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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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anstalt sein, aber kein Freudenhaus. Hier soll erzo-
gen werden der Körper in seiner Einheit und in sei-
nem Verhältniß zum Geist; der Wille soll in Zucht
genommen werden, das Gemüth aber gekräftigt. Nur
so bildet sich der Mensch, nur so sein Charakter.
Dadurch ward Hellas die Lehrerin der Menschheit und
die ewige Roma groß. Und wie wird dies? Nicht
durch Lehren und Reden auf dem Turnplatz; durch den
Geist der Oeffentlichkeit, durch den Geist des Ganzen.
Jch berufe mich hier, um nicht mißverstanden zu wer-
den auf unser Heerwesen.

Wann wird dies werden? Wird der Staat vor
den vielen politischen Fragezeichen endlich einmal an
das Fragezeichen kommen, das beim Turnwesen steht?
Wie es auch werden mag, etwas muß geschehen, aber
für jede Schulanstalt einen Turnplatz in allen mögli-
chen Ausgaben, immer aber in Taschenausgaben, wün-
sche ich nur unsern Erbfeinden in Ost und West. Soll
aber etwas geschehen, so muß auch hier das Volk in
seinen Vertretern mit der That vorangehen. Und
die wäre? Jch will es kurz sagen: Eine Provin-
zial-Turnanstalt auf Aktien, von den Land-
ständen ins Leben gerufen!
Man entgegenrede
mir nicht: Das geht nicht! Alles Gute geht, wenn
man ernstlich will. Auch ist dies Mittel so sehr neu
nicht. Blicken wir hin auf die Völker, in denen das
Volksbewußtsein frisch grünt. Die Polen in Posen er-
richten Erziehungsanstalten, die von den polnischen Land-
ständen ins Leben gerufen und erhalten werden, und
unter ihrer Aufsicht stehen. Ungarn, das große Mag-
natenland, hat seit mehreren Jahren in Pesth durch sei-
ne Magnaten eine "National-Turnanstalt" auf Aktien
erbaut, und die passenden Lehrer angestellt, und für
deren sichere Stellung gesorgt. Von England wollen
wir nicht sprechen, denn dort giebt es seit 1825 beson-
dere Turnanstalten, um kräftige und gewandte Dienst-
boten zu bilden, zu geschweigen der Anstalten für bei-

anſtalt ſein, aber kein Freudenhaus. Hier ſoll erzo-
gen werden der Körper in ſeiner Einheit und in ſei-
nem Verhältniß zum Geiſt; der Wille ſoll in Zucht
genommen werden, das Gemüth aber gekräftigt. Nur
ſo bildet ſich der Menſch, nur ſo ſein Charakter.
Dadurch ward Hellas die Lehrerin der Menſchheit und
die ewige Roma groß. Und wie wird dies? Nicht
durch Lehren und Reden auf dem Turnplatz; durch den
Geiſt der Oeffentlichkeit, durch den Geiſt des Ganzen.
Jch berufe mich hier, um nicht mißverſtanden zu wer-
den auf unſer Heerweſen.

Wann wird dies werden? Wird der Staat vor
den vielen politiſchen Fragezeichen endlich einmal an
das Fragezeichen kommen, das beim Turnweſen ſteht?
Wie es auch werden mag, etwas muß geſchehen, aber
für jede Schulanſtalt einen Turnplatz in allen mögli-
chen Ausgaben, immer aber in Taſchenausgaben, wün-
ſche ich nur unſern Erbfeinden in Oſt und Weſt. Soll
aber etwas geſchehen, ſo muß auch hier das Volk in
ſeinen Vertretern mit der That vorangehen. Und
die wäre? Jch will es kurz ſagen: Eine Provin-
zial-Turnanſtalt auf Aktien, von den Land-
ſtänden ins Leben gerufen!
Man entgegenrede
mir nicht: Das geht nicht! Alles Gute geht, wenn
man ernſtlich will. Auch iſt dies Mittel ſo ſehr neu
nicht. Blicken wir hin auf die Völker, in denen das
Volksbewußtſein friſch grünt. Die Polen in Poſen er-
richten Erziehungsanſtalten, die von den polniſchen Land-
ſtänden ins Leben gerufen und erhalten werden, und
unter ihrer Aufſicht ſtehen. Ungarn, das große Mag-
natenland, hat ſeit mehreren Jahren in Peſth durch ſei-
ne Magnaten eine „National-Turnanſtalt“ auf Aktien
erbaut, und die paſſenden Lehrer angeſtellt, und für
deren ſichere Stellung geſorgt. Von England wollen
wir nicht ſprechen, denn dort giebt es ſeit 1825 beſon-
dere Turnanſtalten, um kräftige und gewandte Dienſt-
boten zu bilden, zu geſchweigen der Anſtalten für bei-

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[87/0091] anſtalt ſein, aber kein Freudenhaus. Hier ſoll erzo- gen werden der Körper in ſeiner Einheit und in ſei- nem Verhältniß zum Geiſt; der Wille ſoll in Zucht genommen werden, das Gemüth aber gekräftigt. Nur ſo bildet ſich der Menſch, nur ſo ſein Charakter. Dadurch ward Hellas die Lehrerin der Menſchheit und die ewige Roma groß. Und wie wird dies? Nicht durch Lehren und Reden auf dem Turnplatz; durch den Geiſt der Oeffentlichkeit, durch den Geiſt des Ganzen. Jch berufe mich hier, um nicht mißverſtanden zu wer- den auf unſer Heerweſen. Wann wird dies werden? Wird der Staat vor den vielen politiſchen Fragezeichen endlich einmal an das Fragezeichen kommen, das beim Turnweſen ſteht? Wie es auch werden mag, etwas muß geſchehen, aber für jede Schulanſtalt einen Turnplatz in allen mögli- chen Ausgaben, immer aber in Taſchenausgaben, wün- ſche ich nur unſern Erbfeinden in Oſt und Weſt. Soll aber etwas geſchehen, ſo muß auch hier das Volk in ſeinen Vertretern mit der That vorangehen. Und die wäre? Jch will es kurz ſagen: Eine Provin- zial-Turnanſtalt auf Aktien, von den Land- ſtänden ins Leben gerufen! Man entgegenrede mir nicht: Das geht nicht! Alles Gute geht, wenn man ernſtlich will. Auch iſt dies Mittel ſo ſehr neu nicht. Blicken wir hin auf die Völker, in denen das Volksbewußtſein friſch grünt. Die Polen in Poſen er- richten Erziehungsanſtalten, die von den polniſchen Land- ſtänden ins Leben gerufen und erhalten werden, und unter ihrer Aufſicht ſtehen. Ungarn, das große Mag- natenland, hat ſeit mehreren Jahren in Peſth durch ſei- ne Magnaten eine „National-Turnanſtalt“ auf Aktien erbaut, und die paſſenden Lehrer angeſtellt, und für deren ſichere Stellung geſorgt. Von England wollen wir nicht ſprechen, denn dort giebt es ſeit 1825 beſon- dere Turnanſtalten, um kräftige und gewandte Dienſt- boten zu bilden, zu geſchweigen der Anſtalten für bei-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/91>, abgerufen am 27.04.2024.