Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

ßen Antheil an der Römischen Größe beymessen. Durch
den ganzen Gang der Geschichte werden wir sehen wie
oft alle Tugenden des Staats und des Volks fruchtlos
gewesen wären, wenn nicht das Schicksal Rom in Gefah-
ren gerettet, und seine Triumphe vorbereitet hätte. Die
Völker und die Männer, denen Rom hätte unterliegen
können, erschienen zu spät: in den Perioden der Schwäche
hatte es nur ihm nicht überlegne Gegner zu bekämpfen;
und während Rom alles an alles setzte, und im Krieg
lebte, schonten alle Völker ihre Anstrengungen, weil sie
am Sieg verzweifelten oder im Grunde ihres Herzens
nur weichliche Muße liebten, was auch ihre misrathenen
Unternehmungen anzudeuten scheinen mochten. Keins
unter allen ging ihm mit ähnlichem Sinn und einem ähnli-
chen Ziel entgegen; und schon darum mußte Rom über
alles siegen. Philipps Ruhe am Anfang des hannibali-
schen Kriegs: Mithridates Unthätigkeit, so lange der
marsische Roms Daseyn bedrohte und ein kleines Ueber-
gewicht entschieden haben würde: darin verkenne keiner
Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angebohren un-
überwindlich war, ist erwiesen durch den Widerstand klei-
ner ächtkriegerischer Völker, die nur durch die Zahl
und Macht überwältigt wurden; so aber dienten auch
diese Kriege in den Zwischenräumen zwischen den größeren
und entscheidenderen der Ausartung der Disciplin und
Kriegskunst vorzubeugen, welche langer Friede auch bey
den Römischen Heeren leicht einführte.

Im Fortgang der Begebenheiten, da Roms Erobe-
rungen in einen Körper verwuchsen, verliert die Geschichte

ßen Antheil an der Roͤmiſchen Groͤße beymeſſen. Durch
den ganzen Gang der Geſchichte werden wir ſehen wie
oft alle Tugenden des Staats und des Volks fruchtlos
geweſen waͤren, wenn nicht das Schickſal Rom in Gefah-
ren gerettet, und ſeine Triumphe vorbereitet haͤtte. Die
Voͤlker und die Maͤnner, denen Rom haͤtte unterliegen
koͤnnen, erſchienen zu ſpaͤt: in den Perioden der Schwaͤche
hatte es nur ihm nicht uͤberlegne Gegner zu bekaͤmpfen;
und waͤhrend Rom alles an alles ſetzte, und im Krieg
lebte, ſchonten alle Voͤlker ihre Anſtrengungen, weil ſie
am Sieg verzweifelten oder im Grunde ihres Herzens
nur weichliche Muße liebten, was auch ihre misrathenen
Unternehmungen anzudeuten ſcheinen mochten. Keins
unter allen ging ihm mit aͤhnlichem Sinn und einem aͤhnli-
chen Ziel entgegen; und ſchon darum mußte Rom uͤber
alles ſiegen. Philipps Ruhe am Anfang des hannibali-
ſchen Kriegs: Mithridates Unthaͤtigkeit, ſo lange der
marſiſche Roms Daſeyn bedrohte und ein kleines Ueber-
gewicht entſchieden haben wuͤrde: darin verkenne keiner
Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angebohren un-
uͤberwindlich war, iſt erwieſen durch den Widerſtand klei-
ner aͤchtkriegeriſcher Voͤlker, die nur durch die Zahl
und Macht uͤberwaͤltigt wurden; ſo aber dienten auch
dieſe Kriege in den Zwiſchenraͤumen zwiſchen den groͤßeren
und entſcheidenderen der Ausartung der Disciplin und
Kriegskunſt vorzubeugen, welche langer Friede auch bey
den Roͤmiſchen Heeren leicht einfuͤhrte.

Im Fortgang der Begebenheiten, da Roms Erobe-
rungen in einen Koͤrper verwuchſen, verliert die Geſchichte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0036" n="14"/>
ßen Antheil an der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Gro&#x0364;ße beyme&#x017F;&#x017F;en. Durch<lb/>
den ganzen Gang der Ge&#x017F;chichte werden wir &#x017F;ehen wie<lb/>
oft alle Tugenden des Staats und des Volks fruchtlos<lb/>
gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren, wenn nicht das Schick&#x017F;al Rom in Gefah-<lb/>
ren gerettet, und &#x017F;eine Triumphe vorbereitet ha&#x0364;tte. Die<lb/>
Vo&#x0364;lker und die Ma&#x0364;nner, denen Rom ha&#x0364;tte unterliegen<lb/>
ko&#x0364;nnen, er&#x017F;chienen zu &#x017F;pa&#x0364;t: in den Perioden der Schwa&#x0364;che<lb/>
hatte es nur ihm nicht u&#x0364;berlegne Gegner zu beka&#x0364;mpfen;<lb/>
und wa&#x0364;hrend Rom alles an alles &#x017F;etzte, und im Krieg<lb/>
lebte, &#x017F;chonten alle Vo&#x0364;lker ihre An&#x017F;trengungen, weil &#x017F;ie<lb/>
am Sieg verzweifelten oder im Grunde ihres Herzens<lb/>
nur weichliche Muße liebten, was auch ihre misrathenen<lb/>
Unternehmungen anzudeuten &#x017F;cheinen mochten. Keins<lb/>
unter allen ging ihm mit a&#x0364;hnlichem Sinn und einem a&#x0364;hnli-<lb/>
chen Ziel entgegen; und &#x017F;chon darum mußte Rom u&#x0364;ber<lb/>
alles &#x017F;iegen. Philipps Ruhe am Anfang des hannibali-<lb/>
&#x017F;chen Kriegs: Mithridates Untha&#x0364;tigkeit, &#x017F;o lange der<lb/>
mar&#x017F;i&#x017F;che Roms Da&#x017F;eyn bedrohte und ein kleines Ueber-<lb/>
gewicht ent&#x017F;chieden haben wu&#x0364;rde: darin verkenne keiner<lb/>
Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angebohren un-<lb/>
u&#x0364;berwindlich war, i&#x017F;t erwie&#x017F;en durch den Wider&#x017F;tand klei-<lb/>
ner a&#x0364;chtkriegeri&#x017F;cher Vo&#x0364;lker, die nur durch die Zahl<lb/>
und Macht u&#x0364;berwa&#x0364;ltigt wurden; &#x017F;o aber dienten auch<lb/>
die&#x017F;e Kriege in den Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen zwi&#x017F;chen den gro&#x0364;ßeren<lb/>
und ent&#x017F;cheidenderen der Ausartung der Disciplin und<lb/>
Kriegskun&#x017F;t vorzubeugen, welche langer Friede auch bey<lb/>
den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Heeren leicht einfu&#x0364;hrte.</p><lb/>
      <p>Im Fortgang der Begebenheiten, da Roms Erobe-<lb/>
rungen in einen Ko&#x0364;rper verwuch&#x017F;en, verliert die Ge&#x017F;chichte<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0036] ßen Antheil an der Roͤmiſchen Groͤße beymeſſen. Durch den ganzen Gang der Geſchichte werden wir ſehen wie oft alle Tugenden des Staats und des Volks fruchtlos geweſen waͤren, wenn nicht das Schickſal Rom in Gefah- ren gerettet, und ſeine Triumphe vorbereitet haͤtte. Die Voͤlker und die Maͤnner, denen Rom haͤtte unterliegen koͤnnen, erſchienen zu ſpaͤt: in den Perioden der Schwaͤche hatte es nur ihm nicht uͤberlegne Gegner zu bekaͤmpfen; und waͤhrend Rom alles an alles ſetzte, und im Krieg lebte, ſchonten alle Voͤlker ihre Anſtrengungen, weil ſie am Sieg verzweifelten oder im Grunde ihres Herzens nur weichliche Muße liebten, was auch ihre misrathenen Unternehmungen anzudeuten ſcheinen mochten. Keins unter allen ging ihm mit aͤhnlichem Sinn und einem aͤhnli- chen Ziel entgegen; und ſchon darum mußte Rom uͤber alles ſiegen. Philipps Ruhe am Anfang des hannibali- ſchen Kriegs: Mithridates Unthaͤtigkeit, ſo lange der marſiſche Roms Daſeyn bedrohte und ein kleines Ueber- gewicht entſchieden haben wuͤrde: darin verkenne keiner Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angebohren un- uͤberwindlich war, iſt erwieſen durch den Widerſtand klei- ner aͤchtkriegeriſcher Voͤlker, die nur durch die Zahl und Macht uͤberwaͤltigt wurden; ſo aber dienten auch dieſe Kriege in den Zwiſchenraͤumen zwiſchen den groͤßeren und entſcheidenderen der Ausartung der Disciplin und Kriegskunſt vorzubeugen, welche langer Friede auch bey den Roͤmiſchen Heeren leicht einfuͤhrte. Im Fortgang der Begebenheiten, da Roms Erobe- rungen in einen Koͤrper verwuchſen, verliert die Geſchichte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/36
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/36>, abgerufen am 27.04.2024.