Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

der Deutschen: so ist eine Grundverwandtschaft zwischen
der lateinischen und griechischen Sprache anerkannt, die
weit mehr als eine bloße Einmischung ist welche nur
Worte giebt und verändert; dennoch aber, auch für den
Grundtheil der ersten in dem einst die Verwandt-
schaft rein bestand ehe Vermischung mit ganz fremden
Völkern sie völlig umbildete, eine eben so entschiedene
Grundverschiedenheit übrig läßt. Aber dies ist nicht auf-
fallender als die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten,
nach denen in der Natur überhaupt Arten, und vieles was
Spielart scheint, unveränderlich für sich bestehen, und zu
einer Gattung gehören.

Griechen können wir daher die Oenotrer nicht mit
Dionysius nennen: in sehr alten Zeiten war der Pelopon-
nesus selbst noch nicht griechisch: aber ich halte es auch
für eine so wahrscheinliche Muthmaßung, wie über die-
ses Alterthum gebildet werden kann, daß sie und die
Peuketier dem griechischen Stamme geschwisterlich ver-
wandt waren 41).

Die Oenotrer, welche mit diesem Nahmen wohl nur
von den Griechen genannt wurden, wohnten nach der

41) Woher nannten die Römer (gewiß auch die andern Ita-
lier) die Hellenen Graeci? So hießen die Hellenen, als sie
auf dem höchsten Gebirge von Epirus wohnten, sagt Aristo-
teles; nämlich, so wurden sie von den Epiroten genannt.
Alexander der Aetoler gebraucht diese Benennung in einem
Zeitalter, wo jede seltne als Pracht der Rede hervorgesucht
ward: doch war sie nicht vielleicht bey seiner fast ganz epi-
rotischen Nation gebräuchlich? Nicht auch bey den Macedo-
niern, da sie von den Alexandrinern angenommen ward?

der Deutſchen: ſo iſt eine Grundverwandtſchaft zwiſchen
der lateiniſchen und griechiſchen Sprache anerkannt, die
weit mehr als eine bloße Einmiſchung iſt welche nur
Worte giebt und veraͤndert; dennoch aber, auch fuͤr den
Grundtheil der erſten in dem einſt die Verwandt-
ſchaft rein beſtand ehe Vermiſchung mit ganz fremden
Voͤlkern ſie voͤllig umbildete, eine eben ſo entſchiedene
Grundverſchiedenheit uͤbrig laͤßt. Aber dies iſt nicht auf-
fallender als die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten,
nach denen in der Natur uͤberhaupt Arten, und vieles was
Spielart ſcheint, unveraͤnderlich fuͤr ſich beſtehen, und zu
einer Gattung gehoͤren.

Griechen koͤnnen wir daher die Oenotrer nicht mit
Dionyſius nennen: in ſehr alten Zeiten war der Pelopon-
neſus ſelbſt noch nicht griechiſch: aber ich halte es auch
fuͤr eine ſo wahrſcheinliche Muthmaßung, wie uͤber die-
ſes Alterthum gebildet werden kann, daß ſie und die
Peuketier dem griechiſchen Stamme geſchwiſterlich ver-
wandt waren 41).

Die Oenotrer, welche mit dieſem Nahmen wohl nur
von den Griechen genannt wurden, wohnten nach der

41) Woher nannten die Roͤmer (gewiß auch die andern Ita-
lier) die Hellenen Graeci? So hießen die Hellenen, als ſie
auf dem hoͤchſten Gebirge von Epirus wohnten, ſagt Ariſto-
teles; naͤmlich, ſo wurden ſie von den Epiroten genannt.
Alexander der Aetoler gebraucht dieſe Benennung in einem
Zeitalter, wo jede ſeltne als Pracht der Rede hervorgeſucht
ward: doch war ſie nicht vielleicht bey ſeiner faſt ganz epi-
rotiſchen Nation gebraͤuchlich? Nicht auch bey den Macedo-
niern, da ſie von den Alexandrinern angenommen ward?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="39"/>
der Deut&#x017F;chen: &#x017F;o i&#x017F;t eine Grundverwandt&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen<lb/>
der lateini&#x017F;chen und griechi&#x017F;chen Sprache anerkannt, die<lb/>
weit mehr als eine bloße Einmi&#x017F;chung i&#x017F;t welche nur<lb/>
Worte giebt und vera&#x0364;ndert; dennoch aber, auch fu&#x0364;r den<lb/>
Grundtheil der er&#x017F;ten in dem ein&#x017F;t die Verwandt-<lb/>
&#x017F;chaft rein be&#x017F;tand ehe Vermi&#x017F;chung mit ganz fremden<lb/>
Vo&#x0364;lkern &#x017F;ie vo&#x0364;llig umbildete, eine eben &#x017F;o ent&#x017F;chiedene<lb/>
Grundver&#x017F;chiedenheit u&#x0364;brig la&#x0364;ßt. Aber dies i&#x017F;t nicht auf-<lb/>
fallender als die Aehnlichkeiten und Ver&#x017F;chiedenheiten,<lb/>
nach denen in der Natur u&#x0364;berhaupt Arten, und vieles was<lb/>
Spielart &#x017F;cheint, unvera&#x0364;nderlich fu&#x0364;r &#x017F;ich be&#x017F;tehen, und zu<lb/>
einer Gattung geho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Griechen ko&#x0364;nnen wir daher die Oenotrer nicht mit<lb/>
Diony&#x017F;ius nennen: in &#x017F;ehr alten Zeiten war der Pelopon-<lb/>
ne&#x017F;us &#x017F;elb&#x017F;t noch nicht griechi&#x017F;ch: aber ich halte es auch<lb/>
fu&#x0364;r eine &#x017F;o wahr&#x017F;cheinliche Muthmaßung, wie u&#x0364;ber die-<lb/>
&#x017F;es Alterthum gebildet werden kann, daß &#x017F;ie und die<lb/>
Peuketier dem griechi&#x017F;chen Stamme ge&#x017F;chwi&#x017F;terlich ver-<lb/>
wandt waren <note place="foot" n="41)">Woher nannten die Ro&#x0364;mer (gewiß auch die andern Ita-<lb/>
lier) die Hellenen <hi rendition="#aq">Graeci</hi>? So hießen die Hellenen, als &#x017F;ie<lb/>
auf dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gebirge von Epirus wohnten, &#x017F;agt Ari&#x017F;to-<lb/>
teles; na&#x0364;mlich, &#x017F;o wurden &#x017F;ie von den Epiroten genannt.<lb/>
Alexander der Aetoler gebraucht die&#x017F;e Benennung in einem<lb/>
Zeitalter, wo jede &#x017F;eltne als Pracht der Rede hervorge&#x017F;ucht<lb/>
ward: doch war &#x017F;ie nicht vielleicht bey &#x017F;einer fa&#x017F;t ganz epi-<lb/>
roti&#x017F;chen Nation gebra&#x0364;uchlich? Nicht auch bey den Macedo-<lb/>
niern, da &#x017F;ie von den Alexandrinern angenommen ward?</note>.</p><lb/>
          <p>Die Oenotrer, welche mit die&#x017F;em Nahmen wohl nur<lb/>
von den Griechen genannt wurden, wohnten nach der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0061] der Deutſchen: ſo iſt eine Grundverwandtſchaft zwiſchen der lateiniſchen und griechiſchen Sprache anerkannt, die weit mehr als eine bloße Einmiſchung iſt welche nur Worte giebt und veraͤndert; dennoch aber, auch fuͤr den Grundtheil der erſten in dem einſt die Verwandt- ſchaft rein beſtand ehe Vermiſchung mit ganz fremden Voͤlkern ſie voͤllig umbildete, eine eben ſo entſchiedene Grundverſchiedenheit uͤbrig laͤßt. Aber dies iſt nicht auf- fallender als die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten, nach denen in der Natur uͤberhaupt Arten, und vieles was Spielart ſcheint, unveraͤnderlich fuͤr ſich beſtehen, und zu einer Gattung gehoͤren. Griechen koͤnnen wir daher die Oenotrer nicht mit Dionyſius nennen: in ſehr alten Zeiten war der Pelopon- neſus ſelbſt noch nicht griechiſch: aber ich halte es auch fuͤr eine ſo wahrſcheinliche Muthmaßung, wie uͤber die- ſes Alterthum gebildet werden kann, daß ſie und die Peuketier dem griechiſchen Stamme geſchwiſterlich ver- wandt waren 41). Die Oenotrer, welche mit dieſem Nahmen wohl nur von den Griechen genannt wurden, wohnten nach der 41) Woher nannten die Roͤmer (gewiß auch die andern Ita- lier) die Hellenen Graeci? So hießen die Hellenen, als ſie auf dem hoͤchſten Gebirge von Epirus wohnten, ſagt Ariſto- teles; naͤmlich, ſo wurden ſie von den Epiroten genannt. Alexander der Aetoler gebraucht dieſe Benennung in einem Zeitalter, wo jede ſeltne als Pracht der Rede hervorgeſucht ward: doch war ſie nicht vielleicht bey ſeiner faſt ganz epi- rotiſchen Nation gebraͤuchlich? Nicht auch bey den Macedo- niern, da ſie von den Alexandrinern angenommen ward?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/61
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/61>, abgerufen am 09.05.2024.