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Mainzer Journal. Nr. 158. Mainz, 7. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz]

Die Zukunft ist uns verhüllt, aber wir können uns des Ge-
dankens nicht erwehren, daß wenn die Monarchie in Deutschland,
in ganz Mitteleuropa eine Zukunft hat, sie an das Haupt dieses
kaiserlichen Jünglings geknüpft ist. Vielleicht ist die Zeit nicht
fern, wo es sich zeigt, daß diese unsere Ahnung, die jetzt vielleicht
von Vielen verlacht wird, nicht getrogen hat.

Ferdinands, des Gütigen, kranke schwache Hand hat den
Scepter dem hoffnungsreichsten, blühendsten Sprößlinge seines
viel gesegneten Hauses übergeben, er hat es ungezwungen, in voll-
kommener Freiheit gethan, und das ist von unendlicher Bedeutung.
Da wo ein Monarch gezwungen das Regiment seinem Nachfolger
überträgt, ist die Monarchie selbst mehr als erschüttert. Ferdinand
hat aber seinem Nachfolger die Krone nicht blos frei und unge-
zwungen, er hat sie auch in dem Augenblicke übergeben, wo die
Monarchie nach Ueberwindung ihrer Gegner neu gekräftigt da-
steht. --

Die Ordnung und das Ansehen der gesetzlichen Autoritäten
ist so gut als hergestellt, von all' dem Blute aber, das es gekostet,
von all' dem Frevel, der von solchen Katastrophen unzertrennlich,
klebt kein Tropfen, haftet kein Schatten an dem reinen Jünglinge.

Allein nicht blos die Ordnung findet er vor, sondern auch ein
volksthümliches Ministerium, und ohne Zweifel wird er ganz
bald mit dem Reichstage nach Wien zurückkehren.

Es ließe sich hier eine merkwürdige Parallele ziehen. Drei Dinge
hat der Frankfurter Reichstag von Preußen verlangt, daß die
Ordnung in Berlin hergestellt, hierauf sofort der Reichstag in
der Hauptstadt wieder eröffnet werde und ein volksthümliches Mi-
nisterium an die Spitze der Verwaltung trete. Diese drei Forde-
rungen sind nicht erfüllt; in Oesterreich sind sie so gut als erfüllt,
ohne daß sie gefordert wurden, -- und ein junger Kaiser steht an
der Spitze, und alle Zeichen deuten darauf hin, daß Alles unter
ihm jung und neu wird werden.

Wenn irgendwo die Monarchie, diese Staatsform, unter wel-
cher alle abendländischen, insbesondere alle germanischen Völker
seit Anbeginn ihrer Geschichte gelebt, starke und gesunde Wurzeln
hat, so ist es in den der Masse nach noch urkräftigen Völkern
Oesterreichs der Fall, und wenn es irgendwo ein vollsthümliches
Fürstengeschlecht gibt, so ist es Habsburg. Zwei Dinge zeichnen
dieses Geschlecht vor allen anderen aus, zwei Vorzüge, die nicht
abgeleugnet werden können. Kein Unrecht, keine Usurpation haftet
im großen Ganzen an ihrer Herrschaft, und das Geschlecht ist bis
heute noch unvergiftet von der Pest der Sittenlosigkeit und hoch-
müthiger Herrschsucht, der so viele KÖnigsgeschlechter zum Opfer
gefallen sind. Von jeher hat dies Haus mehr Unrecht gelitten, als
geübt. Der junge Kaiser, unschuldig, edel, tugendhaft, wie wir
aus den untrüglichsten Zeugnissen wissen, dabei reich begabt, ge-
sund an Leib und Seele, zählt keinen Usurpator, keinen Tyran-
nen, keinen von der Geschichte gebrandmarkten Wüstling unter
seinen Ahnen. Was die Fürsten dieses Hauses gefehlt haben, --
es war menschlich gefehlt, aber es war nicht gefrevelt -- und
jedes gerechte Gericht muß anerkennen, daß sie unendlich mehr
Gutes, als Uebles gethan, mehr erbaut, als geschädigt, in einem
noch weit höheren Maße aber das Gute gewollt haben.

Mögen der junge Kaiser und seine Räthe auch den hohen Be-
ruf Oesterreichs in Deutschland erkennen, mögen sie wahrhaft
deutsch seyn! Und auch hier erfüllt uns die Vergangenheit des
Hauses Habsburg mit Trost: denn seit seinem Stammherrn Ru-
dolph, der Deutschland aus der Anarchie des Jnterregnums ge-
rettet und dadurch des deutschen Reiches zweiter Gründer gewor-
den ist, bis zur Auflösung des Reiches, war -- ohne allen Wider-
streit -- unter allen deutschen Fürstenhäusern Habsburg das
Deutscheste, ja recht eigentlich der einzige Hort der deutschen Größe
und Einheit. Wir hegen die Zuversicht, daß auch für die Zukunft
die gute Natur, die geschichtliche Nothwendigkeit, die Wahrheit
und die Huld der Vorsehung mächtiger seyn werde, als die Par-
teileidenschaften, der Stolz und die Jrrthümer der Menschen.



Deutschland.

Wien 30. November. ( A. Z. ) Auch in Wien hat das Pro-
gramm des neuen Cabinets allgemeine Anerkennung gefunden.
Es soll damit nicht gesagt seyn, daß die Politik unseres Cabinets
bezüglich Jtaliens, Ungarns und Deutschlands, nicht eine Menge
Gegner fände. Aber man weiß endlich einmal mit Bestimmtheit,
woran man ist. Was man früher schwankend und tastend erra-
then mußte und schon seines geheimnißvollen Ursprunges wegen
anfeindete und tadelte, ist jetzt klar und unumwunden ausgesprochen,
mit einer Offenheit, welche von Muth zeugt, und mit einer Festig-
keit, welche sich auf eine halbe Million Bajonette stützt. Alles in
allem genommen, ist es eine kaum wegzuläugnende Thatsache, daß
[Spaltenumbruch] die erste officielle Mittheilung des Ministeriums als der politische
Gesinnungsausdruck der großen Majorität des österreichischen
Volkes betrachtet werden kann. Jn der italienischen Frage hätten
Viele eine andere Lösung gewünscht, aber wie die Sachen jetzt
stehen, schien für den österreichischen Staatsmann schwer eine
andere Lösung möglich. Ueber Ungarns Verhältniß zu Oesterreich
und die Unausführbarkeit Kossuth'scher Phantasien konnte die
Meinung verständiger Politiker wohl nie zweifelhaft seyn. Sie
wissen, daß ich einer der Ersten war, der die Nothwendigkeit der
jetzt eingeschlagenen Politik gegenüber dem Magyarenthume aus-
führlich darlegte. Am meisten Widersacher wird der wichtigste
Punkt des Programmes, das Verhältniß Oesterreichs zu Deutsch-
land berührend, finden. Daß nach den bestimmten Ausdrücken
des ministeriellen Actenstückes von einem Lostrennen einzelner
Provinzen der Monarchie hinfort im Sinne des Cabinets ebenso-
wenig die Rede seyn kann, als von einem unbedingten Unterord-
nen Oesterreichs unter die deutsche Centralgewalt, wie sie jetzt
besteht, liegt klar am Tage. Sie wissen, daß die Feststellung eines
beide Theile befriedigenden Verhältnisses Oesterreichs zu Deutsch-
land ein Problem ist, an dessen Lösung bis jetzt der Verstand der
Verständigsten scheiterte. Jn keiner der großen Fragen des Tages
hat so viel Begriffsverwirrung geherrscht als in dieser. Die ver-
ständigeren, mit den hiesigen Zuständen vertrauten Publicisten
haben immer gewußt, daß jegliche Zersplitterung des Kaiserstaa-
tes für Oesterreich sowohl wie für Deutschland nur unabsehbares
Unglück zur Folge haben würde. Die Nothwendigkeit der Auf-
rechthaltung eines starken und einigen Oesterreichs wird selbst in
Deutschland von der großen Mehrzahl der Urtheilsfähigen aner-
kannt. Die Lösung der Frage war in letzter Zeit so weit vorge-
rückt, daß man einsah, es bleibe nur die Alternative: ganz
Oesterreich müsse sich der deutschen Centralgewalt unterordnen,
oder es müsse als ein selbstständiger, vollkommen souveräner
Staat, auf der Basis gleicher Berechtigung mit dem Nachbarstaate
Deutschland sich verbünden 1). Das Ministerium hat die Ausfüh-
rung des ersten Punktes für unmöglich erachtet, und sich für den
zweiten entschieden. Sehen wir, welche Entwickelungen sich daran
reihen werden.

Wien 2. December. ( A. Z. ) Fürst Windischgrätz wurde
gestern Nachmittag plötzlich zu Sr. Maj. dem Kaiser nach Olmütz
berufen, da von Seite Ungarns Vergleichsanträge
gemacht worden sind.
Gebe der Himmel, daß es gelinge,
diese Angelegenheit auf friedliche Weise zu lösen! -- Der Auf-
bruch des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich zur
Armee ist abermals verschoben, da die Voranstalten zur Verpro-
viantirung der kaiserlichen Armee in Ungarn sowie die Bespan-
nung der Artillerie noch manches erheischen.

Dem "Oesterreichischen Lloyd" vom 2. December zufolge war
in Wien das Gerücht verbreitet, Klausenburg sey von den
k. k. Truppen besetzt und Preßburg habe sich ergeben. Die
Szekler hätten eine bedeutende Niederlage erlitten.

Prag 3. December ( Nachm. drei Uhr. ) So eben wird die
Abdankung des Kaisers bekannt. Der neue Kaiser von Oesterreich
Franz II. hat erklärt, daß er das Programm des Mi-
nisteriums zu seinem eigenen mache.
Die Proclama-
tion erscheint noch heute im Laufe des Nachmittags. Als Grund
der Abdankung wird angegeben, daß der Kaiser Ferdinand in
der ungarischen Frage sich in zu viel Widersprüche verwickelt
habe. [ Der einfachste Grund ist wohl der, daß in Oesterreich
Alles neu werden soll und Kaiser Ferdinand sein müdes Haupt
zur Ruhe legen will. ]

Kremsier 2. December. Der Reichstagspräsident Smolka
empfing heute Morgen eine telegraphische Depesche des Minister-
präsidenten aus Olmütz, in welchem ihm aufgetragen wurde,
die Deputirten um 12 Uhr Mittags zu einer außerordentlichen,
höchst wichtigen Sitzung einzuladen, welcher sämmtliche Minister
beiwohnen würden. Um 3 / 4 auf 2 Uhr sind alle Minister an-
wesend und der Präsident eröffnet die Sitzung. Nun begibt sich
Fürst Schwarzenberg ( der Ministerpräsident ) , auf die Redner-
bühne und zeigt dem Reichstage an, daß Se. Maj.
der Kaiser Ferdinand
I. zu Gunsten seines Neffen
des Erzherzogs Franz Joseph abdicirt habe.
Der
Bruder Sr. Maj., welcher der präsumtive Thronfolger war,
der Erzherzog Franz Karl, hat auf seine Rechte verzichtet und
sein Sohn, Franz Joseph I. besteigt den Thron von Oesterreich.
Die Mitglieder der k. Familie, die Großwürdenträger der Mo-
narchie, die Generäle Windischgrätz und Jellachich und Baron
Hügel ( als Protokollführer ) waren bei dem feierlichen Acte der
Abdicationserklärung zugegen. Der Minister Schwarzenberg
[Ende Spaltensatz]

1) Eine dritte Alternative hat der Correspondent übersehen: Gebet
die deutsche Kaiserkrone an Oesterreich!
[Beginn Spaltensatz]

Die Zukunft ist uns verhüllt, aber wir können uns des Ge-
dankens nicht erwehren, daß wenn die Monarchie in Deutschland,
in ganz Mitteleuropa eine Zukunft hat, sie an das Haupt dieses
kaiserlichen Jünglings geknüpft ist. Vielleicht ist die Zeit nicht
fern, wo es sich zeigt, daß diese unsere Ahnung, die jetzt vielleicht
von Vielen verlacht wird, nicht getrogen hat.

Ferdinands, des Gütigen, kranke schwache Hand hat den
Scepter dem hoffnungsreichsten, blühendsten Sprößlinge seines
viel gesegneten Hauses übergeben, er hat es ungezwungen, in voll-
kommener Freiheit gethan, und das ist von unendlicher Bedeutung.
Da wo ein Monarch gezwungen das Regiment seinem Nachfolger
überträgt, ist die Monarchie selbst mehr als erschüttert. Ferdinand
hat aber seinem Nachfolger die Krone nicht blos frei und unge-
zwungen, er hat sie auch in dem Augenblicke übergeben, wo die
Monarchie nach Ueberwindung ihrer Gegner neu gekräftigt da-
steht. —

Die Ordnung und das Ansehen der gesetzlichen Autoritäten
ist so gut als hergestellt, von all' dem Blute aber, das es gekostet,
von all' dem Frevel, der von solchen Katastrophen unzertrennlich,
klebt kein Tropfen, haftet kein Schatten an dem reinen Jünglinge.

Allein nicht blos die Ordnung findet er vor, sondern auch ein
volksthümliches Ministerium, und ohne Zweifel wird er ganz
bald mit dem Reichstage nach Wien zurückkehren.

Es ließe sich hier eine merkwürdige Parallele ziehen. Drei Dinge
hat der Frankfurter Reichstag von Preußen verlangt, daß die
Ordnung in Berlin hergestellt, hierauf sofort der Reichstag in
der Hauptstadt wieder eröffnet werde und ein volksthümliches Mi-
nisterium an die Spitze der Verwaltung trete. Diese drei Forde-
rungen sind nicht erfüllt; in Oesterreich sind sie so gut als erfüllt,
ohne daß sie gefordert wurden, — und ein junger Kaiser steht an
der Spitze, und alle Zeichen deuten darauf hin, daß Alles unter
ihm jung und neu wird werden.

Wenn irgendwo die Monarchie, diese Staatsform, unter wel-
cher alle abendländischen, insbesondere alle germanischen Völker
seit Anbeginn ihrer Geschichte gelebt, starke und gesunde Wurzeln
hat, so ist es in den der Masse nach noch urkräftigen Völkern
Oesterreichs der Fall, und wenn es irgendwo ein vollsthümliches
Fürstengeschlecht gibt, so ist es Habsburg. Zwei Dinge zeichnen
dieses Geschlecht vor allen anderen aus, zwei Vorzüge, die nicht
abgeleugnet werden können. Kein Unrecht, keine Usurpation haftet
im großen Ganzen an ihrer Herrschaft, und das Geschlecht ist bis
heute noch unvergiftet von der Pest der Sittenlosigkeit und hoch-
müthiger Herrschsucht, der so viele KÖnigsgeschlechter zum Opfer
gefallen sind. Von jeher hat dies Haus mehr Unrecht gelitten, als
geübt. Der junge Kaiser, unschuldig, edel, tugendhaft, wie wir
aus den untrüglichsten Zeugnissen wissen, dabei reich begabt, ge-
sund an Leib und Seele, zählt keinen Usurpator, keinen Tyran-
nen, keinen von der Geschichte gebrandmarkten Wüstling unter
seinen Ahnen. Was die Fürsten dieses Hauses gefehlt haben, —
es war menschlich gefehlt, aber es war nicht gefrevelt — und
jedes gerechte Gericht muß anerkennen, daß sie unendlich mehr
Gutes, als Uebles gethan, mehr erbaut, als geschädigt, in einem
noch weit höheren Maße aber das Gute gewollt haben.

Mögen der junge Kaiser und seine Räthe auch den hohen Be-
ruf Oesterreichs in Deutschland erkennen, mögen sie wahrhaft
deutsch seyn! Und auch hier erfüllt uns die Vergangenheit des
Hauses Habsburg mit Trost: denn seit seinem Stammherrn Ru-
dolph, der Deutschland aus der Anarchie des Jnterregnums ge-
rettet und dadurch des deutschen Reiches zweiter Gründer gewor-
den ist, bis zur Auflösung des Reiches, war — ohne allen Wider-
streit — unter allen deutschen Fürstenhäusern Habsburg das
Deutscheste, ja recht eigentlich der einzige Hort der deutschen Größe
und Einheit. Wir hegen die Zuversicht, daß auch für die Zukunft
die gute Natur, die geschichtliche Nothwendigkeit, die Wahrheit
und die Huld der Vorsehung mächtiger seyn werde, als die Par-
teileidenschaften, der Stolz und die Jrrthümer der Menschen.



Deutschland.

Wien 30. November. ( A. Z. ) Auch in Wien hat das Pro-
gramm des neuen Cabinets allgemeine Anerkennung gefunden.
Es soll damit nicht gesagt seyn, daß die Politik unseres Cabinets
bezüglich Jtaliens, Ungarns und Deutschlands, nicht eine Menge
Gegner fände. Aber man weiß endlich einmal mit Bestimmtheit,
woran man ist. Was man früher schwankend und tastend erra-
then mußte und schon seines geheimnißvollen Ursprunges wegen
anfeindete und tadelte, ist jetzt klar und unumwunden ausgesprochen,
mit einer Offenheit, welche von Muth zeugt, und mit einer Festig-
keit, welche sich auf eine halbe Million Bajonette stützt. Alles in
allem genommen, ist es eine kaum wegzuläugnende Thatsache, daß
[Spaltenumbruch] die erste officielle Mittheilung des Ministeriums als der politische
Gesinnungsausdruck der großen Majorität des österreichischen
Volkes betrachtet werden kann. Jn der italienischen Frage hätten
Viele eine andere Lösung gewünscht, aber wie die Sachen jetzt
stehen, schien für den österreichischen Staatsmann schwer eine
andere Lösung möglich. Ueber Ungarns Verhältniß zu Oesterreich
und die Unausführbarkeit Kossuth'scher Phantasien konnte die
Meinung verständiger Politiker wohl nie zweifelhaft seyn. Sie
wissen, daß ich einer der Ersten war, der die Nothwendigkeit der
jetzt eingeschlagenen Politik gegenüber dem Magyarenthume aus-
führlich darlegte. Am meisten Widersacher wird der wichtigste
Punkt des Programmes, das Verhältniß Oesterreichs zu Deutsch-
land berührend, finden. Daß nach den bestimmten Ausdrücken
des ministeriellen Actenstückes von einem Lostrennen einzelner
Provinzen der Monarchie hinfort im Sinne des Cabinets ebenso-
wenig die Rede seyn kann, als von einem unbedingten Unterord-
nen Oesterreichs unter die deutsche Centralgewalt, wie sie jetzt
besteht, liegt klar am Tage. Sie wissen, daß die Feststellung eines
beide Theile befriedigenden Verhältnisses Oesterreichs zu Deutsch-
land ein Problem ist, an dessen Lösung bis jetzt der Verstand der
Verständigsten scheiterte. Jn keiner der großen Fragen des Tages
hat so viel Begriffsverwirrung geherrscht als in dieser. Die ver-
ständigeren, mit den hiesigen Zuständen vertrauten Publicisten
haben immer gewußt, daß jegliche Zersplitterung des Kaiserstaa-
tes für Oesterreich sowohl wie für Deutschland nur unabsehbares
Unglück zur Folge haben würde. Die Nothwendigkeit der Auf-
rechthaltung eines starken und einigen Oesterreichs wird selbst in
Deutschland von der großen Mehrzahl der Urtheilsfähigen aner-
kannt. Die Lösung der Frage war in letzter Zeit so weit vorge-
rückt, daß man einsah, es bleibe nur die Alternative: ganz
Oesterreich müsse sich der deutschen Centralgewalt unterordnen,
oder es müsse als ein selbstständiger, vollkommen souveräner
Staat, auf der Basis gleicher Berechtigung mit dem Nachbarstaate
Deutschland sich verbünden 1). Das Ministerium hat die Ausfüh-
rung des ersten Punktes für unmöglich erachtet, und sich für den
zweiten entschieden. Sehen wir, welche Entwickelungen sich daran
reihen werden.

Wien 2. December. ( A. Z. ) Fürst Windischgrätz wurde
gestern Nachmittag plötzlich zu Sr. Maj. dem Kaiser nach Olmütz
berufen, da von Seite Ungarns Vergleichsanträge
gemacht worden sind.
Gebe der Himmel, daß es gelinge,
diese Angelegenheit auf friedliche Weise zu lösen! — Der Auf-
bruch des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich zur
Armee ist abermals verschoben, da die Voranstalten zur Verpro-
viantirung der kaiserlichen Armee in Ungarn sowie die Bespan-
nung der Artillerie noch manches erheischen.

Dem „Oesterreichischen Lloyd“ vom 2. December zufolge war
in Wien das Gerücht verbreitet, Klausenburg sey von den
k. k. Truppen besetzt und Preßburg habe sich ergeben. Die
Szekler hätten eine bedeutende Niederlage erlitten.

Prag 3. December ( Nachm. drei Uhr. ) So eben wird die
Abdankung des Kaisers bekannt. Der neue Kaiser von Oesterreich
Franz II. hat erklärt, daß er das Programm des Mi-
nisteriums zu seinem eigenen mache.
Die Proclama-
tion erscheint noch heute im Laufe des Nachmittags. Als Grund
der Abdankung wird angegeben, daß der Kaiser Ferdinand in
der ungarischen Frage sich in zu viel Widersprüche verwickelt
habe. [ Der einfachste Grund ist wohl der, daß in Oesterreich
Alles neu werden soll und Kaiser Ferdinand sein müdes Haupt
zur Ruhe legen will. ]

Kremsier 2. December. Der Reichstagspräsident Smolka
empfing heute Morgen eine telegraphische Depesche des Minister-
präsidenten aus Olmütz, in welchem ihm aufgetragen wurde,
die Deputirten um 12 Uhr Mittags zu einer außerordentlichen,
höchst wichtigen Sitzung einzuladen, welcher sämmtliche Minister
beiwohnen würden. Um 3 / 4 auf 2 Uhr sind alle Minister an-
wesend und der Präsident eröffnet die Sitzung. Nun begibt sich
Fürst Schwarzenberg ( der Ministerpräsident ) , auf die Redner-
bühne und zeigt dem Reichstage an, daß Se. Maj.
der Kaiser Ferdinand
I. zu Gunsten seines Neffen
des Erzherzogs Franz Joseph abdicirt habe.
Der
Bruder Sr. Maj., welcher der präsumtive Thronfolger war,
der Erzherzog Franz Karl, hat auf seine Rechte verzichtet und
sein Sohn, Franz Joseph I. besteigt den Thron von Oesterreich.
Die Mitglieder der k. Familie, die Großwürdenträger der Mo-
narchie, die Generäle Windischgrätz und Jellachich und Baron
Hügel ( als Protokollführer ) waren bei dem feierlichen Acte der
Abdicationserklärung zugegen. Der Minister Schwarzenberg
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1) Eine dritte Alternative hat der Correspondent übersehen: Gebet
die deutsche Kaiserkrone an Oesterreich!
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[0002] Die Zukunft ist uns verhüllt, aber wir können uns des Ge- dankens nicht erwehren, daß wenn die Monarchie in Deutschland, in ganz Mitteleuropa eine Zukunft hat, sie an das Haupt dieses kaiserlichen Jünglings geknüpft ist. Vielleicht ist die Zeit nicht fern, wo es sich zeigt, daß diese unsere Ahnung, die jetzt vielleicht von Vielen verlacht wird, nicht getrogen hat. Ferdinands, des Gütigen, kranke schwache Hand hat den Scepter dem hoffnungsreichsten, blühendsten Sprößlinge seines viel gesegneten Hauses übergeben, er hat es ungezwungen, in voll- kommener Freiheit gethan, und das ist von unendlicher Bedeutung. Da wo ein Monarch gezwungen das Regiment seinem Nachfolger überträgt, ist die Monarchie selbst mehr als erschüttert. Ferdinand hat aber seinem Nachfolger die Krone nicht blos frei und unge- zwungen, er hat sie auch in dem Augenblicke übergeben, wo die Monarchie nach Ueberwindung ihrer Gegner neu gekräftigt da- steht. — Die Ordnung und das Ansehen der gesetzlichen Autoritäten ist so gut als hergestellt, von all' dem Blute aber, das es gekostet, von all' dem Frevel, der von solchen Katastrophen unzertrennlich, klebt kein Tropfen, haftet kein Schatten an dem reinen Jünglinge. Allein nicht blos die Ordnung findet er vor, sondern auch ein volksthümliches Ministerium, und ohne Zweifel wird er ganz bald mit dem Reichstage nach Wien zurückkehren. Es ließe sich hier eine merkwürdige Parallele ziehen. Drei Dinge hat der Frankfurter Reichstag von Preußen verlangt, daß die Ordnung in Berlin hergestellt, hierauf sofort der Reichstag in der Hauptstadt wieder eröffnet werde und ein volksthümliches Mi- nisterium an die Spitze der Verwaltung trete. Diese drei Forde- rungen sind nicht erfüllt; in Oesterreich sind sie so gut als erfüllt, ohne daß sie gefordert wurden, — und ein junger Kaiser steht an der Spitze, und alle Zeichen deuten darauf hin, daß Alles unter ihm jung und neu wird werden. Wenn irgendwo die Monarchie, diese Staatsform, unter wel- cher alle abendländischen, insbesondere alle germanischen Völker seit Anbeginn ihrer Geschichte gelebt, starke und gesunde Wurzeln hat, so ist es in den der Masse nach noch urkräftigen Völkern Oesterreichs der Fall, und wenn es irgendwo ein vollsthümliches Fürstengeschlecht gibt, so ist es Habsburg. Zwei Dinge zeichnen dieses Geschlecht vor allen anderen aus, zwei Vorzüge, die nicht abgeleugnet werden können. Kein Unrecht, keine Usurpation haftet im großen Ganzen an ihrer Herrschaft, und das Geschlecht ist bis heute noch unvergiftet von der Pest der Sittenlosigkeit und hoch- müthiger Herrschsucht, der so viele KÖnigsgeschlechter zum Opfer gefallen sind. Von jeher hat dies Haus mehr Unrecht gelitten, als geübt. Der junge Kaiser, unschuldig, edel, tugendhaft, wie wir aus den untrüglichsten Zeugnissen wissen, dabei reich begabt, ge- sund an Leib und Seele, zählt keinen Usurpator, keinen Tyran- nen, keinen von der Geschichte gebrandmarkten Wüstling unter seinen Ahnen. Was die Fürsten dieses Hauses gefehlt haben, — es war menschlich gefehlt, aber es war nicht gefrevelt — und jedes gerechte Gericht muß anerkennen, daß sie unendlich mehr Gutes, als Uebles gethan, mehr erbaut, als geschädigt, in einem noch weit höheren Maße aber das Gute gewollt haben. Mögen der junge Kaiser und seine Räthe auch den hohen Be- ruf Oesterreichs in Deutschland erkennen, mögen sie wahrhaft deutsch seyn! Und auch hier erfüllt uns die Vergangenheit des Hauses Habsburg mit Trost: denn seit seinem Stammherrn Ru- dolph, der Deutschland aus der Anarchie des Jnterregnums ge- rettet und dadurch des deutschen Reiches zweiter Gründer gewor- den ist, bis zur Auflösung des Reiches, war — ohne allen Wider- streit — unter allen deutschen Fürstenhäusern Habsburg das Deutscheste, ja recht eigentlich der einzige Hort der deutschen Größe und Einheit. Wir hegen die Zuversicht, daß auch für die Zukunft die gute Natur, die geschichtliche Nothwendigkeit, die Wahrheit und die Huld der Vorsehung mächtiger seyn werde, als die Par- teileidenschaften, der Stolz und die Jrrthümer der Menschen. Deutschland. Wien 30. November. ( A. Z. ) Auch in Wien hat das Pro- gramm des neuen Cabinets allgemeine Anerkennung gefunden. Es soll damit nicht gesagt seyn, daß die Politik unseres Cabinets bezüglich Jtaliens, Ungarns und Deutschlands, nicht eine Menge Gegner fände. Aber man weiß endlich einmal mit Bestimmtheit, woran man ist. Was man früher schwankend und tastend erra- then mußte und schon seines geheimnißvollen Ursprunges wegen anfeindete und tadelte, ist jetzt klar und unumwunden ausgesprochen, mit einer Offenheit, welche von Muth zeugt, und mit einer Festig- keit, welche sich auf eine halbe Million Bajonette stützt. Alles in allem genommen, ist es eine kaum wegzuläugnende Thatsache, daß die erste officielle Mittheilung des Ministeriums als der politische Gesinnungsausdruck der großen Majorität des österreichischen Volkes betrachtet werden kann. Jn der italienischen Frage hätten Viele eine andere Lösung gewünscht, aber wie die Sachen jetzt stehen, schien für den österreichischen Staatsmann schwer eine andere Lösung möglich. Ueber Ungarns Verhältniß zu Oesterreich und die Unausführbarkeit Kossuth'scher Phantasien konnte die Meinung verständiger Politiker wohl nie zweifelhaft seyn. Sie wissen, daß ich einer der Ersten war, der die Nothwendigkeit der jetzt eingeschlagenen Politik gegenüber dem Magyarenthume aus- führlich darlegte. Am meisten Widersacher wird der wichtigste Punkt des Programmes, das Verhältniß Oesterreichs zu Deutsch- land berührend, finden. Daß nach den bestimmten Ausdrücken des ministeriellen Actenstückes von einem Lostrennen einzelner Provinzen der Monarchie hinfort im Sinne des Cabinets ebenso- wenig die Rede seyn kann, als von einem unbedingten Unterord- nen Oesterreichs unter die deutsche Centralgewalt, wie sie jetzt besteht, liegt klar am Tage. Sie wissen, daß die Feststellung eines beide Theile befriedigenden Verhältnisses Oesterreichs zu Deutsch- land ein Problem ist, an dessen Lösung bis jetzt der Verstand der Verständigsten scheiterte. Jn keiner der großen Fragen des Tages hat so viel Begriffsverwirrung geherrscht als in dieser. Die ver- ständigeren, mit den hiesigen Zuständen vertrauten Publicisten haben immer gewußt, daß jegliche Zersplitterung des Kaiserstaa- tes für Oesterreich sowohl wie für Deutschland nur unabsehbares Unglück zur Folge haben würde. Die Nothwendigkeit der Auf- rechthaltung eines starken und einigen Oesterreichs wird selbst in Deutschland von der großen Mehrzahl der Urtheilsfähigen aner- kannt. Die Lösung der Frage war in letzter Zeit so weit vorge- rückt, daß man einsah, es bleibe nur die Alternative: ganz Oesterreich müsse sich der deutschen Centralgewalt unterordnen, oder es müsse als ein selbstständiger, vollkommen souveräner Staat, auf der Basis gleicher Berechtigung mit dem Nachbarstaate Deutschland sich verbünden 1). Das Ministerium hat die Ausfüh- rung des ersten Punktes für unmöglich erachtet, und sich für den zweiten entschieden. Sehen wir, welche Entwickelungen sich daran reihen werden. Wien 2. December. ( A. Z. ) Fürst Windischgrätz wurde gestern Nachmittag plötzlich zu Sr. Maj. dem Kaiser nach Olmütz berufen, da von Seite Ungarns Vergleichsanträge gemacht worden sind. Gebe der Himmel, daß es gelinge, diese Angelegenheit auf friedliche Weise zu lösen! — Der Auf- bruch des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich zur Armee ist abermals verschoben, da die Voranstalten zur Verpro- viantirung der kaiserlichen Armee in Ungarn sowie die Bespan- nung der Artillerie noch manches erheischen. Dem „Oesterreichischen Lloyd“ vom 2. December zufolge war in Wien das Gerücht verbreitet, Klausenburg sey von den k. k. Truppen besetzt und Preßburg habe sich ergeben. Die Szekler hätten eine bedeutende Niederlage erlitten. Prag 3. December ( Nachm. drei Uhr. ) So eben wird die Abdankung des Kaisers bekannt. Der neue Kaiser von Oesterreich Franz II. hat erklärt, daß er das Programm des Mi- nisteriums zu seinem eigenen mache. Die Proclama- tion erscheint noch heute im Laufe des Nachmittags. Als Grund der Abdankung wird angegeben, daß der Kaiser Ferdinand in der ungarischen Frage sich in zu viel Widersprüche verwickelt habe. [ Der einfachste Grund ist wohl der, daß in Oesterreich Alles neu werden soll und Kaiser Ferdinand sein müdes Haupt zur Ruhe legen will. ] Kremsier 2. December. Der Reichstagspräsident Smolka empfing heute Morgen eine telegraphische Depesche des Minister- präsidenten aus Olmütz, in welchem ihm aufgetragen wurde, die Deputirten um 12 Uhr Mittags zu einer außerordentlichen, höchst wichtigen Sitzung einzuladen, welcher sämmtliche Minister beiwohnen würden. Um 3 / 4 auf 2 Uhr sind alle Minister an- wesend und der Präsident eröffnet die Sitzung. Nun begibt sich Fürst Schwarzenberg ( der Ministerpräsident ) , auf die Redner- bühne und zeigt dem Reichstage an, daß Se. Maj. der Kaiser Ferdinand I. zu Gunsten seines Neffen des Erzherzogs Franz Joseph abdicirt habe. Der Bruder Sr. Maj., welcher der präsumtive Thronfolger war, der Erzherzog Franz Karl, hat auf seine Rechte verzichtet und sein Sohn, Franz Joseph I. besteigt den Thron von Oesterreich. Die Mitglieder der k. Familie, die Großwürdenträger der Mo- narchie, die Generäle Windischgrätz und Jellachich und Baron Hügel ( als Protokollführer ) waren bei dem feierlichen Acte der Abdicationserklärung zugegen. Der Minister Schwarzenberg 1) Eine dritte Alternative hat der Correspondent übersehen: Gebet die deutsche Kaiserkrone an Oesterreich!

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 158. Mainz, 7. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal158_1848/2>, abgerufen am 30.05.2024.