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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Schriftstellern, nannte beyde, Romulus und Romus, die
beyden jüngsten unter vier Söhnen des auf Pallene gestorb-
nen Aeneas. Fast alle Sagen, schon die ältesten, wie
bunt auch alle übrige Umstände wechseln, verbinden beide
Brüder mit einander: und daher kommt es daß Remus
der Latiner bey den Griechen, als sie schon längst ihre rö-
mische Geschichte nach einheimischen Nachrichten schrieben,
immer Romus genannt wird.

Von der zweyten Meinung, nach welcher Rom eine
griechische Stadt aus der Zeit der Heimfahrten von Ilion
war, habe ich schon angeführt daß Aristoteles sie er-
zählte. An einen andern griechischen Ursprung der Rö-
mer, an eine eigentliche Colonie der späteren im strengen
Sinn griechischen Völker, hat auch weder Heraklides der
Pontiker 81) am Anfang, noch König Demetrius der
Belagerer 82) um die Mitte des vierten Jahrhunderts
denken können: übrigens war es nach der Griechen Sin-
nesart ein kluges Mittel auf mächtige Barbaren denen sich
nicht befehlen ließ zu wirken, wenn man sie als griechisch
verwandte behandelte: das war die äußerste schmeichelnde
Höflichkeit. Die troische Sage ist hier ausgeschlossen: erst
in einer sehr jungen Zeit fing man an die uralten Troer zu
den Griechen zu rechnen: Skylax nennt die Elymer Sici-
liens, Troer und Barbaren 83). Aus jener Achäischen
Sage hat Kallias Roma und den Brand der Schiffe in die
troische gemischt: so wie die Fabel, nach welcher die Brü-

der
81) Bey Plutarch in Camillo, p. 140.
82) Strabo V. c. 3. §. 5.
83) Peripl. p. 4.

Schriftſtellern, nannte beyde, Romulus und Romus, die
beyden juͤngſten unter vier Soͤhnen des auf Pallene geſtorb-
nen Aeneas. Faſt alle Sagen, ſchon die aͤlteſten, wie
bunt auch alle uͤbrige Umſtaͤnde wechſeln, verbinden beide
Bruͤder mit einander: und daher kommt es daß Remus
der Latiner bey den Griechen, als ſie ſchon laͤngſt ihre roͤ-
miſche Geſchichte nach einheimiſchen Nachrichten ſchrieben,
immer Romus genannt wird.

Von der zweyten Meinung, nach welcher Rom eine
griechiſche Stadt aus der Zeit der Heimfahrten von Ilion
war, habe ich ſchon angefuͤhrt daß Ariſtoteles ſie er-
zaͤhlte. An einen andern griechiſchen Urſprung der Roͤ-
mer, an eine eigentliche Colonie der ſpaͤteren im ſtrengen
Sinn griechiſchen Voͤlker, hat auch weder Heraklides der
Pontiker 81) am Anfang, noch Koͤnig Demetrius der
Belagerer 82) um die Mitte des vierten Jahrhunderts
denken koͤnnen: uͤbrigens war es nach der Griechen Sin-
nesart ein kluges Mittel auf maͤchtige Barbaren denen ſich
nicht befehlen ließ zu wirken, wenn man ſie als griechiſch
verwandte behandelte: das war die aͤußerſte ſchmeichelnde
Hoͤflichkeit. Die troiſche Sage iſt hier ausgeſchloſſen: erſt
in einer ſehr jungen Zeit fing man an die uralten Troer zu
den Griechen zu rechnen: Skylax nennt die Elymer Sici-
liens, Troer und Barbaren 83). Aus jener Achaͤiſchen
Sage hat Kallias Roma und den Brand der Schiffe in die
troiſche gemiſcht: ſo wie die Fabel, nach welcher die Bruͤ-

der
81) Bey Plutarch in Camillo, p. 140.
82) Strabo V. c. 3. §. 5.
83) Peripl. p. 4.
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[144/0166] Schriftſtellern, nannte beyde, Romulus und Romus, die beyden juͤngſten unter vier Soͤhnen des auf Pallene geſtorb- nen Aeneas. Faſt alle Sagen, ſchon die aͤlteſten, wie bunt auch alle uͤbrige Umſtaͤnde wechſeln, verbinden beide Bruͤder mit einander: und daher kommt es daß Remus der Latiner bey den Griechen, als ſie ſchon laͤngſt ihre roͤ- miſche Geſchichte nach einheimiſchen Nachrichten ſchrieben, immer Romus genannt wird. Von der zweyten Meinung, nach welcher Rom eine griechiſche Stadt aus der Zeit der Heimfahrten von Ilion war, habe ich ſchon angefuͤhrt daß Ariſtoteles ſie er- zaͤhlte. An einen andern griechiſchen Urſprung der Roͤ- mer, an eine eigentliche Colonie der ſpaͤteren im ſtrengen Sinn griechiſchen Voͤlker, hat auch weder Heraklides der Pontiker 81) am Anfang, noch Koͤnig Demetrius der Belagerer 82) um die Mitte des vierten Jahrhunderts denken koͤnnen: uͤbrigens war es nach der Griechen Sin- nesart ein kluges Mittel auf maͤchtige Barbaren denen ſich nicht befehlen ließ zu wirken, wenn man ſie als griechiſch verwandte behandelte: das war die aͤußerſte ſchmeichelnde Hoͤflichkeit. Die troiſche Sage iſt hier ausgeſchloſſen: erſt in einer ſehr jungen Zeit fing man an die uralten Troer zu den Griechen zu rechnen: Skylax nennt die Elymer Sici- liens, Troer und Barbaren 83). Aus jener Achaͤiſchen Sage hat Kallias Roma und den Brand der Schiffe in die troiſche gemiſcht: ſo wie die Fabel, nach welcher die Bruͤ- der 81) Bey Plutarch in Camillo, p. 140. 82) Strabo V. c. 3. §. 5. 83) Peripl. p. 4.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/166>, abgerufen am 27.04.2024.