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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846.

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[Spaltenumbruch] Fluß in Verbindung gesetzt, so kann man das in diesen Thälern
erzeugte Getreide und das Kupfer und Blei direct nach Europa
verschiffen. New = York hat eine directe Eisenbahn nach dem Erie-
See gebaut. Boston lieh der Eisenbahngesellschaft, welche die
Verbindung zwischen Cincinnati und dem Erie = See herstellen will,
eine halbe Million Dollars. Die Länge dieser Bahn wird 223
engl. Meilen betragen, wovon 56 bereits vollendet sind. Die
Entfernung von Sandusky nach Buffalo beträgt nur 260 engl.
Meilen, und die Capitale ziehen sich nach dieser Richtung hin.
Man darf annehmen, daß in nicht gar zu ferner Zeit Chicago
und Boston durch eine Eisenbahn mit einander verbunden sein
werden. Die Staaten Ohio, Jndiana, Michigan und Jllinois
werden bald eine compacte Bevölkerung haben. Die bisher un-
bebaut und wüste daliegenden Ländereien Wisconsins werden
eine Masse von Erzeugnissen liefern, die entweder den Mississippi
hinab oder über die Seen nach dem Osten und Norden verschifft
werden. Wie lange aber wird es währen, ehe der Einwanderer
solche Verbindungen und Absatzwege in Texas erhält? Wir könn-
ten noch so mancherlei gegen Teras und für die freien westlichen
Staaten der Union anführen, um unser Abrathen, sich in Teras
niederzulassen, zu unterstützen, es würde uns aber bei unserem
jetzigen Zwecke zu weit führen, und wir kehren daher zu dem
Schriftchen zurück, aus ihm das zusammenstellend, was dem Aus-
wanderer vor, auf und nach der Reise zu wissen und getreulich
zu beachten nöthig ist.

"Jeder, nicht arbeitsscheue ( wir fügen noch hinzu: nüch-
terne
und ehrliche ) Mann, welcher Deutschland verläßt, weil
er nur mit großer Anstrengung seinen Unterhalt zu erwerben ver-
mag, ohne im Alter, oder im Fall einer langwierigen Krankheit
vor Noth gesichert zu sein, oder derjenige, welcher wohl für die
Dauer seines eigenen Lebens sein Auskommen in Deutschland
finden, in der Zukunft seiner Kinder aber nur Mangel erblicken
kann, wird, wenn er thätig ist, und nicht gleich vor den ersten
Hindernissen, die sich ihm entgegenstellen, den Muth sinken läßt,
in Amerika finden, was er in der Heimath vergebens zu erstre-
ben suchte; nur säume er mit der Uebersiedelung nicht, bis seine
Geldmittel mehr und mehr schwinden, oder bis seine Familie, und
mit ihr die Ausgabe für die Reise sich vermehrt."

"Wer seine Heimath, Verwandte und Freunde verlassen
will, ohne von der Nothwendigkeit dazu getrieben zu sein, der
prüfe sich zuvor reiflich, ob er auch den Kreis der Genossen seiner
Kindheit, die Freunde des Mannesalters und das gesellige Leben
Deutschlands überhaupt hinter sich lassen könne, ohne sich jenseits
des Meeres dahin zurückzusehnen. Nur da, wo in Amerika
eine größere Anzahl Deutscher schon längere Zeit beisammen
wohnt, nur da gibt es Wirthshäuser nach deutscher Art, nur
da ertönt an Sonn= und Festtagen die Geige zum Tanze; sonst
aber ist der deutsche Ansiedler auf dem Lande auf den Kreis seiner
Familie, auf den Umgang mit einigen seiner nächsten Nachbarn
beschränkt, die vielleicht nicht einmal Deutsche sind. Wem dieses
nicht zu seiner Erholung von der Arbeit genügt, der bleibe da-
heim und denke nicht mehr ans Auswandern." Diesem müssen
[Spaltenumbruch] wir noch einige Erläuterungen beifügen. Die Sonntagsfeier ist
in den Vereinigten Staaten sehr streng, und selbst da, wo eine
größere Anzahl Deutscher beisammen wohnt, wird ein Sonntags-
tanz den unter ihnen oder in ihrer Nähe wohnenden Amerikanern
sehr auffallen und Anstoß geben; also auch auf den Sonntags-
tanz muß der Einwanderer, wenn er gegen die Sitte und Ge-
setze des Landes nicht verstoßen will, Verzicht leisten. Jn den
größeren Städten werden von den Deutschen in der Woche Bälle
gegeben, auf denen es sehr vergnügt zugeht; doch dürfen keine
Jrländer und amerikanischen Wafers ( Tagediebe ) zugelassen wer-
den, sonst gibt's Scandal. Festtage hat man dort streng genom-
men nicht. Die presbyterianischen, methodistischen, baptistischen
Secten, welche die verbreitetsten sind, kennen keine Weihnachten,
keine Ostern, keine Pfingsten ec. Der größte Festtag ist der 4.
Juli, zur Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung. Wer
dorthin auswandert, muß sich darauf gefaßt machen, im Kreise
der Familie, wie ganz richtig bemerkt worden ist, seine Erholung
zu finden, denn nicht immer conveniren auch die deutschen Nach-
barn. Klätschereien sind nicht minder dort zu Hause, wie hier.

Von ganzem Herzen stimmen wir dem Folgenden bei:

"Zur Beförderung des geselligen Lebens, und um sich gegen-
seitig die Schwierigkeiten bei der ersten Ansiedelung erleichtern
zu helfen, ist es gut, wenn mehrere solche Familien, welche in
Amerika Ackerbau treiben wollen, sich zu gemeinschaftlicher Reise
und Niederlassung mit einander verbinden, doch stelle sich
jedes Mitglied einer solchen Gesellschaft zu dersel-
ben so, daß er dieselbe, wenn und wo er will, ohne
Opfer verlassen kann.
Wer dieses versäumt, wird leicht
bereuen, unserm Rathe nicht gefolgt zu sein. Es finden sich bei
der Ankunft im neuen Vaterlande, ja oft schon während der
Ueberfahrt dahin, namentlich aber bei Auswahl der Ländereien
so viele Gelegenheiten, bei denen sich die verschiedenen Ansichten
der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft geltend machen wollen,
daß die Verbindung sich häufig schon sehr bald wieder auflöset."

Besonders hüte sich der Auswanderer, schon in Deutschland
Land zu kaufen und, um sich dasselbe zu sichern, einen Theil
der Kaufsumme gleich baar zu erlegen.
Das gekaufte
Land, selbst wenn es vorhanden ist, entspricht sehr selten der Be-
schreibung, und der Käufer ist bitter getäuscht. Auf solche Men-
schen, die mit brillanten Plänen, mit gemalten Städten, Land-
straßen, Canälen und Eisenbahnen, die nur auf dem Papiere
stehen, herumreisen, große Versprechungen machen und so zur
Auswanderung reizen und die Leute betrügen, sollte man vor
Allem ein wachsames Auge haben.

Durch das Band der Religion zusammengehalten, eben da-
durch aber auch von aller Gemeinschaft mit der Nachbarschaft
getrennte Kolonieen gründen zu wollen, ist nach des geehrten Ver-
fassers richtiger Ansicht für Amerika die unglücklichste Jdee; sie
streitet gegen den demokratischen Geist der Amerikaner, solche Ko-
lonieen haben kein Gedeihen, wenigstens nicht auf die Dauer,
und haben sie es, nun, so wird es eben nur, wie Rapp und

[Spaltenumbruch] Fluß in Verbindung gesetzt, so kann man das in diesen Thälern
erzeugte Getreide und das Kupfer und Blei direct nach Europa
verschiffen. New = York hat eine directe Eisenbahn nach dem Erie-
See gebaut. Boston lieh der Eisenbahngesellschaft, welche die
Verbindung zwischen Cincinnati und dem Erie = See herstellen will,
eine halbe Million Dollars. Die Länge dieser Bahn wird 223
engl. Meilen betragen, wovon 56 bereits vollendet sind. Die
Entfernung von Sandusky nach Buffalo beträgt nur 260 engl.
Meilen, und die Capitale ziehen sich nach dieser Richtung hin.
Man darf annehmen, daß in nicht gar zu ferner Zeit Chicago
und Boston durch eine Eisenbahn mit einander verbunden sein
werden. Die Staaten Ohio, Jndiana, Michigan und Jllinois
werden bald eine compacte Bevölkerung haben. Die bisher un-
bebaut und wüste daliegenden Ländereien Wisconsins werden
eine Masse von Erzeugnissen liefern, die entweder den Mississippi
hinab oder über die Seen nach dem Osten und Norden verschifft
werden. Wie lange aber wird es währen, ehe der Einwanderer
solche Verbindungen und Absatzwege in Texas erhält? Wir könn-
ten noch so mancherlei gegen Teras und für die freien westlichen
Staaten der Union anführen, um unser Abrathen, sich in Teras
niederzulassen, zu unterstützen, es würde uns aber bei unserem
jetzigen Zwecke zu weit führen, und wir kehren daher zu dem
Schriftchen zurück, aus ihm das zusammenstellend, was dem Aus-
wanderer vor, auf und nach der Reise zu wissen und getreulich
zu beachten nöthig ist.

„Jeder, nicht arbeitsscheue ( wir fügen noch hinzu: nüch-
terne
und ehrliche ) Mann, welcher Deutschland verläßt, weil
er nur mit großer Anstrengung seinen Unterhalt zu erwerben ver-
mag, ohne im Alter, oder im Fall einer langwierigen Krankheit
vor Noth gesichert zu sein, oder derjenige, welcher wohl für die
Dauer seines eigenen Lebens sein Auskommen in Deutschland
finden, in der Zukunft seiner Kinder aber nur Mangel erblicken
kann, wird, wenn er thätig ist, und nicht gleich vor den ersten
Hindernissen, die sich ihm entgegenstellen, den Muth sinken läßt,
in Amerika finden, was er in der Heimath vergebens zu erstre-
ben suchte; nur säume er mit der Uebersiedelung nicht, bis seine
Geldmittel mehr und mehr schwinden, oder bis seine Familie, und
mit ihr die Ausgabe für die Reise sich vermehrt.“

„Wer seine Heimath, Verwandte und Freunde verlassen
will, ohne von der Nothwendigkeit dazu getrieben zu sein, der
prüfe sich zuvor reiflich, ob er auch den Kreis der Genossen seiner
Kindheit, die Freunde des Mannesalters und das gesellige Leben
Deutschlands überhaupt hinter sich lassen könne, ohne sich jenseits
des Meeres dahin zurückzusehnen. Nur da, wo in Amerika
eine größere Anzahl Deutscher schon längere Zeit beisammen
wohnt, nur da gibt es Wirthshäuser nach deutscher Art, nur
da ertönt an Sonn= und Festtagen die Geige zum Tanze; sonst
aber ist der deutsche Ansiedler auf dem Lande auf den Kreis seiner
Familie, auf den Umgang mit einigen seiner nächsten Nachbarn
beschränkt, die vielleicht nicht einmal Deutsche sind. Wem dieses
nicht zu seiner Erholung von der Arbeit genügt, der bleibe da-
heim und denke nicht mehr ans Auswandern.“ Diesem müssen
[Spaltenumbruch] wir noch einige Erläuterungen beifügen. Die Sonntagsfeier ist
in den Vereinigten Staaten sehr streng, und selbst da, wo eine
größere Anzahl Deutscher beisammen wohnt, wird ein Sonntags-
tanz den unter ihnen oder in ihrer Nähe wohnenden Amerikanern
sehr auffallen und Anstoß geben; also auch auf den Sonntags-
tanz muß der Einwanderer, wenn er gegen die Sitte und Ge-
setze des Landes nicht verstoßen will, Verzicht leisten. Jn den
größeren Städten werden von den Deutschen in der Woche Bälle
gegeben, auf denen es sehr vergnügt zugeht; doch dürfen keine
Jrländer und amerikanischen Wafers ( Tagediebe ) zugelassen wer-
den, sonst gibt's Scandal. Festtage hat man dort streng genom-
men nicht. Die presbyterianischen, methodistischen, baptistischen
Secten, welche die verbreitetsten sind, kennen keine Weihnachten,
keine Ostern, keine Pfingsten ec. Der größte Festtag ist der 4.
Juli, zur Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung. Wer
dorthin auswandert, muß sich darauf gefaßt machen, im Kreise
der Familie, wie ganz richtig bemerkt worden ist, seine Erholung
zu finden, denn nicht immer conveniren auch die deutschen Nach-
barn. Klätschereien sind nicht minder dort zu Hause, wie hier.

Von ganzem Herzen stimmen wir dem Folgenden bei:

„Zur Beförderung des geselligen Lebens, und um sich gegen-
seitig die Schwierigkeiten bei der ersten Ansiedelung erleichtern
zu helfen, ist es gut, wenn mehrere solche Familien, welche in
Amerika Ackerbau treiben wollen, sich zu gemeinschaftlicher Reise
und Niederlassung mit einander verbinden, doch stelle sich
jedes Mitglied einer solchen Gesellschaft zu dersel-
ben so, daß er dieselbe, wenn und wo er will, ohne
Opfer verlassen kann.
Wer dieses versäumt, wird leicht
bereuen, unserm Rathe nicht gefolgt zu sein. Es finden sich bei
der Ankunft im neuen Vaterlande, ja oft schon während der
Ueberfahrt dahin, namentlich aber bei Auswahl der Ländereien
so viele Gelegenheiten, bei denen sich die verschiedenen Ansichten
der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft geltend machen wollen,
daß die Verbindung sich häufig schon sehr bald wieder auflöset.“

Besonders hüte sich der Auswanderer, schon in Deutschland
Land zu kaufen und, um sich dasselbe zu sichern, einen Theil
der Kaufsumme gleich baar zu erlegen.
Das gekaufte
Land, selbst wenn es vorhanden ist, entspricht sehr selten der Be-
schreibung, und der Käufer ist bitter getäuscht. Auf solche Men-
schen, die mit brillanten Plänen, mit gemalten Städten, Land-
straßen, Canälen und Eisenbahnen, die nur auf dem Papiere
stehen, herumreisen, große Versprechungen machen und so zur
Auswanderung reizen und die Leute betrügen, sollte man vor
Allem ein wachsames Auge haben.

Durch das Band der Religion zusammengehalten, eben da-
durch aber auch von aller Gemeinschaft mit der Nachbarschaft
getrennte Kolonieen gründen zu wollen, ist nach des geehrten Ver-
fassers richtiger Ansicht für Amerika die unglücklichste Jdee; sie
streitet gegen den demokratischen Geist der Amerikaner, solche Ko-
lonieen haben kein Gedeihen, wenigstens nicht auf die Dauer,
und haben sie es, nun, so wird es eben nur, wie Rapp und

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Nur da, wo in Amerika eine größere Anzahl Deutscher schon längere Zeit beisammen wohnt, nur da gibt es Wirthshäuser nach deutscher Art, nur da ertönt an Sonn= und Festtagen die Geige zum Tanze; sonst aber ist der deutsche Ansiedler auf dem Lande auf den Kreis seiner Familie, auf den Umgang mit einigen seiner nächsten Nachbarn beschränkt, die vielleicht nicht einmal Deutsche sind. Wem dieses nicht zu seiner Erholung von der Arbeit genügt, der bleibe da- heim und denke nicht mehr ans Auswandern.“ Diesem müssen wir noch einige Erläuterungen beifügen. Die Sonntagsfeier ist in den Vereinigten Staaten sehr streng, und selbst da, wo eine größere Anzahl Deutscher beisammen wohnt, wird ein Sonntags- tanz den unter ihnen oder in ihrer Nähe wohnenden Amerikanern sehr auffallen und Anstoß geben; also auch auf den Sonntags- tanz muß der Einwanderer, wenn er gegen die Sitte und Ge- setze des Landes nicht verstoßen will, Verzicht leisten. Jn den größeren Städten werden von den Deutschen in der Woche Bälle gegeben, auf denen es sehr vergnügt zugeht; doch dürfen keine Jrländer und amerikanischen Wafers ( Tagediebe ) zugelassen wer- den, sonst gibt's Scandal. Festtage hat man dort streng genom- men nicht. Die presbyterianischen, methodistischen, baptistischen Secten, welche die verbreitetsten sind, kennen keine Weihnachten, keine Ostern, keine Pfingsten ec. Der größte Festtag ist der 4. Juli, zur Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung. Wer dorthin auswandert, muß sich darauf gefaßt machen, im Kreise der Familie, wie ganz richtig bemerkt worden ist, seine Erholung zu finden, denn nicht immer conveniren auch die deutschen Nach- barn. Klätschereien sind nicht minder dort zu Hause, wie hier. Von ganzem Herzen stimmen wir dem Folgenden bei: „Zur Beförderung des geselligen Lebens, und um sich gegen- seitig die Schwierigkeiten bei der ersten Ansiedelung erleichtern zu helfen, ist es gut, wenn mehrere solche Familien, welche in Amerika Ackerbau treiben wollen, sich zu gemeinschaftlicher Reise und Niederlassung mit einander verbinden, doch stelle sich jedes Mitglied einer solchen Gesellschaft zu dersel- ben so, daß er dieselbe, wenn und wo er will, ohne Opfer verlassen kann. Wer dieses versäumt, wird leicht bereuen, unserm Rathe nicht gefolgt zu sein. Es finden sich bei der Ankunft im neuen Vaterlande, ja oft schon während der Ueberfahrt dahin, namentlich aber bei Auswahl der Ländereien so viele Gelegenheiten, bei denen sich die verschiedenen Ansichten der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft geltend machen wollen, daß die Verbindung sich häufig schon sehr bald wieder auflöset.“ Besonders hüte sich der Auswanderer, schon in Deutschland Land zu kaufen und, um sich dasselbe zu sichern, einen Theil der Kaufsumme gleich baar zu erlegen. Das gekaufte Land, selbst wenn es vorhanden ist, entspricht sehr selten der Be- schreibung, und der Käufer ist bitter getäuscht. Auf solche Men- schen, die mit brillanten Plänen, mit gemalten Städten, Land- straßen, Canälen und Eisenbahnen, die nur auf dem Papiere stehen, herumreisen, große Versprechungen machen und so zur Auswanderung reizen und die Leute betrügen, sollte man vor Allem ein wachsames Auge haben. 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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer08_1846/2>, abgerufen am 29.04.2024.