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Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] land und Polen entnommen haben werden, ist wirklich ge-
schehen, -- es ist endlich ein Concordat zwischen Ruß-
land und dem heiligen Stuhle zu Stande gekom-
men.
Jch theile Jhnen hier die Hauptbestimmungen dieses aus
31. Artikeln bestehenden Actenstückes mit, indem ich Jhnen an-
heimgebe das Ganze in Jhrem Archive für die Kirchengeschichte
der Gegenwart, dem "Katholiken," mitzutheilen. Nach Art. 1.
bestehen im Kaiserthum Rußland künftig sieben Bisthümer, dar-
unter ein neu zu gründendes zu Cherson mit einem Suffragan
zu Saratow. Jn Polen verbleibt es ( Art. 11. ) bei dem mit
Pius VII. am 30. Juni 1818 abgeschlossenen Concordate. Die
Wahl der Bischöfe für Rußland und Polen ( Art. 12. ) erfolgt
in Uebereinstimmung des heiligen Stuhles mit dem petersbur-
ger Cabinette, ihre kanonische Einsetzung durch den heiligen
Stuhl. Der Bischof ( Art. 13. ) ist der einzige Richter und
Verwalter der geistlichen Diöcesanangelegenheiten in kanoni-
scher Abhängigkeit vom heiligen Stuhle. Der Bischof ( Art. 21. )
hat in allen Stücken, in Unterricht und Disciplin, die oberste Lei-
tung aller Seminarien seiner Diöcese nach Vorschrift des Concils
von Trient. Die Wahl der Rectoren, Professoren und Lehrer
der Seminarien ist Sache des Bischofs ( Art. 22. ) . Die geistliche
Akademie in Petersburg wird dem Geiste des Concordates gemäß
neu organisirt ( Art. 29. ) . Außerdem hat aber der Papst noch
in seiner Allocution die Freiheit der Kirche in allen jenen
Puncten ausdrücklich gewahrt, welche im Concordate ihre Er-
ledigung noch nicht gefunden haben; also freie Verbindung aller
Gläubigen mit Rom, Zurückgabe der confiscirten geistlichen Gü-
ter, volle Freiheit der Kirche in Eheangelegenheiten, Aufhebung
des in Rußland auf den Klöstern liegenden Druckes u. s. w. Vor-
läufig hat Graf Bludoff die besten Versicherungen für eine be-
friedigende Ordnung dieser Angelegenheiten gegeben und der
Kaiser hat den freien Verkehr mit Rom in allen Ehesachen ge-
nehmigt.

Frankreich.

* * * Paris 21. Juli. Die gestrige Sitzung war kurz und
völlig unbedeutend, ein Loos, das auch der heutigen bevorsteht.
Einen sehr schmerzlichen Eindruck auf die Kammer machte die ihr
von dem Vicepräsidenten Corbon überbrachte Mittheilung daß
auch der Abgeordnete Dornes, einer der beim letzten Aufruhr
verwundeten Deputirten, den man noch zu retten hoffte, gestorben
sey. Den nächsten Montag werden endlich die Debatten über die
neue Verfassung beginnen. Vicepräsident der Kammer wurde
an Armand Marrasts Stelle der in der Genesung begriffene Ab-
geordnete Bixio mit 326 von 440 Stimmen.

Auch an der Normalschule soll der Unterricht jetzt umsonst
ertheilt werden. Das Comit e des Jnnern verlangt Geld, um
Wissenschaft und Kunst zu fördern, im Pantheon z. B. soll eine
Galerie großer Männer, so eine Art Walhalla angelegt, außer-
dem sollen denselben großen Männern noch Statuen an den Or-
ten, wo sie geboren, errichtet werden u. s. w. Wir fürchten nur,
daß bei allen diesen Dingen, abgesehen von den großen Kosten,
viel Komödienhaftes mit unterläuft.

Das Geheimniß, welches der europäischen Diplomatie schon
so viel Herzklopfen verursachte, das Geheimniß nämlich, warum
auf einmal 300 Bataillone Nationalgarde mobil gemacht werden
sollen, ist nun auch ans Tageslicht getreten. Herr de Ludre er-
klärt nämlich in seinem der Nationalversammlung eben über-
machten Berichte über diesen Gegenstand, "daß diese Heeres-
macht nicht nur gegen eine auswärtige Jnvasion ( wer denkt
daran? ) , sondern auch in dem Falle aufgeboten werden müsse,
wenn die Anarchie es noch einmal wagen sollte die Ordnung
und öffentliche Sicherheit zu bedrohen." Aller Wahrscheinlichkeit
nach fürchten die Franzosen Letzteres mehr als ein Wiederaufleben
alter längst verschollener Coalitionen.

Die Pferde und Wagen der Herzogin von Orleans sind nun
wirklich um Spottpreise verschleudert worden. Jm Augenblicke,
wo man den Wagen Nr. 13., denselben, in welchem der Herzog
den Tod gefunden hatte, versteigern wollte, traf noch ein Schrei-
ben der Herzogin mit der Weisung ein, dieses Cabriolet, wenn es
schon losgeschlagen sey, um jeden Preis für sie wieder anzukaufen
und dann -- zu verbrennen. Welcher Wechsel irdischer Dinge!

General de Bar, von Algier her als tapferer Soldat be-
kannt, ist von der dritten Legion der Pariser Nationalgarde zu
ihrem Obersten erwählt worden.

Großbritannien.

London 19. Juli. Da das schöne sonnige Wetter fort-
dauert und vom Festlande keine beunruhigende Nachrichten ein-
[Spaltenumbruch] treffen, so waren die englischen Staatspapiere gestern bis zu
89 1 / 8 in die Höhe gegangen; damit standen sie ein halb Procent
höher, als vor der französischen Revolution, und da die politi-
schen Aussichten wahrlich noch immer nicht glänzend sind, so kann
ein solches auffallendes Steigen nur aus dem großen Ueberflusse
an sonst nicht verwendbarem Gelde erklärt werden. Auf der
heutigen Börse ließen sich indeß mehrere Verkäufer sehen; der
Zustand Jrlands flößt Besorgnisse ein und die Consols fielen
vom gestrigen höchsten Stande um ein Procent, ja, um 2 Uhr
standen sie nur87 1 / 2.

Der Lord Statthalter von Jrland, Graf of Clarendon, beab-
sichtigte nach London zu reisen, um dem Ministerium persönliche
Vorstellungen zu machen über den drohenden Ausbruch einer Em-
pörung in Jrland und über die Nothwendigkeit derselben zuvor-
zukommen. Die Regierung, sagt ein Bericht aus Jrland, muß
die Clubs aufheben, oder die Clubs heben die Regierung auf;
und täglich laufen Bittschriften beim Statthalter ein, die Clubs
zu unterdrücken. Aber in Jrland sind inzwischen Unruhen ausge-
brochen, welche Lord Clarendon bewogen haben, seine Abreise auf-
zuschieben. Jn Carrick=on=Suir ward Hr. Patrick Byrne, ein Geistli-
cher, verhaftet, weil er Aufruhr gepredigt habe und in das Gefängniß
gebracht. Aber das Volk rottete sich in großen Massen vor dem
Gebäude zusammen, stürmte es und befreite nicht blos Herrn
Byrne, sondern auch alle Gefangenen. Doheny, der ebenfalls
verhaftet war, mußte gegen Bürgschaft freigegeben werden. Er
ritt nach Cashel, wo der König=Cormac=Club ihn in Reih und
Glied empfing. Die Clubs sind nämlich militärisch in Züge und
Rotten getheilt. Von dort aus, der alten Königsstadt, zog er
hoch zu Roß, in Grün und Gold, den Farben der Clubs von
1782, gekleidet, achttausend Mann hinter sich, auf den breiten
Hügel von Slievenamon. Hier stoßen mehrere Grafschaften an
einander, und mindestens 30,000 "muntere Jungen" von Cork,
Waterford, Wexford und Tipperary kamen auf der Höhe zusam-
men. Doheny redete die versammelte Menge an und forderte
sie auf, Clubs zu bilden; wenn sie fest ständen und keine Furcht
blicken ließen, würden sie siegen. Herr Meagher, der Schwert-
träger, war von Waterford in einem sechsspännigen Wagen ge-
kommen, die Clubs hinter sich in militärischer Ordnung. Eben
so wollte er in die Stadt zurückziehen. Man ließ den Schlag-
baum auf der Brücke über den Suir nieder und verlangte, die
Clubs sollten erst aus Reih und Glied treten, ehe sie hinüberzögen.
Die Antwort war ein Sturm, welcher den ganzen Schlagbaum
wegriß, und die Clubs zogen in Triumph durch die Stadt. Diese
und andere Ereignisse, so wie die Sprache der Clubs, welche
nicht undeutlich zur gewaltsamen Befreiung der Verhafteten auf-
fordern, haben den Lord Statthalter bewogen, gestern den ge-
heimen Rath auf dem Dubliner Schlosse zu versammeln und nach
gehaltener Berathung sieben Bezirke, nämlich Stadt und
Grafschaft Dublin, die Städte Waterford und Cork und einen
Theil der gleichnamigen Grafschaften, endlich die Grafschaft
Drogheda, zu proclamiren, das heißt unter die vor Kur-
zem vom Parlamente angenommenen Ausnahms-
gesetze zu stellen.

Schweden.

Gothenburg 14. Juli. ( Osts. Z. ) Auch in Schweden
herrscht eben so wenig wie in Norwegen irgend eine Begeisterung
für den schleswig=holsteinischen Kreuzzug. Der norweg. Stort-
hing hat bekanntlich in einer langen Debatte ein, Regierung und
König vollkommen desavouirendes Votum abgegeben. Bei uns
in Schweden ist der gewerbliche, der Handels= und der Bauern-
stand ebenfalls sehr unzufrieden, namentlich über die finanziellen
Dispositionen der Regierung. Die Presse ist allseitig der Mein-
ung, daß Schweden und Norwegen mit diesem Kriege gar nichts
zu schaffen haben, und die Regierung wird auf dem nächsten
Reichstage einen harten Stand bekommen. Lange hält es auch
bei uns nicht mehr zusammen, und es unterliegt wohl keinem
Zweifel, daß auch unsere altmodische Verfassungsmaschine näch-
stens auseinanderbrechen wird. Die materiellen Verhältnisse
spielen den Regierungen ja immer die schlimmsten Streiche, und
damit sieht es denn auch bei uns recht traurig aus. Handel und
Verkehr liegen fast ganz darnieder; Jmport genug, aber nichts
zu exportiren, und darum fängt das Geld an, entsetzlich knapp
zu werden. Es ist hier Alles unzufrieden, und wenn der Versuch,
diese Unzufriedenheit durch den skandinavischen Feldzug auf kurze
Zeit zu besänftigen, einigermaßen gelungen war, so wacht sie
doch jetzt, nachdem man sich von dem nationalen Rausche ernüch-
tert hat, mit desto größerer Gewalt wieder auf. Es herrscht all-
gemein eine düstere Stimmung, die auch bei uns unzweifelhaft
nächstens in irgend eine That umschlagen muß.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] land und Polen entnommen haben werden, ist wirklich ge-
schehen, — es ist endlich ein Concordat zwischen Ruß-
land und dem heiligen Stuhle zu Stande gekom-
men.
Jch theile Jhnen hier die Hauptbestimmungen dieses aus
31. Artikeln bestehenden Actenstückes mit, indem ich Jhnen an-
heimgebe das Ganze in Jhrem Archive für die Kirchengeschichte
der Gegenwart, dem „Katholiken,“ mitzutheilen. Nach Art. 1.
bestehen im Kaiserthum Rußland künftig sieben Bisthümer, dar-
unter ein neu zu gründendes zu Cherson mit einem Suffragan
zu Saratow. Jn Polen verbleibt es ( Art. 11. ) bei dem mit
Pius VII. am 30. Juni 1818 abgeschlossenen Concordate. Die
Wahl der Bischöfe für Rußland und Polen ( Art. 12. ) erfolgt
in Uebereinstimmung des heiligen Stuhles mit dem petersbur-
ger Cabinette, ihre kanonische Einsetzung durch den heiligen
Stuhl. Der Bischof ( Art. 13. ) ist der einzige Richter und
Verwalter der geistlichen Diöcesanangelegenheiten in kanoni-
scher Abhängigkeit vom heiligen Stuhle. Der Bischof ( Art. 21. )
hat in allen Stücken, in Unterricht und Disciplin, die oberste Lei-
tung aller Seminarien seiner Diöcese nach Vorschrift des Concils
von Trient. Die Wahl der Rectoren, Professoren und Lehrer
der Seminarien ist Sache des Bischofs ( Art. 22. ) . Die geistliche
Akademie in Petersburg wird dem Geiste des Concordates gemäß
neu organisirt ( Art. 29. ) . Außerdem hat aber der Papst noch
in seiner Allocution die Freiheit der Kirche in allen jenen
Puncten ausdrücklich gewahrt, welche im Concordate ihre Er-
ledigung noch nicht gefunden haben; also freie Verbindung aller
Gläubigen mit Rom, Zurückgabe der confiscirten geistlichen Gü-
ter, volle Freiheit der Kirche in Eheangelegenheiten, Aufhebung
des in Rußland auf den Klöstern liegenden Druckes u. s. w. Vor-
läufig hat Graf Bludoff die besten Versicherungen für eine be-
friedigende Ordnung dieser Angelegenheiten gegeben und der
Kaiser hat den freien Verkehr mit Rom in allen Ehesachen ge-
nehmigt.

Frankreich.

* * * Paris 21. Juli. Die gestrige Sitzung war kurz und
völlig unbedeutend, ein Loos, das auch der heutigen bevorsteht.
Einen sehr schmerzlichen Eindruck auf die Kammer machte die ihr
von dem Vicepräsidenten Corbon überbrachte Mittheilung daß
auch der Abgeordnete Dornès, einer der beim letzten Aufruhr
verwundeten Deputirten, den man noch zu retten hoffte, gestorben
sey. Den nächsten Montag werden endlich die Debatten über die
neue Verfassung beginnen. Vicepräsident der Kammer wurde
an Armand Marrasts Stelle der in der Genesung begriffene Ab-
geordnete Bixio mit 326 von 440 Stimmen.

Auch an der Normalschule soll der Unterricht jetzt umsonst
ertheilt werden. Das Comit é des Jnnern verlangt Geld, um
Wissenschaft und Kunst zu fördern, im Pantheon z. B. soll eine
Galerie großer Männer, so eine Art Walhalla angelegt, außer-
dem sollen denselben großen Männern noch Statuen an den Or-
ten, wo sie geboren, errichtet werden u. s. w. Wir fürchten nur,
daß bei allen diesen Dingen, abgesehen von den großen Kosten,
viel Komödienhaftes mit unterläuft.

Das Geheimniß, welches der europäischen Diplomatie schon
so viel Herzklopfen verursachte, das Geheimniß nämlich, warum
auf einmal 300 Bataillone Nationalgarde mobil gemacht werden
sollen, ist nun auch ans Tageslicht getreten. Herr de Ludre er-
klärt nämlich in seinem der Nationalversammlung eben über-
machten Berichte über diesen Gegenstand, „daß diese Heeres-
macht nicht nur gegen eine auswärtige Jnvasion ( wer denkt
daran? ) , sondern auch in dem Falle aufgeboten werden müsse,
wenn die Anarchie es noch einmal wagen sollte die Ordnung
und öffentliche Sicherheit zu bedrohen.“ Aller Wahrscheinlichkeit
nach fürchten die Franzosen Letzteres mehr als ein Wiederaufleben
alter längst verschollener Coalitionen.

Die Pferde und Wagen der Herzogin von Orleans sind nun
wirklich um Spottpreise verschleudert worden. Jm Augenblicke,
wo man den Wagen Nr. 13., denselben, in welchem der Herzog
den Tod gefunden hatte, versteigern wollte, traf noch ein Schrei-
ben der Herzogin mit der Weisung ein, dieses Cabriolet, wenn es
schon losgeschlagen sey, um jeden Preis für sie wieder anzukaufen
und dann — zu verbrennen. Welcher Wechsel irdischer Dinge!

General de Bar, von Algier her als tapferer Soldat be-
kannt, ist von der dritten Legion der Pariser Nationalgarde zu
ihrem Obersten erwählt worden.

Großbritannien.

London 19. Juli. Da das schöne sonnige Wetter fort-
dauert und vom Festlande keine beunruhigende Nachrichten ein-
[Spaltenumbruch] treffen, so waren die englischen Staatspapiere gestern bis zu
89 1 / 8 in die Höhe gegangen; damit standen sie ein halb Procent
höher, als vor der französischen Revolution, und da die politi-
schen Aussichten wahrlich noch immer nicht glänzend sind, so kann
ein solches auffallendes Steigen nur aus dem großen Ueberflusse
an sonst nicht verwendbarem Gelde erklärt werden. Auf der
heutigen Börse ließen sich indeß mehrere Verkäufer sehen; der
Zustand Jrlands flößt Besorgnisse ein und die Consols fielen
vom gestrigen höchsten Stande um ein Procent, ja, um 2 Uhr
standen sie nur87 1 / 2.

Der Lord Statthalter von Jrland, Graf of Clarendon, beab-
sichtigte nach London zu reisen, um dem Ministerium persönliche
Vorstellungen zu machen über den drohenden Ausbruch einer Em-
pörung in Jrland und über die Nothwendigkeit derselben zuvor-
zukommen. Die Regierung, sagt ein Bericht aus Jrland, muß
die Clubs aufheben, oder die Clubs heben die Regierung auf;
und täglich laufen Bittschriften beim Statthalter ein, die Clubs
zu unterdrücken. Aber in Jrland sind inzwischen Unruhen ausge-
brochen, welche Lord Clarendon bewogen haben, seine Abreise auf-
zuschieben. Jn Carrick=on=Suir ward Hr. Patrick Byrne, ein Geistli-
cher, verhaftet, weil er Aufruhr gepredigt habe und in das Gefängniß
gebracht. Aber das Volk rottete sich in großen Massen vor dem
Gebäude zusammen, stürmte es und befreite nicht blos Herrn
Byrne, sondern auch alle Gefangenen. Doheny, der ebenfalls
verhaftet war, mußte gegen Bürgschaft freigegeben werden. Er
ritt nach Cashel, wo der König=Cormac=Club ihn in Reih und
Glied empfing. Die Clubs sind nämlich militärisch in Züge und
Rotten getheilt. Von dort aus, der alten Königsstadt, zog er
hoch zu Roß, in Grün und Gold, den Farben der Clubs von
1782, gekleidet, achttausend Mann hinter sich, auf den breiten
Hügel von Slievenamon. Hier stoßen mehrere Grafschaften an
einander, und mindestens 30,000 „muntere Jungen“ von Cork,
Waterford, Wexford und Tipperary kamen auf der Höhe zusam-
men. Doheny redete die versammelte Menge an und forderte
sie auf, Clubs zu bilden; wenn sie fest ständen und keine Furcht
blicken ließen, würden sie siegen. Herr Meagher, der Schwert-
träger, war von Waterford in einem sechsspännigen Wagen ge-
kommen, die Clubs hinter sich in militärischer Ordnung. Eben
so wollte er in die Stadt zurückziehen. Man ließ den Schlag-
baum auf der Brücke über den Suir nieder und verlangte, die
Clubs sollten erst aus Reih und Glied treten, ehe sie hinüberzögen.
Die Antwort war ein Sturm, welcher den ganzen Schlagbaum
wegriß, und die Clubs zogen in Triumph durch die Stadt. Diese
und andere Ereignisse, so wie die Sprache der Clubs, welche
nicht undeutlich zur gewaltsamen Befreiung der Verhafteten auf-
fordern, haben den Lord Statthalter bewogen, gestern den ge-
heimen Rath auf dem Dubliner Schlosse zu versammeln und nach
gehaltener Berathung sieben Bezirke, nämlich Stadt und
Grafschaft Dublin, die Städte Waterford und Cork und einen
Theil der gleichnamigen Grafschaften, endlich die Grafschaft
Drogheda, zu proclamiren, das heißt unter die vor Kur-
zem vom Parlamente angenommenen Ausnahms-
gesetze zu stellen.

Schweden.

Gothenburg 14. Juli. ( Osts. Z. ) Auch in Schweden
herrscht eben so wenig wie in Norwegen irgend eine Begeisterung
für den schleswig=holsteinischen Kreuzzug. Der norweg. Stort-
hing hat bekanntlich in einer langen Debatte ein, Regierung und
König vollkommen desavouirendes Votum abgegeben. Bei uns
in Schweden ist der gewerbliche, der Handels= und der Bauern-
stand ebenfalls sehr unzufrieden, namentlich über die finanziellen
Dispositionen der Regierung. Die Presse ist allseitig der Mein-
ung, daß Schweden und Norwegen mit diesem Kriege gar nichts
zu schaffen haben, und die Regierung wird auf dem nächsten
Reichstage einen harten Stand bekommen. Lange hält es auch
bei uns nicht mehr zusammen, und es unterliegt wohl keinem
Zweifel, daß auch unsere altmodische Verfassungsmaschine näch-
stens auseinanderbrechen wird. Die materiellen Verhältnisse
spielen den Regierungen ja immer die schlimmsten Streiche, und
damit sieht es denn auch bei uns recht traurig aus. Handel und
Verkehr liegen fast ganz darnieder; Jmport genug, aber nichts
zu exportiren, und darum fängt das Geld an, entsetzlich knapp
zu werden. Es ist hier Alles unzufrieden, und wenn der Versuch,
diese Unzufriedenheit durch den skandinavischen Feldzug auf kurze
Zeit zu besänftigen, einigermaßen gelungen war, so wacht sie
doch jetzt, nachdem man sich von dem nationalen Rausche ernüch-
tert hat, mit desto größerer Gewalt wieder auf. Es herrscht all-
gemein eine düstere Stimmung, die auch bei uns unzweifelhaft
nächstens in irgend eine That umschlagen muß.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] land und Polen entnommen haben werden, ist wirklich ge- schehen, — es ist endlich ein Concordat zwischen Ruß- land und dem heiligen Stuhle zu Stande gekom- men. Jch theile Jhnen hier die Hauptbestimmungen dieses aus 31. Artikeln bestehenden Actenstückes mit, indem ich Jhnen an- heimgebe das Ganze in Jhrem Archive für die Kirchengeschichte der Gegenwart, dem „Katholiken,“ mitzutheilen. Nach Art. 1. bestehen im Kaiserthum Rußland künftig sieben Bisthümer, dar- unter ein neu zu gründendes zu Cherson mit einem Suffragan zu Saratow. Jn Polen verbleibt es ( Art. 11. ) bei dem mit Pius VII. am 30. Juni 1818 abgeschlossenen Concordate. Die Wahl der Bischöfe für Rußland und Polen ( Art. 12. ) erfolgt in Uebereinstimmung des heiligen Stuhles mit dem petersbur- ger Cabinette, ihre kanonische Einsetzung durch den heiligen Stuhl. Der Bischof ( Art. 13. ) ist der einzige Richter und Verwalter der geistlichen Diöcesanangelegenheiten in kanoni- scher Abhängigkeit vom heiligen Stuhle. Der Bischof ( Art. 21. ) hat in allen Stücken, in Unterricht und Disciplin, die oberste Lei- tung aller Seminarien seiner Diöcese nach Vorschrift des Concils von Trient. Die Wahl der Rectoren, Professoren und Lehrer der Seminarien ist Sache des Bischofs ( Art. 22. ) . Die geistliche Akademie in Petersburg wird dem Geiste des Concordates gemäß neu organisirt ( Art. 29. ) . Außerdem hat aber der Papst noch in seiner Allocution die Freiheit der Kirche in allen jenen Puncten ausdrücklich gewahrt, welche im Concordate ihre Er- ledigung noch nicht gefunden haben; also freie Verbindung aller Gläubigen mit Rom, Zurückgabe der confiscirten geistlichen Gü- ter, volle Freiheit der Kirche in Eheangelegenheiten, Aufhebung des in Rußland auf den Klöstern liegenden Druckes u. s. w. Vor- läufig hat Graf Bludoff die besten Versicherungen für eine be- friedigende Ordnung dieser Angelegenheiten gegeben und der Kaiser hat den freien Verkehr mit Rom in allen Ehesachen ge- nehmigt. Frankreich. * * * Paris 21. Juli. Die gestrige Sitzung war kurz und völlig unbedeutend, ein Loos, das auch der heutigen bevorsteht. Einen sehr schmerzlichen Eindruck auf die Kammer machte die ihr von dem Vicepräsidenten Corbon überbrachte Mittheilung daß auch der Abgeordnete Dornès, einer der beim letzten Aufruhr verwundeten Deputirten, den man noch zu retten hoffte, gestorben sey. Den nächsten Montag werden endlich die Debatten über die neue Verfassung beginnen. Vicepräsident der Kammer wurde an Armand Marrasts Stelle der in der Genesung begriffene Ab- geordnete Bixio mit 326 von 440 Stimmen. Auch an der Normalschule soll der Unterricht jetzt umsonst ertheilt werden. Das Comit é des Jnnern verlangt Geld, um Wissenschaft und Kunst zu fördern, im Pantheon z. B. soll eine Galerie großer Männer, so eine Art Walhalla angelegt, außer- dem sollen denselben großen Männern noch Statuen an den Or- ten, wo sie geboren, errichtet werden u. s. w. Wir fürchten nur, daß bei allen diesen Dingen, abgesehen von den großen Kosten, viel Komödienhaftes mit unterläuft. Das Geheimniß, welches der europäischen Diplomatie schon so viel Herzklopfen verursachte, das Geheimniß nämlich, warum auf einmal 300 Bataillone Nationalgarde mobil gemacht werden sollen, ist nun auch ans Tageslicht getreten. Herr de Ludre er- klärt nämlich in seinem der Nationalversammlung eben über- machten Berichte über diesen Gegenstand, „daß diese Heeres- macht nicht nur gegen eine auswärtige Jnvasion ( wer denkt daran? ) , sondern auch in dem Falle aufgeboten werden müsse, wenn die Anarchie es noch einmal wagen sollte die Ordnung und öffentliche Sicherheit zu bedrohen.“ Aller Wahrscheinlichkeit nach fürchten die Franzosen Letzteres mehr als ein Wiederaufleben alter längst verschollener Coalitionen. Die Pferde und Wagen der Herzogin von Orleans sind nun wirklich um Spottpreise verschleudert worden. Jm Augenblicke, wo man den Wagen Nr. 13., denselben, in welchem der Herzog den Tod gefunden hatte, versteigern wollte, traf noch ein Schrei- ben der Herzogin mit der Weisung ein, dieses Cabriolet, wenn es schon losgeschlagen sey, um jeden Preis für sie wieder anzukaufen und dann — zu verbrennen. Welcher Wechsel irdischer Dinge! General de Bar, von Algier her als tapferer Soldat be- kannt, ist von der dritten Legion der Pariser Nationalgarde zu ihrem Obersten erwählt worden. Großbritannien. London 19. Juli. Da das schöne sonnige Wetter fort- dauert und vom Festlande keine beunruhigende Nachrichten ein- treffen, so waren die englischen Staatspapiere gestern bis zu 89 1 / 8 in die Höhe gegangen; damit standen sie ein halb Procent höher, als vor der französischen Revolution, und da die politi- schen Aussichten wahrlich noch immer nicht glänzend sind, so kann ein solches auffallendes Steigen nur aus dem großen Ueberflusse an sonst nicht verwendbarem Gelde erklärt werden. Auf der heutigen Börse ließen sich indeß mehrere Verkäufer sehen; der Zustand Jrlands flößt Besorgnisse ein und die Consols fielen vom gestrigen höchsten Stande um ein Procent, ja, um 2 Uhr standen sie nur87 1 / 2. Der Lord Statthalter von Jrland, Graf of Clarendon, beab- sichtigte nach London zu reisen, um dem Ministerium persönliche Vorstellungen zu machen über den drohenden Ausbruch einer Em- pörung in Jrland und über die Nothwendigkeit derselben zuvor- zukommen. Die Regierung, sagt ein Bericht aus Jrland, muß die Clubs aufheben, oder die Clubs heben die Regierung auf; und täglich laufen Bittschriften beim Statthalter ein, die Clubs zu unterdrücken. Aber in Jrland sind inzwischen Unruhen ausge- brochen, welche Lord Clarendon bewogen haben, seine Abreise auf- zuschieben. Jn Carrick=on=Suir ward Hr. Patrick Byrne, ein Geistli- cher, verhaftet, weil er Aufruhr gepredigt habe und in das Gefängniß gebracht. Aber das Volk rottete sich in großen Massen vor dem Gebäude zusammen, stürmte es und befreite nicht blos Herrn Byrne, sondern auch alle Gefangenen. Doheny, der ebenfalls verhaftet war, mußte gegen Bürgschaft freigegeben werden. Er ritt nach Cashel, wo der König=Cormac=Club ihn in Reih und Glied empfing. Die Clubs sind nämlich militärisch in Züge und Rotten getheilt. Von dort aus, der alten Königsstadt, zog er hoch zu Roß, in Grün und Gold, den Farben der Clubs von 1782, gekleidet, achttausend Mann hinter sich, auf den breiten Hügel von Slievenamon. Hier stoßen mehrere Grafschaften an einander, und mindestens 30,000 „muntere Jungen“ von Cork, Waterford, Wexford und Tipperary kamen auf der Höhe zusam- men. Doheny redete die versammelte Menge an und forderte sie auf, Clubs zu bilden; wenn sie fest ständen und keine Furcht blicken ließen, würden sie siegen. Herr Meagher, der Schwert- träger, war von Waterford in einem sechsspännigen Wagen ge- kommen, die Clubs hinter sich in militärischer Ordnung. Eben so wollte er in die Stadt zurückziehen. Man ließ den Schlag- baum auf der Brücke über den Suir nieder und verlangte, die Clubs sollten erst aus Reih und Glied treten, ehe sie hinüberzögen. Die Antwort war ein Sturm, welcher den ganzen Schlagbaum wegriß, und die Clubs zogen in Triumph durch die Stadt. Diese und andere Ereignisse, so wie die Sprache der Clubs, welche nicht undeutlich zur gewaltsamen Befreiung der Verhafteten auf- fordern, haben den Lord Statthalter bewogen, gestern den ge- heimen Rath auf dem Dubliner Schlosse zu versammeln und nach gehaltener Berathung sieben Bezirke, nämlich Stadt und Grafschaft Dublin, die Städte Waterford und Cork und einen Theil der gleichnamigen Grafschaften, endlich die Grafschaft Drogheda, zu proclamiren, das heißt unter die vor Kur- zem vom Parlamente angenommenen Ausnahms- gesetze zu stellen. Schweden. Gothenburg 14. Juli. ( Osts. Z. ) Auch in Schweden herrscht eben so wenig wie in Norwegen irgend eine Begeisterung für den schleswig=holsteinischen Kreuzzug. Der norweg. Stort- hing hat bekanntlich in einer langen Debatte ein, Regierung und König vollkommen desavouirendes Votum abgegeben. Bei uns in Schweden ist der gewerbliche, der Handels= und der Bauern- stand ebenfalls sehr unzufrieden, namentlich über die finanziellen Dispositionen der Regierung. Die Presse ist allseitig der Mein- ung, daß Schweden und Norwegen mit diesem Kriege gar nichts zu schaffen haben, und die Regierung wird auf dem nächsten Reichstage einen harten Stand bekommen. Lange hält es auch bei uns nicht mehr zusammen, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß auch unsere altmodische Verfassungsmaschine näch- stens auseinanderbrechen wird. Die materiellen Verhältnisse spielen den Regierungen ja immer die schlimmsten Streiche, und damit sieht es denn auch bei uns recht traurig aus. Handel und Verkehr liegen fast ganz darnieder; Jmport genug, aber nichts zu exportiren, und darum fängt das Geld an, entsetzlich knapp zu werden. Es ist hier Alles unzufrieden, und wenn der Versuch, diese Unzufriedenheit durch den skandinavischen Feldzug auf kurze Zeit zu besänftigen, einigermaßen gelungen war, so wacht sie doch jetzt, nachdem man sich von dem nationalen Rausche ernüch- tert hat, mit desto größerer Gewalt wieder auf. Es herrscht all- gemein eine düstere Stimmung, die auch bei uns unzweifelhaft nächstens in irgend eine That umschlagen muß. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal039_1848/4>, abgerufen am 27.04.2024.