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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Besonderes will der japanische Missionar nicht sein.
In England ist man es freilich gewöhnt, den Glorien-
schein um das Haupt der Missionare zu weben, sie sind
die Heroen der Nation, rechte Übermenschen. In
Deutschland dagegen braucht sich der christliche Sendbote
nicht gerade über Vergötterung zu beklagen. Hier schaut
man eher etwas auf ihn herab, wenn man nicht gar
ihm feindselig gegenübersteht. Aber herabsetzen lasse ich
den japanischen Missionar doch nicht. Der Posten eines
christlichen Sendboten ist überall auf der ganzen Erde
ein ungemein schwieriger, und daß er das ist, liegt nicht
sowohl in äußeren Verhältnissen als in inneren Gründen.
Mögen ihm auch die Annehmlichkeiten und der Komfort
des Lebens zu Genüge zur Verfügung stehen, so ist das
doch nur der äußere Lebensrahmen, der mit dem, was
der Missionar ist und schafft, im letzten Grunde wenig
zu thun hat. Darauf kommt es an, was innerhalb
dieses Rahmens ist. Der Kaufmann lebt im Auslande
und macht seine Geschäfte mit den Eingeborenen, und
wenn es ihm gelingt, so ist er seines Lebens froh und
er fühlt sich wohl im fremden Land und tief drinnen
regt sich, was er bewußt nicht zugeben möchte: ubi bene,
ibi patria.
Der deutsche Lehrer in der Fremde geht in
seine Schule und erteilt seinen Sprachunterricht oder
hält seine Vorlesungen, und wenn er damit fertig ist,
so hat er seine Schuldigkeit an den Fremden gethan
und er geht nachhause und gehört nun sich selbst und
lebt sich selbst. Dem Missionar aber schlagen wenige
Stunden, da er sich selbst gehört und sich selbst leben
kann; sein ganzes Leben bedeutet ein fast ununter-
brochenes Sichhingeben. Er hat an Seelen zu arbeiten
und wenn er das auch nur mit einigem Erfolg thun
will, so muß er tief innerlich eingehen auf das Seelen-

Beſonderes will der japaniſche Miſſionar nicht ſein.
In England iſt man es freilich gewöhnt, den Glorien-
ſchein um das Haupt der Miſſionare zu weben, ſie ſind
die Heroen der Nation, rechte Übermenſchen. In
Deutſchland dagegen braucht ſich der chriſtliche Sendbote
nicht gerade über Vergötterung zu beklagen. Hier ſchaut
man eher etwas auf ihn herab, wenn man nicht gar
ihm feindſelig gegenüberſteht. Aber herabſetzen laſſe ich
den japaniſchen Miſſionar doch nicht. Der Poſten eines
chriſtlichen Sendboten iſt überall auf der ganzen Erde
ein ungemein ſchwieriger, und daß er das iſt, liegt nicht
ſowohl in äußeren Verhältniſſen als in inneren Gründen.
Mögen ihm auch die Annehmlichkeiten und der Komfort
des Lebens zu Genüge zur Verfügung ſtehen, ſo iſt das
doch nur der äußere Lebensrahmen, der mit dem, was
der Miſſionar iſt und ſchafft, im letzten Grunde wenig
zu thun hat. Darauf kommt es an, was innerhalb
dieſes Rahmens iſt. Der Kaufmann lebt im Auslande
und macht ſeine Geſchäfte mit den Eingeborenen, und
wenn es ihm gelingt, ſo iſt er ſeines Lebens froh und
er fühlt ſich wohl im fremden Land und tief drinnen
regt ſich, was er bewußt nicht zugeben möchte: ubi bene,
ibi patria.
Der deutſche Lehrer in der Fremde geht in
ſeine Schule und erteilt ſeinen Sprachunterricht oder
hält ſeine Vorleſungen, und wenn er damit fertig iſt,
ſo hat er ſeine Schuldigkeit an den Fremden gethan
und er geht nachhauſe und gehört nun ſich ſelbſt und
lebt ſich ſelbſt. Dem Miſſionar aber ſchlagen wenige
Stunden, da er ſich ſelbſt gehört und ſich ſelbſt leben
kann; ſein ganzes Leben bedeutet ein faſt ununter-
brochenes Sichhingeben. Er hat an Seelen zu arbeiten
und wenn er das auch nur mit einigem Erfolg thun
will, ſo muß er tief innerlich eingehen auf das Seelen-

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[20/0034] Beſonderes will der japaniſche Miſſionar nicht ſein. In England iſt man es freilich gewöhnt, den Glorien- ſchein um das Haupt der Miſſionare zu weben, ſie ſind die Heroen der Nation, rechte Übermenſchen. In Deutſchland dagegen braucht ſich der chriſtliche Sendbote nicht gerade über Vergötterung zu beklagen. Hier ſchaut man eher etwas auf ihn herab, wenn man nicht gar ihm feindſelig gegenüberſteht. Aber herabſetzen laſſe ich den japaniſchen Miſſionar doch nicht. Der Poſten eines chriſtlichen Sendboten iſt überall auf der ganzen Erde ein ungemein ſchwieriger, und daß er das iſt, liegt nicht ſowohl in äußeren Verhältniſſen als in inneren Gründen. Mögen ihm auch die Annehmlichkeiten und der Komfort des Lebens zu Genüge zur Verfügung ſtehen, ſo iſt das doch nur der äußere Lebensrahmen, der mit dem, was der Miſſionar iſt und ſchafft, im letzten Grunde wenig zu thun hat. Darauf kommt es an, was innerhalb dieſes Rahmens iſt. Der Kaufmann lebt im Auslande und macht ſeine Geſchäfte mit den Eingeborenen, und wenn es ihm gelingt, ſo iſt er ſeines Lebens froh und er fühlt ſich wohl im fremden Land und tief drinnen regt ſich, was er bewußt nicht zugeben möchte: ubi bene, ibi patria. Der deutſche Lehrer in der Fremde geht in ſeine Schule und erteilt ſeinen Sprachunterricht oder hält ſeine Vorleſungen, und wenn er damit fertig iſt, ſo hat er ſeine Schuldigkeit an den Fremden gethan und er geht nachhauſe und gehört nun ſich ſelbſt und lebt ſich ſelbſt. Dem Miſſionar aber ſchlagen wenige Stunden, da er ſich ſelbſt gehört und ſich ſelbſt leben kann; ſein ganzes Leben bedeutet ein faſt ununter- brochenes Sichhingeben. Er hat an Seelen zu arbeiten und wenn er das auch nur mit einigem Erfolg thun will, ſo muß er tief innerlich eingehen auf das Seelen-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/34>, abgerufen am 30.04.2024.