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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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ein anscheinend zweckloses Umhergehen: so wird man
sich wohl nicht wundern, daß solche junge Leute selbst
an Sonntags-Nachmittagen, zu jener nicht einmal aus-
reichenden Bewegung nur schwer zu bestimmen sind.
Ueberdies dürften Spaziergänge in Masse für die Sitt-
lichkeit eben so gefahrbringend, als, wenigstens bei
schlechten Wegen, unbequem, ja unausführbar sein; sie
aber stets unter der Leitung eines anstaltlichen Lehrers
machen wollen, hieße doch wahrlich die persönliche Frei-
heit zu sehr beschränken und letzteren Ungebührliches zu-
muthen. Und doch thut gerade in der Winterszeit tüchtige
körperliche Bewegung den jungen Leuten vorzugsweise
Noth, da dieses Semester die Hauptarbeitszeit ist, das
anhaltende Sitzen aber bei dünnem Lichte oder dampfi-
ger Lampe und am Tage selbst bei meist geschlossenen
Fenstern nur zu leicht Congestionen des Blutes nach der
Brust und dem Kopfe verursacht, und so außer Unter-
leibsbeschwerden eine Menge Krankheiten der edelsten
Organe, namentlich der Augen und Lungen herbeizufüh-
ren, so wie auch gegen jeden Wechsel der Witterung
äußerst reizbar, für ansteckende Hautausschläge sehr
empfänglich zu machen pflegt.

Solche und ähnliche Gründe, verbunden mit
der Rücksicht, daß auf diesem Wege allein die den
Volksschulen nöthigen Turnlehrer vorgebildet werden
möchten, drängten uns zu dem Entschlusse, sofort Hand
ans Werk zu legen.

Da es bei wöchentlich 36 Unterrichtsstunden,
-- die für Jnstrumental-Musik ungerechnet, -- nicht
rathsam sein dürfte, deren Anzahl noch zu vermehren,
so wurden jeder der drei Seminar-Abtheilungen 2 der
entbehrlichsten Lehrstunden gestrichen, für das Turnen
bestimmt, und dieses aus naheliegenden Gründen im
Winter von 11 -- 12, im Sommer von 4 -- 5 Uhr,
-- stets also innerhalb unserer gewöhnlichen Schulzeit! --
angesetzt. Einer der jüngern und rüstigsten Lehrer über-
nahm, wenngleich er bis dahin noch nicht selbst ge-
turnt hatte, unter dem Beirathe des Directors und

ein anſcheinend zweckloſes Umhergehen: ſo wird man
ſich wohl nicht wundern, daß ſolche junge Leute ſelbſt
an Sonntags-Nachmittagen, zu jener nicht einmal aus-
reichenden Bewegung nur ſchwer zu beſtimmen ſind.
Ueberdies dürften Spaziergänge in Maſſe für die Sitt-
lichkeit eben ſo gefahrbringend, als, wenigſtens bei
ſchlechten Wegen, unbequem, ja unausführbar ſein; ſie
aber ſtets unter der Leitung eines anſtaltlichen Lehrers
machen wollen, hieße doch wahrlich die perſönliche Frei-
heit zu ſehr beſchränken und letzteren Ungebührliches zu-
muthen. Und doch thut gerade in der Winterszeit tüchtige
körperliche Bewegung den jungen Leuten vorzugsweiſe
Noth, da dieſes Semeſter die Hauptarbeitszeit iſt, das
anhaltende Sitzen aber bei dünnem Lichte oder dampfi-
ger Lampe und am Tage ſelbſt bei meiſt geſchloſſenen
Fenſtern nur zu leicht Congeſtionen des Blutes nach der
Bruſt und dem Kopfe verurſacht, und ſo außer Unter-
leibsbeſchwerden eine Menge Krankheiten der edelſten
Organe, namentlich der Augen und Lungen herbeizufüh-
ren, ſo wie auch gegen jeden Wechſel der Witterung
äußerſt reizbar, für anſteckende Hautausſchläge ſehr
empfänglich zu machen pflegt.

Solche und ähnliche Gründe, verbunden mit
der Rückſicht, daß auf dieſem Wege allein die den
Volksſchulen nöthigen Turnlehrer vorgebildet werden
möchten, drängten uns zu dem Entſchluſſe, ſofort Hand
ans Werk zu legen.

Da es bei wöchentlich 36 Unterrichtsſtunden,
— die für Jnſtrumental-Muſik ungerechnet, — nicht
rathſam ſein dürfte, deren Anzahl noch zu vermehren,
ſo wurden jeder der drei Seminar-Abtheilungen 2 der
entbehrlichſten Lehrſtunden geſtrichen, für das Turnen
beſtimmt, und dieſes aus naheliegenden Gründen im
Winter von 11 — 12, im Sommer von 4 — 5 Uhr,
— ſtets alſo innerhalb unſerer gewöhnlichen Schulzeit! —
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nahm, wenngleich er bis dahin noch nicht ſelbſt ge-
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[71/0075] ein anſcheinend zweckloſes Umhergehen: ſo wird man ſich wohl nicht wundern, daß ſolche junge Leute ſelbſt an Sonntags-Nachmittagen, zu jener nicht einmal aus- reichenden Bewegung nur ſchwer zu beſtimmen ſind. Ueberdies dürften Spaziergänge in Maſſe für die Sitt- lichkeit eben ſo gefahrbringend, als, wenigſtens bei ſchlechten Wegen, unbequem, ja unausführbar ſein; ſie aber ſtets unter der Leitung eines anſtaltlichen Lehrers machen wollen, hieße doch wahrlich die perſönliche Frei- heit zu ſehr beſchränken und letzteren Ungebührliches zu- muthen. Und doch thut gerade in der Winterszeit tüchtige körperliche Bewegung den jungen Leuten vorzugsweiſe Noth, da dieſes Semeſter die Hauptarbeitszeit iſt, das anhaltende Sitzen aber bei dünnem Lichte oder dampfi- ger Lampe und am Tage ſelbſt bei meiſt geſchloſſenen Fenſtern nur zu leicht Congeſtionen des Blutes nach der Bruſt und dem Kopfe verurſacht, und ſo außer Unter- leibsbeſchwerden eine Menge Krankheiten der edelſten Organe, namentlich der Augen und Lungen herbeizufüh- ren, ſo wie auch gegen jeden Wechſel der Witterung äußerſt reizbar, für anſteckende Hautausſchläge ſehr empfänglich zu machen pflegt. Solche und ähnliche Gründe, verbunden mit der Rückſicht, daß auf dieſem Wege allein die den Volksſchulen nöthigen Turnlehrer vorgebildet werden möchten, drängten uns zu dem Entſchluſſe, ſofort Hand ans Werk zu legen. Da es bei wöchentlich 36 Unterrichtsſtunden, — die für Jnſtrumental-Muſik ungerechnet, — nicht rathſam ſein dürfte, deren Anzahl noch zu vermehren, ſo wurden jeder der drei Seminar-Abtheilungen 2 der entbehrlichſten Lehrſtunden geſtrichen, für das Turnen beſtimmt, und dieſes aus naheliegenden Gründen im Winter von 11 — 12, im Sommer von 4 — 5 Uhr, — ſtets alſo innerhalb unſerer gewöhnlichen Schulzeit! — angeſetzt. Einer der jüngern und rüſtigſten Lehrer über- nahm, wenngleich er bis dahin noch nicht ſelbſt ge- turnt hatte, unter dem Beirathe des Directors und

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/75>, abgerufen am 27.04.2024.