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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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danken anschaulich zu machen. Erzählungen, an welchen
die japanische Nation zum Teil durch chinesische Erb-
schaft sehr reich ist, finden oft und passende Verwendung
als Illustrationen. Häufige Anspielungen und halb
ausgeführte oder auch nur angedeutete Bilder, welche
der Rede manchmal gradezu den Charakter des Brillanten
verleihen, tragen zur Lebendigkeit nicht wenig bei.
Sprichwörter, meist scharf und schlagend, aus dem Volk
hervorgegangen und bei allen Kulturvölkern in der
Volkssprache noch mehr daheim als bei den Gebildeten,
werden mit Vorliebe verwendet und sind noch Gemein-
gut des ganzen Volkes. Weitaus die meisten Illustra-
tionen aber sind der nächsten Umgebung entlehnt, nahe-
liegende Dinge aus dem alltäglichen Leben, darum
aber, wenn recht verwertet, einleuchtend und packend,
besonders förderlich dem Witz, welcher sich in der
derben drastischen Realistik, wo sich die Gegenstände
scharf und grell abheben, am wohlsten fühlt. Neben
dem äußerst beliebten und stets belachten, aber für
unsern Geschmack meist faden Spielen mit Worten oder
Wortspiel, bei welchem die japanische, wie überhaupt
ostasiatische Vorliebe für die Form im Gegensatz zu
dem Gedanken recht auffällig zu Tage tritt, wird gerade
auf diesem Gebiete geistreiche Witzigkeit und Witzelei
häufig erzielt: wie denn die Japaner im amüsanten
Gerede Meister sind.

Aus der Poesie der Natur und des Menschenlebens
wird in der Umgangssprache wenig illustriert. In-
folge dessen bleibt der Ausdruck trotz aller Beweglich-
keit prosaisch. Als sinnliche Malerei ist der Ausdruck
ähnlich dem aller Natur- und der Natur noch nahestehen-
den Stände der Kulturvölker, wie wir ihn vorzüglich in
dem Kindheitsalter der Völker finden, so in den uralten

danken anſchaulich zu machen. Erzählungen, an welchen
die japaniſche Nation zum Teil durch chineſiſche Erb-
ſchaft ſehr reich iſt, finden oft und paſſende Verwendung
als Illuſtrationen. Häufige Anſpielungen und halb
ausgeführte oder auch nur angedeutete Bilder, welche
der Rede manchmal gradezu den Charakter des Brillanten
verleihen, tragen zur Lebendigkeit nicht wenig bei.
Sprichwörter, meiſt ſcharf und ſchlagend, aus dem Volk
hervorgegangen und bei allen Kulturvölkern in der
Volksſprache noch mehr daheim als bei den Gebildeten,
werden mit Vorliebe verwendet und ſind noch Gemein-
gut des ganzen Volkes. Weitaus die meiſten Illuſtra-
tionen aber ſind der nächſten Umgebung entlehnt, nahe-
liegende Dinge aus dem alltäglichen Leben, darum
aber, wenn recht verwertet, einleuchtend und packend,
beſonders förderlich dem Witz, welcher ſich in der
derben draſtiſchen Realiſtik, wo ſich die Gegenſtände
ſcharf und grell abheben, am wohlſten fühlt. Neben
dem äußerſt beliebten und ſtets belachten, aber für
unſern Geſchmack meiſt faden Spielen mit Worten oder
Wortſpiel, bei welchem die japaniſche, wie überhaupt
oſtaſiatiſche Vorliebe für die Form im Gegenſatz zu
dem Gedanken recht auffällig zu Tage tritt, wird gerade
auf dieſem Gebiete geiſtreiche Witzigkeit und Witzelei
häufig erzielt: wie denn die Japaner im amüſanten
Gerede Meiſter ſind.

Aus der Poeſie der Natur und des Menſchenlebens
wird in der Umgangsſprache wenig illuſtriert. In-
folge deſſen bleibt der Ausdruck trotz aller Beweglich-
keit proſaiſch. Als ſinnliche Malerei iſt der Ausdruck
ähnlich dem aller Natur- und der Natur noch naheſtehen-
den Stände der Kulturvölker, wie wir ihn vorzüglich in
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[29/0043] danken anſchaulich zu machen. Erzählungen, an welchen die japaniſche Nation zum Teil durch chineſiſche Erb- ſchaft ſehr reich iſt, finden oft und paſſende Verwendung als Illuſtrationen. Häufige Anſpielungen und halb ausgeführte oder auch nur angedeutete Bilder, welche der Rede manchmal gradezu den Charakter des Brillanten verleihen, tragen zur Lebendigkeit nicht wenig bei. Sprichwörter, meiſt ſcharf und ſchlagend, aus dem Volk hervorgegangen und bei allen Kulturvölkern in der Volksſprache noch mehr daheim als bei den Gebildeten, werden mit Vorliebe verwendet und ſind noch Gemein- gut des ganzen Volkes. Weitaus die meiſten Illuſtra- tionen aber ſind der nächſten Umgebung entlehnt, nahe- liegende Dinge aus dem alltäglichen Leben, darum aber, wenn recht verwertet, einleuchtend und packend, beſonders förderlich dem Witz, welcher ſich in der derben draſtiſchen Realiſtik, wo ſich die Gegenſtände ſcharf und grell abheben, am wohlſten fühlt. Neben dem äußerſt beliebten und ſtets belachten, aber für unſern Geſchmack meiſt faden Spielen mit Worten oder Wortſpiel, bei welchem die japaniſche, wie überhaupt oſtaſiatiſche Vorliebe für die Form im Gegenſatz zu dem Gedanken recht auffällig zu Tage tritt, wird gerade auf dieſem Gebiete geiſtreiche Witzigkeit und Witzelei häufig erzielt: wie denn die Japaner im amüſanten Gerede Meiſter ſind. Aus der Poeſie der Natur und des Menſchenlebens wird in der Umgangsſprache wenig illuſtriert. In- folge deſſen bleibt der Ausdruck trotz aller Beweglich- keit proſaiſch. Als ſinnliche Malerei iſt der Ausdruck ähnlich dem aller Natur- und der Natur noch naheſtehen- den Stände der Kulturvölker, wie wir ihn vorzüglich in dem Kindheitsalter der Völker finden, ſo in den uralten

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/43>, abgerufen am 30.04.2024.