Nietzsche, Friedrich: Idyllen aus Messina. In: Internationale Monatsschrift, Bd. 1,5. Chemnitz, 1882, S. 269-275.In den Grund und brach ein Rippchen, Engelchen: so nennt man mich -- Meine Seele, wie ein Kätzchen, That eins, zwei, drei, vier, fünf Sätzchen, Schwang dann in dies Schiffchen sich -- Ja, sie hat geschwinde Tätzchen. Engelchen: so nennt man mich -- Jetzt ein Schiff, dereinst ein Mädchen, Ach, noch immer sehr ein Mädchen! Denn es dreht um Liebe sich Stäts mein feines Steuerrädchen. Lied des Ziegenhirten. (An meinen Nachbar Theokrit von Syrakusa.) Da lieg ich, krank im Gedärm -- Mich fressen die Wanzen. Und drüben noch Licht und Lärm: Ich hör's, sie tanzen. Sie wollte um diese Stund' Zu mir sich schleichen: Ich warte wie ein Hund -- Es kommt kein Zeichen! Das Kreuz, als sie's versprach! Wie konnte sie lügen? Oder läuft sie Jedem nach, Wie meine Ziegen? Woher ihr seidner Rock? --
Ah, meine Stolze? Es wohnt noch mancher Bock An diesem Holze? In den Grund und brach ein Rippchen, Engelchen: so nennt man mich — Meine Seele, wie ein Kätzchen, That eins, zwei, drei, vier, fünf Sätzchen, Schwang dann in dies Schiffchen sich — Ja, sie hat geschwinde Tätzchen. Engelchen: so nennt man mich — Jetzt ein Schiff, dereinst ein Mädchen, Ach, noch immer sehr ein Mädchen! Denn es dreht um Liebe sich Stäts mein feines Steuerrädchen. Lied des Ziegenhirten. (An meinen Nachbar Theokrit von Syrakusa.) Da lieg ich, krank im Gedärm — Mich fressen die Wanzen. Und drüben noch Licht und Lärm: Ich hör’s, sie tanzen. Sie wollte um diese Stund’ Zu mir sich schleichen: Ich warte wie ein Hund — Es kommt kein Zeichen! Das Kreuz, als sie’s versprach! Wie konnte sie lügen? Oder läuft sie Jedem nach, Wie meine Ziegen? Woher ihr seidner Rock? —
Ah, meine Stolze? Es wohnt noch mancher Bock An diesem Holze? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="6"> <pb facs="#f0003" n="271"/> <l>In den Grund und brach ein Rippchen,<lb/></l> <l> Dass die liebe Seele wich:<lb/></l> <l> Ja, sie wich durch dieses Rippchen!<lb/></l> </lg> <lg n="7"> <l> Engelchen: so nennt man mich —<lb/></l> <l> Meine Seele, wie ein Kätzchen,<lb/></l> <l> That eins, zwei, drei, vier, fünf Sätzchen,<lb/></l> <l> Schwang dann in dies Schiffchen sich —<lb/></l> <l> Ja, sie hat geschwinde Tätzchen.<lb/></l> </lg> <lg n="8"> <l> Engelchen: so nennt man mich —<lb/></l> <l> Jetzt ein Schiff, dereinst ein Mädchen,<lb/></l> <l> Ach, noch immer sehr ein Mädchen!<lb/></l> <l> Denn es dreht um Liebe sich<lb/></l> <l> Stäts mein feines Steuerrädchen.<lb/></l> </lg> </lg> <lg type="poem"> <head>Lied des Ziegenhirten.<lb/> (An meinen Nachbar Theokrit von Syrakusa.)<lb/></head> <lg n="1"> <l> Da lieg ich, krank im Gedärm —<lb/></l> <l> Mich fressen die Wanzen.<lb/></l> <l> Und drüben noch Licht und Lärm:<lb/></l> <l> Ich hör’s, sie tanzen.<lb/></l> <l><lb/> </l> </lg> <lg n="2"> <l>Sie wollte um diese Stund’<lb/></l> <l> Zu mir sich schleichen:<lb/></l> <l> Ich warte wie ein Hund —<lb/></l> <l> Es kommt kein Zeichen!<lb/></l> <l><lb/> </l> </lg> <lg n="3"> <l>Das Kreuz, als sie’s versprach!<lb/></l> <l> Wie konnte sie lügen?<lb/></l> <l> Oder läuft sie Jedem nach,<lb/></l> <l> Wie meine Ziegen?<lb/></l> </lg> <lg n="4"> <l>Woher ihr seidner Rock? —<lb/></l> <l> Ah, meine Stolze?<lb/></l> <l> Es wohnt noch mancher Bock<lb/></l> <l> An diesem Holze?<lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [271/0003]
In den Grund und brach ein Rippchen,
Dass die liebe Seele wich:
Ja, sie wich durch dieses Rippchen!
Engelchen: so nennt man mich —
Meine Seele, wie ein Kätzchen,
That eins, zwei, drei, vier, fünf Sätzchen,
Schwang dann in dies Schiffchen sich —
Ja, sie hat geschwinde Tätzchen.
Engelchen: so nennt man mich —
Jetzt ein Schiff, dereinst ein Mädchen,
Ach, noch immer sehr ein Mädchen!
Denn es dreht um Liebe sich
Stäts mein feines Steuerrädchen.
Lied des Ziegenhirten.
(An meinen Nachbar Theokrit von Syrakusa.)
Da lieg ich, krank im Gedärm —
Mich fressen die Wanzen.
Und drüben noch Licht und Lärm:
Ich hör’s, sie tanzen.
Sie wollte um diese Stund’
Zu mir sich schleichen:
Ich warte wie ein Hund —
Es kommt kein Zeichen!
Das Kreuz, als sie’s versprach!
Wie konnte sie lügen?
Oder läuft sie Jedem nach,
Wie meine Ziegen?
Woher ihr seidner Rock? —
Ah, meine Stolze?
Es wohnt noch mancher Bock
An diesem Holze?
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Idyllen aus Messina. In: Internationale Monatsschrift, Bd. 1,5. Chemnitz, 1882, S. 269-275, hier S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_messina_1882/3>, abgerufen am 27.07.2024. |