Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

endlich unsre volle Ladung, bestehend in 420
Negern jedes Geschlechts und Alters, bei-
sammen hatten. Alle diese Umstände sind
mir noch jetzt, in meinem hohen Alter, so
genau und lebendig im Gedächtnisse, als
wenn ich sie erst vor ein paar Jahren erlebt
hätte.

Nunmehr gieng die Reise von der Afrika-
nischen Küste nach Surinam, queer über
den Atlantischen Ocean, hinüber, wo unsre
Schwarzen verkauft werden sollten. Wäh-
rend neun bis zehn Wochen, die wir in
See waren, sahen wir weder Land noch
Strand; erreichten aber unsern Bestimmungs-
Ort glücklich, vertauschten unsre unglückliche
Fracht gegen eine Ladung von Kaffee und
Zucker, und traten sodann den Rückweg nach
Holland an. Wir brauchten dazu wiederum
acht bis neun Wochen, bis wir endlich, wohl-
behalten, im Angesicht von Amsterdam den
Anker fallen liessen. Es war im Junius
1751, und die ganze Reise hin und zurück
hatte 21 Monate gedauert. Eilf Leute von
unsrer Mannschaft waren während dieser
Zeit verstorben.

Jn Amsterdam ließ ich es mein Erstes
seyn, nach Colberg an meine Eltern zu
schreiben und ihnen Bericht von meiner
abentheuerlichen Reise zu erstatten. Denke

endlich unſre volle Ladung, beſtehend in 420
Negern jedes Geſchlechts und Alters, bei-
ſammen hatten. Alle dieſe Umſtaͤnde ſind
mir noch jetzt, in meinem hohen Alter, ſo
genau und lebendig im Gedaͤchtniſſe, als
wenn ich ſie erſt vor ein paar Jahren erlebt
haͤtte.

Nunmehr gieng die Reiſe von der Afrika-
niſchen Kuͤſte nach Surinam, queer uͤber
den Atlantiſchen Ocean, hinuͤber, wo unſre
Schwarzen verkauft werden ſollten. Waͤh-
rend neun bis zehn Wochen, die wir in
See waren, ſahen wir weder Land noch
Strand; erreichten aber unſern Beſtimmungs-
Ort gluͤcklich, vertauſchten unſre ungluͤckliche
Fracht gegen eine Ladung von Kaffee und
Zucker, und traten ſodann den Ruͤckweg nach
Holland an. Wir brauchten dazu wiederum
acht bis neun Wochen, bis wir endlich, wohl-
behalten, im Angeſicht von Amſterdam den
Anker fallen lieſſen. Es war im Junius
1751, und die ganze Reiſe hin und zuruͤck
hatte 21 Monate gedauert. Eilf Leute von
unſrer Mannſchaft waren waͤhrend dieſer
Zeit verſtorben.

Jn Amſterdam ließ ich es mein Erſtes
ſeyn, nach Colberg an meine Eltern zu
ſchreiben und ihnen Bericht von meiner
abentheuerlichen Reiſe zu erſtatten. Denke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="29"/>
endlich un&#x017F;re volle Ladung, be&#x017F;tehend in 420<lb/>
Negern jedes Ge&#x017F;chlechts und Alters, bei-<lb/>
&#x017F;ammen hatten. Alle die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind<lb/>
mir noch jetzt, in meinem hohen Alter, &#x017F;o<lb/>
genau und lebendig im Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e, als<lb/>
wenn ich &#x017F;ie er&#x017F;t vor ein paar Jahren erlebt<lb/>
ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>Nunmehr gieng die Rei&#x017F;e von der Afrika-<lb/>
ni&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;te nach Surinam, queer u&#x0364;ber<lb/>
den Atlanti&#x017F;chen Ocean, hinu&#x0364;ber, wo un&#x017F;re<lb/>
Schwarzen verkauft werden &#x017F;ollten. Wa&#x0364;h-<lb/>
rend neun bis zehn Wochen, die wir in<lb/>
See waren, &#x017F;ahen wir weder Land noch<lb/>
Strand; erreichten aber un&#x017F;ern Be&#x017F;timmungs-<lb/>
Ort glu&#x0364;cklich, vertau&#x017F;chten un&#x017F;re unglu&#x0364;ckliche<lb/>
Fracht gegen eine Ladung von Kaffee und<lb/>
Zucker, und traten &#x017F;odann den Ru&#x0364;ckweg nach<lb/>
Holland an. Wir brauchten dazu wiederum<lb/>
acht bis neun Wochen, bis wir endlich, wohl-<lb/>
behalten, im Ange&#x017F;icht von Am&#x017F;terdam den<lb/>
Anker fallen lie&#x017F;&#x017F;en. Es war im Junius<lb/>
1751, und die ganze Rei&#x017F;e hin und zuru&#x0364;ck<lb/>
hatte 21 Monate gedauert. Eilf Leute von<lb/>
un&#x017F;rer Mann&#x017F;chaft waren wa&#x0364;hrend die&#x017F;er<lb/>
Zeit ver&#x017F;torben.</p><lb/>
        <p>Jn Am&#x017F;terdam ließ ich es mein Er&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;eyn, nach Colberg an meine Eltern zu<lb/>
&#x017F;chreiben und ihnen Bericht von meiner<lb/>
abentheuerlichen Rei&#x017F;e zu er&#x017F;tatten. Denke<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0045] endlich unſre volle Ladung, beſtehend in 420 Negern jedes Geſchlechts und Alters, bei- ſammen hatten. Alle dieſe Umſtaͤnde ſind mir noch jetzt, in meinem hohen Alter, ſo genau und lebendig im Gedaͤchtniſſe, als wenn ich ſie erſt vor ein paar Jahren erlebt haͤtte. Nunmehr gieng die Reiſe von der Afrika- niſchen Kuͤſte nach Surinam, queer uͤber den Atlantiſchen Ocean, hinuͤber, wo unſre Schwarzen verkauft werden ſollten. Waͤh- rend neun bis zehn Wochen, die wir in See waren, ſahen wir weder Land noch Strand; erreichten aber unſern Beſtimmungs- Ort gluͤcklich, vertauſchten unſre ungluͤckliche Fracht gegen eine Ladung von Kaffee und Zucker, und traten ſodann den Ruͤckweg nach Holland an. Wir brauchten dazu wiederum acht bis neun Wochen, bis wir endlich, wohl- behalten, im Angeſicht von Amſterdam den Anker fallen lieſſen. Es war im Junius 1751, und die ganze Reiſe hin und zuruͤck hatte 21 Monate gedauert. Eilf Leute von unſrer Mannſchaft waren waͤhrend dieſer Zeit verſtorben. Jn Amſterdam ließ ich es mein Erſtes ſeyn, nach Colberg an meine Eltern zu ſchreiben und ihnen Bericht von meiner abentheuerlichen Reiſe zu erſtatten. Denke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/45
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/45>, abgerufen am 29.04.2024.