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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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rest desselben zehrte die Vormundschaft über ver-
schiedene arme Waisen auf, die er freywillig über-
nahm, so daß er bey seinem Tode gerade so viel hin-
terließ, daß er begraben werden konnte.

Er war Vater von drey Söhnen, Erasmus,
Sebaldus und Elardus,
welche seine Frau, Hed-
wig,
die mehr ihrer Frömmigkeit, als ihres Ver-
standes wegen bekannt war, schon in Mutterleibe
dem Priesterstande wiedmete.

Erasmus, der älteste, war fünf Fuß und zehen Zoll
hoch, breitschulterig, wohlgewachsen, und weiß und
roth im Gesichte. Von seiner ersten Jugend an
liebte er seine eigene Person und hatte von seinen Ta-
lenten eine sehr hohe Meinung. Nach geendeten
Universitätsjahren, brachte ihm sein wohlgewachsner
Körper eine Hofmeisterstelle in einem vorneh-
men Hause zuwege, wo man wohlgewachsne
Leute liebte. Von da ward er Prediger, in einer
Stadt, wo ihm seine ansehnliche Leibesgestalt, sein
ernsthafter wohlbedächtiger Gang, und seine ver-
nehmliche Stimme, unter seinen Kirchkindern nicht
wenig Liebe und Ehrfurcht erwarben. Jn kurzem
wußte er eine junge reiche Wittwe von ein und

zwan-



reſt deſſelben zehrte die Vormundſchaft uͤber ver-
ſchiedene arme Waiſen auf, die er freywillig uͤber-
nahm, ſo daß er bey ſeinem Tode gerade ſo viel hin-
terließ, daß er begraben werden konnte.

Er war Vater von drey Soͤhnen, Eraſmus,
Sebaldus und Elardus,
welche ſeine Frau, Hed-
wig,
die mehr ihrer Froͤmmigkeit, als ihres Ver-
ſtandes wegen bekannt war, ſchon in Mutterleibe
dem Prieſterſtande wiedmete.

Eraſmus, der aͤlteſte, war fuͤnf Fuß und zehen Zoll
hoch, breitſchulterig, wohlgewachſen, und weiß und
roth im Geſichte. Von ſeiner erſten Jugend an
liebte er ſeine eigene Perſon und hatte von ſeinen Ta-
lenten eine ſehr hohe Meinung. Nach geendeten
Univerſitaͤtsjahren, brachte ihm ſein wohlgewachſner
Koͤrper eine Hofmeiſterſtelle in einem vorneh-
men Hauſe zuwege, wo man wohlgewachſne
Leute liebte. Von da ward er Prediger, in einer
Stadt, wo ihm ſeine anſehnliche Leibesgeſtalt, ſein
ernſthafter wohlbedaͤchtiger Gang, und ſeine ver-
nehmliche Stimme, unter ſeinen Kirchkindern nicht
wenig Liebe und Ehrfurcht erwarben. Jn kurzem
wußte er eine junge reiche Wittwe von ein und

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[256/0270] reſt deſſelben zehrte die Vormundſchaft uͤber ver- ſchiedene arme Waiſen auf, die er freywillig uͤber- nahm, ſo daß er bey ſeinem Tode gerade ſo viel hin- terließ, daß er begraben werden konnte. Er war Vater von drey Soͤhnen, Eraſmus, Sebaldus und Elardus, welche ſeine Frau, Hed- wig, die mehr ihrer Froͤmmigkeit, als ihres Ver- ſtandes wegen bekannt war, ſchon in Mutterleibe dem Prieſterſtande wiedmete. Eraſmus, der aͤlteſte, war fuͤnf Fuß und zehen Zoll hoch, breitſchulterig, wohlgewachſen, und weiß und roth im Geſichte. Von ſeiner erſten Jugend an liebte er ſeine eigene Perſon und hatte von ſeinen Ta- lenten eine ſehr hohe Meinung. Nach geendeten Univerſitaͤtsjahren, brachte ihm ſein wohlgewachſner Koͤrper eine Hofmeiſterſtelle in einem vorneh- men Hauſe zuwege, wo man wohlgewachſne Leute liebte. Von da ward er Prediger, in einer Stadt, wo ihm ſeine anſehnliche Leibesgeſtalt, ſein ernſthafter wohlbedaͤchtiger Gang, und ſeine ver- nehmliche Stimme, unter ſeinen Kirchkindern nicht wenig Liebe und Ehrfurcht erwarben. Jn kurzem wußte er eine junge reiche Wittwe von ein und zwan-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/270>, abgerufen am 15.05.2024.