Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

Bild:
<< vorherige Seite
Bingley.
Hierbey fält mir eine Begebenheit ein, welche sich zu der Zeit, da ich
auch einmahl hier war, zugetragen. Ein gewisser Graf, welcher mit ei-
ner vornehmen Dame in ziemlich genaue Bekandschafft gekommen seyn
mochte, oder es doch wenigstens wünschte, indem man ihn alle Tage zehn-
mahl durch die Strasse, wo seine Amasia wohnte, laufen sah, ergriff die
Gelegenheit des Jahrmarckts, unter der Masque mit ihr zu sprechen. Er
war seiner Meynung nach auch so glücklich, sie anzutreffen, und von ihr ein
paar silberne Hemde-Knöpffe zum Jahrmarckt zu erhalten. Die Liebe
spornte ihn an, sich recht bey ihr einzuschmeicheln, und kaufte ihr also im
Augenblick eine goldene Tabattiere, und überauskostbaren Fischbein-
Rock.
Sie machte ihm davor ein verpflichtetes Compliment, und er meyn-
te nun, er säß der Liebe völlig im Schoosse. Aber wie erschrack der arme
Graf nicht, da er kurtz darauf, in Compagnie kam, und ein ihm unbekand-
tes Frauenzimmer in dem geschenckten Reif-Rock erblickte. Er vermeynte
seinem Zweifel abzuhelfen, wenn er mit ihr sprechen könte, und hierzu fand
sich Gelegenheit. Doch sein Erstaunen war nicht geringe, da sie mit der
Tabattiere heraus gewischt kam, und ihm ein Schnüpfgen präsentirte.
Er sahe also, daß er sein Angebinde an einem unrechten Orte angebracht
hatte, und war doch noch so gescheut, daß ers sich nicht mercken ließ, aber
dennoch nicht verhindern konte, daß es nicht auf andre Art bekand worden
wär.

Hornbeck.
Dergleichen Streiche widerfahren noch mehrern, und mancher wird
durch die Sprache, so mit seiner Geliebten ihrer eine Gleichheit hat, dahin
verführet, daß er ihr so viel süsses vorschwatzt, welches hernach zu lauter
Raillerien Anlaß gibt. Jch könte noch weit mehrers von dem beliebten
Haag erzehlen, wenn ich nicht befürchten müste, eure Gedult, Mylord,
alzulange auf die Probe zustellen. Denn was ich anjetzo gesagt, ist nur das
vornehmste, und ich habe aus dem Uberfluß das merckwürdigste heraus ge-
nommen. Mylord Bingley war damit vollkommen zufrieden, und bezeugte
seine Erkentlichkeit durch eine weitläufftige Abstattung des verbundensten
Dancks. Nachdem er sich auch noch etwas aufgehalten, nahm er mit
seinem Freunde, Mylord Childron, von dem vortreflichen Hornbeck Ab-
schied, und begab sich nach seiner Wohnung. Sie brachten das übrige des
Tages zu, um dasjenige, wovon früh gesprochen worden war, in Augen-
schein zu nehmen, und nahmen sich darauf vor, den andern Morgen drauf
aufzubrechen, und die da herum liegende Schlösser, gleichfals zu beschauen.
Jhren
Bingley.
Hierbey faͤlt mir eine Begebenheit ein, welche ſich zu der Zeit, da ich
auch einmahl hier war, zugetragen. Ein gewiſſer Graf, welcher mit ei-
ner vornehmen Dame in ziemlich genaue Bekandſchafft gekommen ſeyn
mochte, oder es doch wenigſtens wuͤnſchte, indem man ihn alle Tage zehn-
mahl durch die Straſſe, wo ſeine Amaſia wohnte, laufen ſah, ergriff die
Gelegenheit des Jahrmarckts, unter der Maſque mit ihr zu ſprechen. Er
war ſeiner Meynung nach auch ſo gluͤcklich, ſie anzutreffen, und von ihr ein
paar ſilberne Hemde-Knoͤpffe zum Jahrmarckt zu erhalten. Die Liebe
ſpornte ihn an, ſich recht bey ihr einzuſchmeicheln, und kaufte ihr alſo im
Augenblick eine goldene Tabattiere, und uͤberauskoſtbaren Fiſchbein-
Rock.
Sie machte ihm davor ein verpflichtetes Compliment, und er meyn-
te nun, er ſaͤß der Liebe voͤllig im Schooſſe. Aber wie erſchrack der arme
Graf nicht, da er kurtz darauf, in Compagnie kam, und ein ihm unbekand-
tes Frauenzimmer in dem geſchenckten Reif-Rock erblickte. Er vermeynte
ſeinem Zweifel abzuhelfen, wenn er mit ihr ſprechen koͤnte, und hierzu fand
ſich Gelegenheit. Doch ſein Erſtaunen war nicht geringe, da ſie mit der
Tabattiere heraus gewiſcht kam, und ihm ein Schnuͤpfgen praͤſentirte.
Er ſahe alſo, daß er ſein Angebinde an einem unrechten Orte angebracht
hatte, und war doch noch ſo geſcheut, daß ers ſich nicht mercken ließ, aber
dennoch nicht verhindern konte, daß es nicht auf andre Art bekand worden
waͤr.

Hornbeck.
Dergleichen Streiche widerfahren noch mehrern, und mancher wird
durch die Sprache, ſo mit ſeiner Geliebten ihrer eine Gleichheit hat, dahin
verfuͤhret, daß er ihr ſo viel ſuͤſſes vorſchwatzt, welches hernach zu lauter
Raillerien Anlaß gibt. Jch koͤnte noch weit mehrers von dem beliebten
Haag erzehlen, wenn ich nicht befuͤrchten muͤſte, eure Gedult, Mylord,
alzulange auf die Probe zuſtellen. Denn was ich anjetzo geſagt, iſt nur das
vornehmſte, und ich habe aus dem Uberfluß das merckwuͤrdigſte heraus ge-
nommen. Mylord Bingley war damit vollkommen zufrieden, und bezeugte
ſeine Erkentlichkeit durch eine weitlaͤufftige Abſtattung des verbundenſten
Dancks. Nachdem er ſich auch noch etwas aufgehalten, nahm er mit
ſeinem Freunde, Mylord Childron, von dem vortreflichen Hornbeck Ab-
ſchied, und begab ſich nach ſeiner Wohnung. Sie brachten das uͤbrige des
Tages zu, um dasjenige, wovon fruͤh geſprochen worden war, in Augen-
ſchein zu nehmen, und nahmen ſich darauf vor, den andern Morgen drauf
aufzubrechen, und die da herum liegende Schloͤſſer, gleichfals zu beſchauen.
Jhren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0058" n="48"/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/>
          <p>Hierbey fa&#x0364;lt mir eine Begebenheit ein, welche &#x017F;ich zu der Zeit, da ich<lb/>
auch einmahl hier war, zugetragen. Ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#fr">Graf,</hi> welcher mit ei-<lb/>
ner vornehmen Dame in ziemlich genaue Bekand&#x017F;chafft gekommen &#x017F;eyn<lb/>
mochte, oder es doch wenig&#x017F;tens wu&#x0364;n&#x017F;chte, indem man ihn alle Tage zehn-<lb/>
mahl durch die Stra&#x017F;&#x017F;e, wo &#x017F;eine Ama&#x017F;ia wohnte, laufen &#x017F;ah, ergriff die<lb/>
Gelegenheit des Jahrmarckts, unter der Ma&#x017F;que mit ihr zu &#x017F;prechen. Er<lb/>
war &#x017F;einer Meynung nach auch &#x017F;o glu&#x0364;cklich, &#x017F;ie anzutreffen, und von ihr ein<lb/>
paar <hi rendition="#fr">&#x017F;ilberne Hemde-Kno&#x0364;pffe</hi> zum Jahrmarckt zu erhalten. Die Liebe<lb/>
&#x017F;pornte ihn an, &#x017F;ich recht bey ihr einzu&#x017F;chmeicheln, und kaufte ihr al&#x017F;o im<lb/>
Augenblick eine goldene Tabattiere, und u&#x0364;berausko&#x017F;tbaren <hi rendition="#fr">Fi&#x017F;chbein-<lb/>
Rock.</hi> Sie machte ihm davor ein verpflichtetes Compliment, und er meyn-<lb/>
te nun, er &#x017F;a&#x0364;ß der Liebe vo&#x0364;llig im Schoo&#x017F;&#x017F;e. Aber wie er&#x017F;chrack der arme<lb/><hi rendition="#fr">Graf</hi> nicht, da er kurtz darauf, in Compagnie kam, und ein ihm unbekand-<lb/>
tes Frauenzimmer in dem ge&#x017F;chenckten Reif-Rock erblickte. Er vermeynte<lb/>
&#x017F;einem Zweifel abzuhelfen, wenn er mit ihr &#x017F;prechen ko&#x0364;nte, und hierzu fand<lb/>
&#x017F;ich Gelegenheit. Doch &#x017F;ein Er&#x017F;taunen war nicht geringe, da &#x017F;ie mit der<lb/>
Tabattiere heraus gewi&#x017F;cht kam, und ihm ein <hi rendition="#fr">Schnu&#x0364;pfgen</hi> pra&#x0364;&#x017F;entirte.<lb/>
Er &#x017F;ahe al&#x017F;o, daß er &#x017F;ein Angebinde an einem unrechten Orte angebracht<lb/>
hatte, und war doch noch &#x017F;o ge&#x017F;cheut, daß ers &#x017F;ich nicht mercken ließ, aber<lb/>
dennoch nicht verhindern konte, daß es nicht auf andre Art bekand worden<lb/>
wa&#x0364;r.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Hornbeck.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Dergleichen Streiche widerfahren noch mehrern, und mancher wird<lb/>
durch die Sprache, &#x017F;o mit &#x017F;einer Geliebten ihrer eine Gleichheit hat, dahin<lb/>
verfu&#x0364;hret, daß er ihr &#x017F;o viel &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es vor&#x017F;chwatzt, welches hernach zu lauter<lb/>
Raillerien Anlaß gibt. Jch ko&#x0364;nte noch weit mehrers von dem beliebten<lb/>
Haag erzehlen, wenn ich nicht befu&#x0364;rchten mu&#x0364;&#x017F;te, eure Gedult, Mylord,<lb/>
alzulange auf die Probe zu&#x017F;tellen. Denn was ich anjetzo ge&#x017F;agt, i&#x017F;t nur das<lb/>
vornehm&#x017F;te, und ich habe aus dem Uberfluß das merckwu&#x0364;rdig&#x017F;te heraus ge-<lb/>
nommen. Mylord Bingley war damit vollkommen zufrieden, und bezeugte<lb/>
&#x017F;eine Erkentlichkeit durch eine weitla&#x0364;ufftige Ab&#x017F;tattung des verbunden&#x017F;ten<lb/>
Dancks. Nachdem er &#x017F;ich auch noch etwas aufgehalten, nahm er mit<lb/>
&#x017F;einem Freunde, Mylord Childron, von dem vortreflichen Hornbeck Ab-<lb/>
&#x017F;chied, und begab &#x017F;ich nach &#x017F;einer Wohnung. Sie brachten das u&#x0364;brige des<lb/>
Tages zu, um dasjenige, wovon fru&#x0364;h ge&#x017F;prochen worden war, in Augen-<lb/>
&#x017F;chein zu nehmen, und nahmen &#x017F;ich darauf vor, den andern Morgen drauf<lb/>
aufzubrechen, und die da herum liegende Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, gleichfals zu be&#x017F;chauen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jhren</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0058] Bingley. Hierbey faͤlt mir eine Begebenheit ein, welche ſich zu der Zeit, da ich auch einmahl hier war, zugetragen. Ein gewiſſer Graf, welcher mit ei- ner vornehmen Dame in ziemlich genaue Bekandſchafft gekommen ſeyn mochte, oder es doch wenigſtens wuͤnſchte, indem man ihn alle Tage zehn- mahl durch die Straſſe, wo ſeine Amaſia wohnte, laufen ſah, ergriff die Gelegenheit des Jahrmarckts, unter der Maſque mit ihr zu ſprechen. Er war ſeiner Meynung nach auch ſo gluͤcklich, ſie anzutreffen, und von ihr ein paar ſilberne Hemde-Knoͤpffe zum Jahrmarckt zu erhalten. Die Liebe ſpornte ihn an, ſich recht bey ihr einzuſchmeicheln, und kaufte ihr alſo im Augenblick eine goldene Tabattiere, und uͤberauskoſtbaren Fiſchbein- Rock. Sie machte ihm davor ein verpflichtetes Compliment, und er meyn- te nun, er ſaͤß der Liebe voͤllig im Schooſſe. Aber wie erſchrack der arme Graf nicht, da er kurtz darauf, in Compagnie kam, und ein ihm unbekand- tes Frauenzimmer in dem geſchenckten Reif-Rock erblickte. Er vermeynte ſeinem Zweifel abzuhelfen, wenn er mit ihr ſprechen koͤnte, und hierzu fand ſich Gelegenheit. Doch ſein Erſtaunen war nicht geringe, da ſie mit der Tabattiere heraus gewiſcht kam, und ihm ein Schnuͤpfgen praͤſentirte. Er ſahe alſo, daß er ſein Angebinde an einem unrechten Orte angebracht hatte, und war doch noch ſo geſcheut, daß ers ſich nicht mercken ließ, aber dennoch nicht verhindern konte, daß es nicht auf andre Art bekand worden waͤr. Hornbeck. Dergleichen Streiche widerfahren noch mehrern, und mancher wird durch die Sprache, ſo mit ſeiner Geliebten ihrer eine Gleichheit hat, dahin verfuͤhret, daß er ihr ſo viel ſuͤſſes vorſchwatzt, welches hernach zu lauter Raillerien Anlaß gibt. Jch koͤnte noch weit mehrers von dem beliebten Haag erzehlen, wenn ich nicht befuͤrchten muͤſte, eure Gedult, Mylord, alzulange auf die Probe zuſtellen. Denn was ich anjetzo geſagt, iſt nur das vornehmſte, und ich habe aus dem Uberfluß das merckwuͤrdigſte heraus ge- nommen. Mylord Bingley war damit vollkommen zufrieden, und bezeugte ſeine Erkentlichkeit durch eine weitlaͤufftige Abſtattung des verbundenſten Dancks. Nachdem er ſich auch noch etwas aufgehalten, nahm er mit ſeinem Freunde, Mylord Childron, von dem vortreflichen Hornbeck Ab- ſchied, und begab ſich nach ſeiner Wohnung. Sie brachten das uͤbrige des Tages zu, um dasjenige, wovon fruͤh geſprochen worden war, in Augen- ſchein zu nehmen, und nahmen ſich darauf vor, den andern Morgen drauf aufzubrechen, und die da herum liegende Schloͤſſer, gleichfals zu beſchauen. Jhren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/58
Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/58>, abgerufen am 25.05.2024.