ſchon der eindrucksvollen geiſtesmächtigen
Perſönlichkeit des Paulus ſchwer war, in wenigen Tagen
nachhaltige Bekehrungen zu bewerkſtelligen, ſo iſt das
anderen Miſſionaren geradezu unmöglich. Die Unhalt-
barkeit dieſer Methode hat ſich vollends erwieſen in der
Jeſuitenmiſſion des Franziskus Xaver. Sein brennen-
der Miſſionseifer, der ihn von einem Ort zum andern
trieb, ſeine ſchallende Miſſionsparole „amplius amplius“
(„weiter, weiter“) iſt an ihm ſelbſt und ſeinen Nach-
folgern durch den radikalen Zuſammenbruch ſeines
Werkes fürchterlich zu ſchanden geworden. Die Sauer-
teigsbedeutung des Chriſtentums hatte man überhaupt
nicht gekannt und ſeine Senfkornnatur war gründlich miß-
verſtanden worden. Heute iſt das anders. Nicht in die
Weite geht heute der Miſſionsweg, ſondern in die Tiefe,
nicht vielen etwas bieten iſt das nächſte Ziel, ſondern
einzelnen alles bieten. Darum ſchweift der Miſſionar
heute nicht in die Weite, vielmehr bleibt er an einem
und demſelben Ort, um an einzelnen intenſiv zu arbeiten.

Nicht als ob das einſeitig gehandhabt werden ſollte,
als ob der Miſſionar an einen und denſelben Ort ge-
bannt wäre. Vielmehr darf und ſoll er ab und zu ſeine
kleinen Miſſionsreiſen unternehmen. Auch in Japan.
Und hieran wurde er auch durch die bis jetzt beſtehende,
aber binnen kurzem außer Kraft tretende Beſtimmung
nicht gehindert, daß das Innere des Landes dem Fremden
verſchloſſen ſei. Zu körperlicher Erholung und zu
wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen hat die japaniſche
Regierung ſtets Päſſe an irgend einen Ort des Landes
ausgeſtellt, ſie hat das aber auch dann gethan, wenn es
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[11/0025] Man hat vermutet, daß die chriſtliche Grundlage doch zu ſchwach war, um auf die Dauer ſtand zu halten; und wenn es ſchon der eindrucksvollen geiſtesmächtigen Perſönlichkeit des Paulus ſchwer war, in wenigen Tagen nachhaltige Bekehrungen zu bewerkſtelligen, ſo iſt das anderen Miſſionaren geradezu unmöglich. Die Unhalt- barkeit dieſer Methode hat ſich vollends erwieſen in der Jeſuitenmiſſion des Franziskus Xaver. Sein brennen- der Miſſionseifer, der ihn von einem Ort zum andern trieb, ſeine ſchallende Miſſionsparole „amplius amplius“ („weiter, weiter“) iſt an ihm ſelbſt und ſeinen Nach- folgern durch den radikalen Zuſammenbruch ſeines Werkes fürchterlich zu ſchanden geworden. Die Sauer- teigsbedeutung des Chriſtentums hatte man überhaupt nicht gekannt und ſeine Senfkornnatur war gründlich miß- verſtanden worden. Heute iſt das anders. Nicht in die Weite geht heute der Miſſionsweg, ſondern in die Tiefe, nicht vielen etwas bieten iſt das nächſte Ziel, ſondern einzelnen alles bieten. Darum ſchweift der Miſſionar heute nicht in die Weite, vielmehr bleibt er an einem und demſelben Ort, um an einzelnen intenſiv zu arbeiten. Nicht als ob das einſeitig gehandhabt werden ſollte, als ob der Miſſionar an einen und denſelben Ort ge- bannt wäre. Vielmehr darf und ſoll er ab und zu ſeine kleinen Miſſionsreiſen unternehmen. Auch in Japan. Und hieran wurde er auch durch die bis jetzt beſtehende, aber binnen kurzem außer Kraft tretende Beſtimmung nicht gehindert, daß das Innere des Landes dem Fremden verſchloſſen ſei. Zu körperlicher Erholung und zu wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen hat die japaniſche Regierung ſtets Päſſe an irgend einen Ort des Landes ausgeſtellt, ſie hat das aber auch dann gethan, wenn es ſich offenkundig um miſſionariſche Zwecke, um Propa-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/25>, abgerufen am 30.04.2024.