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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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zu entschuldigenden Vorliebe immer nur die schwereren
und solche Uebungen machten, die ihre volle Kraft und
Geschicklichkeit in Anspruch nahmen, so blieben die
höchst nothwendigen Vorübungen ungekannt. Was die
andern aber sahen, erschien zu schwierig, zu gefährlich, so
daß nur wenige der schon ohnehin kräftigen und gewandte-
ren Jünglinge sich mit dem Turnen befreundeten und,
trotz mancher Aufmunterung von Seiten der Lehrer,
unser Geräth gar oft lange vereinsamt dastand.

So fristete das Turnen bei uns nur eine küm-
merliche Existenz, bis es durch eine Verfügung des
Königl. Provinzial-Schul-Collegii zu Kbg. d. d. 28.
Oktober 1837 neues Leben gewann. Jn dieser hieß
es nämlich also: "Für die äußere Haltung nicht min-
der, als für das körperliche Gedeihen und für die gei-
stige Bildung ist es von entschiedenem Werthe, wenn
die Zöglinge in gymnastischen Uebungen sich mehrfach
versuchen und ist deshalb auf baldige Einleitung die-
ser Uebungen Bedacht zu nehmen."

Da dieser Befehl zugleich die Erlaubniß in sich
schloß, dem Turnen eine Stelle in dem Lehrplane
und der regelmäßigen Schulzeit einzuräumen,
so machten wir uns um so lieber sogleich an die Be-
folgung desselben, als die Anstalt zu Michael neue
Zöglinge aufnimmt, und man schon an der Art, wie
viele derselben eine anstaltliche Treppe auf- und abstei-
gen, es deutlich erkennen kann, wie sehr solche Uebun-
gen ihnen Noth thun. Noch mehr aber schien in diä-
tetischer Hinsicht es uns wichtig, auch den Winter
hindurch gymnastische Uebungen zu treiben.

Denn da in dieser Jahreszeit fast durchgängig die
ganze Tageshelle von den Unterrichtsstunden in An-
spruch genommen wird, so sind schon hiedurch regel-
mäßige Spaziergänge ziemlich unmöglich gemacht; nimmt
man aber hiezu noch die häufige Ungangbarkeit der
Wege, den leider nur zu oft vorhandenen Mangel an
Fuß- und anderer Bekleidung, so wie die bei dringen-
der Arbeit sehr zu entschuldigende Abneigung gegen

zu entſchuldigenden Vorliebe immer nur die ſchwereren
und ſolche Uebungen machten, die ihre volle Kraft und
Geſchicklichkeit in Anſpruch nahmen, ſo blieben die
höchſt nothwendigen Vorübungen ungekannt. Was die
andern aber ſahen, erſchien zu ſchwierig, zu gefährlich, ſo
daß nur wenige der ſchon ohnehin kräftigen und gewandte-
ren Jünglinge ſich mit dem Turnen befreundeten und,
trotz mancher Aufmunterung von Seiten der Lehrer,
unſer Geräth gar oft lange vereinſamt daſtand.

So friſtete das Turnen bei uns nur eine küm-
merliche Exiſtenz, bis es durch eine Verfügung des
Königl. Provinzial-Schul-Collegii zu Kbg. d. d. 28.
Oktober 1837 neues Leben gewann. Jn dieſer hieß
es nämlich alſo: „Für die äußere Haltung nicht min-
der, als für das körperliche Gedeihen und für die gei-
ſtige Bildung iſt es von entſchiedenem Werthe, wenn
die Zöglinge in gymnaſtiſchen Uebungen ſich mehrfach
verſuchen und iſt deshalb auf baldige Einleitung die-
ſer Uebungen Bedacht zu nehmen.“

Da dieſer Befehl zugleich die Erlaubniß in ſich
ſchloß, dem Turnen eine Stelle in dem Lehrplane
und der regelmäßigen Schulzeit einzuräumen,
ſo machten wir uns um ſo lieber ſogleich an die Be-
folgung deſſelben, als die Anſtalt zu Michael neue
Zöglinge aufnimmt, und man ſchon an der Art, wie
viele derſelben eine anſtaltliche Treppe auf- und abſtei-
gen, es deutlich erkennen kann, wie ſehr ſolche Uebun-
gen ihnen Noth thun. Noch mehr aber ſchien in diä-
tetiſcher Hinſicht es uns wichtig, auch den Winter
hindurch gymnaſtiſche Uebungen zu treiben.

Denn da in dieſer Jahreszeit faſt durchgängig die
ganze Tageshelle von den Unterrichtsſtunden in An-
ſpruch genommen wird, ſo ſind ſchon hiedurch regel-
mäßige Spaziergänge ziemlich unmöglich gemacht; nimmt
man aber hiezu noch die häufige Ungangbarkeit der
Wege, den leider nur zu oft vorhandenen Mangel an
Fuß- und anderer Bekleidung, ſo wie die bei dringen-
der Arbeit ſehr zu entſchuldigende Abneigung gegen

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[70/0074] zu entſchuldigenden Vorliebe immer nur die ſchwereren und ſolche Uebungen machten, die ihre volle Kraft und Geſchicklichkeit in Anſpruch nahmen, ſo blieben die höchſt nothwendigen Vorübungen ungekannt. Was die andern aber ſahen, erſchien zu ſchwierig, zu gefährlich, ſo daß nur wenige der ſchon ohnehin kräftigen und gewandte- ren Jünglinge ſich mit dem Turnen befreundeten und, trotz mancher Aufmunterung von Seiten der Lehrer, unſer Geräth gar oft lange vereinſamt daſtand. So friſtete das Turnen bei uns nur eine küm- merliche Exiſtenz, bis es durch eine Verfügung des Königl. Provinzial-Schul-Collegii zu Kbg. d. d. 28. Oktober 1837 neues Leben gewann. Jn dieſer hieß es nämlich alſo: „Für die äußere Haltung nicht min- der, als für das körperliche Gedeihen und für die gei- ſtige Bildung iſt es von entſchiedenem Werthe, wenn die Zöglinge in gymnaſtiſchen Uebungen ſich mehrfach verſuchen und iſt deshalb auf baldige Einleitung die- ſer Uebungen Bedacht zu nehmen.“ Da dieſer Befehl zugleich die Erlaubniß in ſich ſchloß, dem Turnen eine Stelle in dem Lehrplane und der regelmäßigen Schulzeit einzuräumen, ſo machten wir uns um ſo lieber ſogleich an die Be- folgung deſſelben, als die Anſtalt zu Michael neue Zöglinge aufnimmt, und man ſchon an der Art, wie viele derſelben eine anſtaltliche Treppe auf- und abſtei- gen, es deutlich erkennen kann, wie ſehr ſolche Uebun- gen ihnen Noth thun. Noch mehr aber ſchien in diä- tetiſcher Hinſicht es uns wichtig, auch den Winter hindurch gymnaſtiſche Uebungen zu treiben. Denn da in dieſer Jahreszeit faſt durchgängig die ganze Tageshelle von den Unterrichtsſtunden in An- ſpruch genommen wird, ſo ſind ſchon hiedurch regel- mäßige Spaziergänge ziemlich unmöglich gemacht; nimmt man aber hiezu noch die häufige Ungangbarkeit der Wege, den leider nur zu oft vorhandenen Mangel an Fuß- und anderer Bekleidung, ſo wie die bei dringen- der Arbeit ſehr zu entſchuldigende Abneigung gegen

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/74>, abgerufen am 27.04.2024.