Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

von Fremden ausgeübt wurden welche das Bedürfniß
des Gelderwerbs auch zu einem verachteten Geschäft
nöthigte. Hier nun werden wir unverkennbar an die
griechische Clientel erinnert: nicht an den Stand der
thetes oder pelatai von denen Dionysius träumt, und
deren gebeugtes knechtisches Loos gar keine Analogie mit
dem wohlthätigen Schutzverhältniß der römischen Clienten
hat, sondern an die Beysassen, die metoikoi, jene Frem-
de, die in griechischen Städten ansässig, und unter der
Aufsicht eines Vorstehers (prosates) gegen Erlegung
eines Schutzgelds an den Staat, zu bürgerlichen Ge-
werben befugt, und Recht zu fordern berechtigt, wie
verpflichtet waren zu Recht zu stehen, aber in dem Ver-
hältniß eines Unmündigen, indem ihr Vorsteher wie der
Vormund des Pupillen jede Klage anbringen und an-
nehmen mußte. Dies war nicht bloß attisches, sondern
allgemeines griechisches Recht. Das Verhältniß eines
solchen griechischen Beysassen mußte bey römischen Ge-
müthern die festen Bande römischer Clientel schlingen:
der Grundzug, die Vertretung des Clienten, ist in dem
römischen Rechtsbegriff ausdrücklich bestimmt; es ist
klar wie daraus alles übrige hervorgeht 52). Der

52) Auf den fremden Ursprung, wenigstens der größten Zahl
der Clienten, deutet die Gleichheit des Gewissensrechts für
die Gastfreunde und die Clienten. Gellius V. c. 13. Auch
sagten die Tribunen dem Volk als Appius Herdonius das Ca-
pitol besetzt hatte: sie sollten ruhig seyn, es wären nur Gast-
freunde und Clienten der Patricier, welche schon wieder ab-
ziehen würden. III. c. 16. Eine Stelle, die zu denen ge-
hört welche den Unterschied zwischen den Plebejern und den
Clienten sehr scharf heraushebt.

von Fremden ausgeuͤbt wurden welche das Beduͤrfniß
des Gelderwerbs auch zu einem verachteten Geſchaͤft
noͤthigte. Hier nun werden wir unverkennbar an die
griechiſche Clientel erinnert: nicht an den Stand der
ϑῆτες oder πελάται von denen Dionyſius traͤumt, und
deren gebeugtes knechtiſches Loos gar keine Analogie mit
dem wohlthaͤtigen Schutzverhaͤltniß der roͤmiſchen Clienten
hat, ſondern an die Beyſaſſen, die μέτοικοι, jene Frem-
de, die in griechiſchen Staͤdten anſaͤſſig, und unter der
Aufſicht eines Vorſtehers (πϱοςάτης) gegen Erlegung
eines Schutzgelds an den Staat, zu buͤrgerlichen Ge-
werben befugt, und Recht zu fordern berechtigt, wie
verpflichtet waren zu Recht zu ſtehen, aber in dem Ver-
haͤltniß eines Unmuͤndigen, indem ihr Vorſteher wie der
Vormund des Pupillen jede Klage anbringen und an-
nehmen mußte. Dies war nicht bloß attiſches, ſondern
allgemeines griechiſches Recht. Das Verhaͤltniß eines
ſolchen griechiſchen Beyſaſſen mußte bey roͤmiſchen Ge-
muͤthern die feſten Bande roͤmiſcher Clientel ſchlingen:
der Grundzug, die Vertretung des Clienten, iſt in dem
roͤmiſchen Rechtsbegriff ausdruͤcklich beſtimmt; es iſt
klar wie daraus alles uͤbrige hervorgeht 52). Der

52) Auf den fremden Urſprung, wenigſtens der groͤßten Zahl
der Clienten, deutet die Gleichheit des Gewiſſensrechts fuͤr
die Gaſtfreunde und die Clienten. Gellius V. c. 13. Auch
ſagten die Tribunen dem Volk als Appius Herdonius das Ca-
pitol beſetzt hatte: ſie ſollten ruhig ſeyn, es waͤren nur Gaſt-
freunde und Clienten der Patricier, welche ſchon wieder ab-
ziehen wuͤrden. III. c. 16. Eine Stelle, die zu denen ge-
hoͤrt welche den Unterſchied zwiſchen den Plebejern und den
Clienten ſehr ſcharf heraushebt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0412" n="390"/>
von Fremden ausgeu&#x0364;bt wurden welche das Bedu&#x0364;rfniß<lb/>
des Gelderwerbs auch zu einem verachteten Ge&#x017F;cha&#x0364;ft<lb/>
no&#x0364;thigte. Hier nun werden wir unverkennbar an die<lb/>
griechi&#x017F;che Clientel erinnert: nicht an den Stand der<lb/>
&#x03D1;&#x1FC6;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2; oder &#x03C0;&#x03B5;&#x03BB;&#x03AC;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; von denen Diony&#x017F;ius tra&#x0364;umt, und<lb/>
deren gebeugtes knechti&#x017F;ches Loos gar keine Analogie mit<lb/>
dem wohltha&#x0364;tigen Schutzverha&#x0364;ltniß der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Clienten<lb/>
hat, &#x017F;ondern an die Bey&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en, die &#x03BC;&#x03AD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x03B9;, jene Frem-<lb/>
de, die in griechi&#x017F;chen Sta&#x0364;dten an&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, und unter der<lb/>
Auf&#x017F;icht eines Vor&#x017F;tehers (&#x03C0;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C2;&#x03AC;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2;) gegen Erlegung<lb/>
eines Schutzgelds an den Staat, zu bu&#x0364;rgerlichen Ge-<lb/>
werben befugt, und Recht zu fordern berechtigt, wie<lb/>
verpflichtet waren zu Recht zu &#x017F;tehen, aber in dem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß eines Unmu&#x0364;ndigen, indem ihr Vor&#x017F;teher wie der<lb/>
Vormund des Pupillen jede Klage anbringen und an-<lb/>
nehmen mußte. Dies war nicht bloß atti&#x017F;ches, &#x017F;ondern<lb/>
allgemeines griechi&#x017F;ches Recht. Das Verha&#x0364;ltniß eines<lb/>
&#x017F;olchen griechi&#x017F;chen Bey&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en mußte bey ro&#x0364;mi&#x017F;chen Ge-<lb/>
mu&#x0364;thern die fe&#x017F;ten Bande ro&#x0364;mi&#x017F;cher Clientel &#x017F;chlingen:<lb/>
der Grundzug, die Vertretung des Clienten, i&#x017F;t in dem<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechtsbegriff ausdru&#x0364;cklich be&#x017F;timmt; es i&#x017F;t<lb/>
klar wie daraus alles u&#x0364;brige hervorgeht <note place="foot" n="52)">Auf den fremden Ur&#x017F;prung, wenig&#x017F;tens der gro&#x0364;ßten Zahl<lb/>
der Clienten, deutet die Gleichheit des Gewi&#x017F;&#x017F;ensrechts fu&#x0364;r<lb/>
die Ga&#x017F;tfreunde und die Clienten. Gellius <hi rendition="#aq">V. c.</hi> 13. Auch<lb/>
&#x017F;agten die Tribunen dem Volk als Appius Herdonius das Ca-<lb/>
pitol be&#x017F;etzt hatte: &#x017F;ie &#x017F;ollten ruhig &#x017F;eyn, es wa&#x0364;ren nur Ga&#x017F;t-<lb/>
freunde und Clienten der Patricier, welche &#x017F;chon wieder ab-<lb/>
ziehen wu&#x0364;rden. <hi rendition="#aq">III. c.</hi> 16. Eine Stelle, die zu denen ge-<lb/>
ho&#x0364;rt welche den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen den Plebejern und den<lb/>
Clienten &#x017F;ehr &#x017F;charf heraushebt.</note>. Der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0412] von Fremden ausgeuͤbt wurden welche das Beduͤrfniß des Gelderwerbs auch zu einem verachteten Geſchaͤft noͤthigte. Hier nun werden wir unverkennbar an die griechiſche Clientel erinnert: nicht an den Stand der ϑῆτες oder πελάται von denen Dionyſius traͤumt, und deren gebeugtes knechtiſches Loos gar keine Analogie mit dem wohlthaͤtigen Schutzverhaͤltniß der roͤmiſchen Clienten hat, ſondern an die Beyſaſſen, die μέτοικοι, jene Frem- de, die in griechiſchen Staͤdten anſaͤſſig, und unter der Aufſicht eines Vorſtehers (πϱοςάτης) gegen Erlegung eines Schutzgelds an den Staat, zu buͤrgerlichen Ge- werben befugt, und Recht zu fordern berechtigt, wie verpflichtet waren zu Recht zu ſtehen, aber in dem Ver- haͤltniß eines Unmuͤndigen, indem ihr Vorſteher wie der Vormund des Pupillen jede Klage anbringen und an- nehmen mußte. Dies war nicht bloß attiſches, ſondern allgemeines griechiſches Recht. Das Verhaͤltniß eines ſolchen griechiſchen Beyſaſſen mußte bey roͤmiſchen Ge- muͤthern die feſten Bande roͤmiſcher Clientel ſchlingen: der Grundzug, die Vertretung des Clienten, iſt in dem roͤmiſchen Rechtsbegriff ausdruͤcklich beſtimmt; es iſt klar wie daraus alles uͤbrige hervorgeht 52). Der 52) Auf den fremden Urſprung, wenigſtens der groͤßten Zahl der Clienten, deutet die Gleichheit des Gewiſſensrechts fuͤr die Gaſtfreunde und die Clienten. Gellius V. c. 13. Auch ſagten die Tribunen dem Volk als Appius Herdonius das Ca- pitol beſetzt hatte: ſie ſollten ruhig ſeyn, es waͤren nur Gaſt- freunde und Clienten der Patricier, welche ſchon wieder ab- ziehen wuͤrden. III. c. 16. Eine Stelle, die zu denen ge- hoͤrt welche den Unterſchied zwiſchen den Plebejern und den Clienten ſehr ſcharf heraushebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/412
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/412>, abgerufen am 20.04.2024.