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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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gewesen, und nun war er zweifelhaft, ob er nicht dort
schon mit etwa acht Jahren getauft worden sei; er
wußte also nicht, war er ein Christ oder nicht, und ich
wußte nicht, sollte ich ihn noch einmal taufen oder nicht.
Ich wandte mich um Auskunft an den russischen Bischof
Nikolai und erhielt von diesem zur Antwort, daß der
betreffende Namen in den Listen seiner Kirche nicht zu
finden sei. Ich hatte jetzt kein Bedenken mehr, den
Mann zu taufen. So pflegen es die evangelischen
Missionen nicht zu halten. Die Kinder werden erst
dann getauft, wenn sie sich der Tragweite dieses Schrittes
bewußt sind, und auch dann noch -- unter einem ge-
wissen Alter -- nur mit Einwilligung ihrer Eltern.
Die Täuflinge sehen also zum Teil auf einen christlichen
Unterricht von sechs und mehr Jahren zurück. Aber
auch hier vollzieht sich der Bekehrungsprozeß auf dem-
selben Wege, wie es oben beschrieben wurde.

Ich gebe es gerne zu, daß der Missionar in der
Regel hinter der geschilderten Methode zurückbleibt.
Aber das soll nicht etwa heißen, daß ich nur eine sub-
jektive Theorie darüber geben wollte, wie es gemacht
werden sollte. Vielmehr ist es der in der ganzen japa-
nischen Mission betretene Weg. Es ist ja natürlich nicht
so, als müßte jede Bekehrung also verlaufen. Neuer-
dings ist ein großer Teil der Propagandaarbeit an ein-
heimische Prediger übergegangen, welche naturgemäß noch
andere Anknüpfungen zu finden wissen als die durch
Schulen geschaffenen, und da vortreffliche japanische Unter-
richtsanstalten den Missionsschulen immer größere Kon-
kurrenz machen, so wird sich die christliche Propaganda
in Zukunft noch andere Wege suchen müssen. Nun, Gottes
Ordnung ist nirgends so armselig, daß sie nur einen Weg
kennt. Auch hier gilt es: "Der Wind (Geist) bläset,

geweſen, und nun war er zweifelhaft, ob er nicht dort
ſchon mit etwa acht Jahren getauft worden ſei; er
wußte alſo nicht, war er ein Chriſt oder nicht, und ich
wußte nicht, ſollte ich ihn noch einmal taufen oder nicht.
Ich wandte mich um Auskunft an den ruſſiſchen Biſchof
Nikolai und erhielt von dieſem zur Antwort, daß der
betreffende Namen in den Liſten ſeiner Kirche nicht zu
finden ſei. Ich hatte jetzt kein Bedenken mehr, den
Mann zu taufen. So pflegen es die evangeliſchen
Miſſionen nicht zu halten. Die Kinder werden erſt
dann getauft, wenn ſie ſich der Tragweite dieſes Schrittes
bewußt ſind, und auch dann noch — unter einem ge-
wiſſen Alter — nur mit Einwilligung ihrer Eltern.
Die Täuflinge ſehen alſo zum Teil auf einen chriſtlichen
Unterricht von ſechs und mehr Jahren zurück. Aber
auch hier vollzieht ſich der Bekehrungsprozeß auf dem-
ſelben Wege, wie es oben beſchrieben wurde.

Ich gebe es gerne zu, daß der Miſſionar in der
Regel hinter der geſchilderten Methode zurückbleibt.
Aber das ſoll nicht etwa heißen, daß ich nur eine ſub-
jektive Theorie darüber geben wollte, wie es gemacht
werden ſollte. Vielmehr iſt es der in der ganzen japa-
niſchen Miſſion betretene Weg. Es iſt ja natürlich nicht
ſo, als müßte jede Bekehrung alſo verlaufen. Neuer-
dings iſt ein großer Teil der Propagandaarbeit an ein-
heimiſche Prediger übergegangen, welche naturgemäß noch
andere Anknüpfungen zu finden wiſſen als die durch
Schulen geſchaffenen, und da vortreffliche japaniſche Unter-
richtsanſtalten den Miſſionsſchulen immer größere Kon-
kurrenz machen, ſo wird ſich die chriſtliche Propaganda
in Zukunft noch andere Wege ſuchen müſſen. Nun, Gottes
Ordnung iſt nirgends ſo armſelig, daß ſie nur einen Weg
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[332/0346] geweſen, und nun war er zweifelhaft, ob er nicht dort ſchon mit etwa acht Jahren getauft worden ſei; er wußte alſo nicht, war er ein Chriſt oder nicht, und ich wußte nicht, ſollte ich ihn noch einmal taufen oder nicht. Ich wandte mich um Auskunft an den ruſſiſchen Biſchof Nikolai und erhielt von dieſem zur Antwort, daß der betreffende Namen in den Liſten ſeiner Kirche nicht zu finden ſei. Ich hatte jetzt kein Bedenken mehr, den Mann zu taufen. So pflegen es die evangeliſchen Miſſionen nicht zu halten. Die Kinder werden erſt dann getauft, wenn ſie ſich der Tragweite dieſes Schrittes bewußt ſind, und auch dann noch — unter einem ge- wiſſen Alter — nur mit Einwilligung ihrer Eltern. Die Täuflinge ſehen alſo zum Teil auf einen chriſtlichen Unterricht von ſechs und mehr Jahren zurück. Aber auch hier vollzieht ſich der Bekehrungsprozeß auf dem- ſelben Wege, wie es oben beſchrieben wurde. Ich gebe es gerne zu, daß der Miſſionar in der Regel hinter der geſchilderten Methode zurückbleibt. Aber das ſoll nicht etwa heißen, daß ich nur eine ſub- jektive Theorie darüber geben wollte, wie es gemacht werden ſollte. Vielmehr iſt es der in der ganzen japa- niſchen Miſſion betretene Weg. Es iſt ja natürlich nicht ſo, als müßte jede Bekehrung alſo verlaufen. Neuer- dings iſt ein großer Teil der Propagandaarbeit an ein- heimiſche Prediger übergegangen, welche naturgemäß noch andere Anknüpfungen zu finden wiſſen als die durch Schulen geſchaffenen, und da vortreffliche japaniſche Unter- richtsanſtalten den Miſſionsſchulen immer größere Kon- kurrenz machen, ſo wird ſich die chriſtliche Propaganda in Zukunft noch andere Wege ſuchen müſſen. Nun, Gottes Ordnung iſt nirgends ſo armſelig, daß ſie nur einen Weg kennt. Auch hier gilt es: „Der Wind (Geiſt) bläſet,

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/346>, abgerufen am 27.04.2024.