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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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Das Volksbewußtsein verlangt überall etwas
Tüchtiges, so auch in Beziehung des Turnwesens.
Diesem Verlangen ist nun durch jenes Königliche Wort
entsprochen worden, aber nur theilweise. Cs verlangt
noch eine That: Sicherstellung der Turnsache
und ihrer Vertreter,
sowie Allgemeinzugänglich-
machung der wohlthätigen Wirkungen der körperlichen
Erziehung und Bildung, was alles durch jenes König-
liche Wort erst in Aussicht gestellt worden.

Jst die Lage der Volkslehrer überhaupt keine
Beglückwünschungswerthe, so besonders die der Turn-
lehrer. Jeder Turnlehrer, der wirken will, der in dem
Turnwesen nicht eine Vergnügungs-, Erholungs- und
Abrichtungsanstalt, sondern ein Volkserziehungswesen
erblicket, jeder solcher Turnlehrer sieht, ohne Geld und
Gold, in der Unstetigkeit des ewigen Juden, sein eige-
nes Bild. Durch keine Behörde, königliche wie städti-
sche, und eben so wenig durch das rege Volksbewußt-
sein ist der Turnlehrer gesichert. Was namentlich die per-
sönlich thätige Theilnahme im Volke betrifft, so will
man die Sache, aber will selbst nichts dafür thun;
man wartet, ob der Nachbar nicht etwa die Güte hat.
So haben denn die Turnlehrer zu wenig zum Leben,
aber zu viel zum Sterben; viel Arbeit und wenig Le-
bensmittel; -- sie altern vor der Zeit. Das Turnen,
so nach Herodikos, Hippokrates, Gallen und Hufeland
sonst wohl für Jeden ein Lebensverlängerungsmittel,
wird nur für sie ein Lebensverkürzungsmittel.

Was ist zu thun? Um Gottes willen ja keine
Winkelturnanstalten, d. h. wo jede Schulanstalt für
sich ihren Turnplatz in so und so viel verkleinertem
Maßstabe besitzet. Oeffentlich muß es sein das Turnen,
der Lehrer muß ein öffentlicher sein, es und er, er und
es müssen unabhängig dastehen von den einzelnen An-
stalten, unabhängig von der jedesmaligen Laune des
Publikums, abhängig nur von der vorgesetzten Schul-
behörde. Die Turnanstalt soll eine Volkserziehungs-

Das Volksbewußtſein verlangt überall etwas
Tüchtiges, ſo auch in Beziehung des Turnweſens.
Dieſem Verlangen iſt nun durch jenes Königliche Wort
entſprochen worden, aber nur theilweiſe. Cs verlangt
noch eine That: Sicherſtellung der Turnſache
und ihrer Vertreter,
ſowie Allgemeinzugänglich-
machung der wohlthätigen Wirkungen der körperlichen
Erziehung und Bildung, was alles durch jenes König-
liche Wort erſt in Ausſicht geſtellt worden.

Jſt die Lage der Volkslehrer überhaupt keine
Beglückwünſchungswerthe, ſo beſonders die der Turn-
lehrer. Jeder Turnlehrer, der wirken will, der in dem
Turnweſen nicht eine Vergnügungs-, Erholungs- und
Abrichtungsanſtalt, ſondern ein Volkserziehungsweſen
erblicket, jeder ſolcher Turnlehrer ſieht, ohne Geld und
Gold, in der Unſtetigkeit des ewigen Juden, ſein eige-
nes Bild. Durch keine Behörde, königliche wie ſtädti-
ſche, und eben ſo wenig durch das rege Volksbewußt-
ſein iſt der Turnlehrer geſichert. Was namentlich die per-
ſönlich thätige Theilnahme im Volke betrifft, ſo will
man die Sache, aber will ſelbſt nichts dafür thun;
man wartet, ob der Nachbar nicht etwa die Güte hat.
So haben denn die Turnlehrer zu wenig zum Leben,
aber zu viel zum Sterben; viel Arbeit und wenig Le-
bensmittel; — ſie altern vor der Zeit. Das Turnen,
ſo nach Herodikos, Hippokrates, Gallen und Hufeland
ſonſt wohl für Jeden ein Lebensverlängerungsmittel,
wird nur für ſie ein Lebensverkürzungsmittel.

Was iſt zu thun? Um Gottes willen ja keine
Winkelturnanſtalten, d. h. wo jede Schulanſtalt für
ſich ihren Turnplatz in ſo und ſo viel verkleinertem
Maßſtabe beſitzet. Oeffentlich muß es ſein das Turnen,
der Lehrer muß ein öffentlicher ſein, es und er, er und
es müſſen unabhängig daſtehen von den einzelnen An-
ſtalten, unabhängig von der jedesmaligen Laune des
Publikums, abhängig nur von der vorgeſetzten Schul-
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[86/0090] Das Volksbewußtſein verlangt überall etwas Tüchtiges, ſo auch in Beziehung des Turnweſens. Dieſem Verlangen iſt nun durch jenes Königliche Wort entſprochen worden, aber nur theilweiſe. Cs verlangt noch eine That: Sicherſtellung der Turnſache und ihrer Vertreter, ſowie Allgemeinzugänglich- machung der wohlthätigen Wirkungen der körperlichen Erziehung und Bildung, was alles durch jenes König- liche Wort erſt in Ausſicht geſtellt worden. Jſt die Lage der Volkslehrer überhaupt keine Beglückwünſchungswerthe, ſo beſonders die der Turn- lehrer. Jeder Turnlehrer, der wirken will, der in dem Turnweſen nicht eine Vergnügungs-, Erholungs- und Abrichtungsanſtalt, ſondern ein Volkserziehungsweſen erblicket, jeder ſolcher Turnlehrer ſieht, ohne Geld und Gold, in der Unſtetigkeit des ewigen Juden, ſein eige- nes Bild. Durch keine Behörde, königliche wie ſtädti- ſche, und eben ſo wenig durch das rege Volksbewußt- ſein iſt der Turnlehrer geſichert. Was namentlich die per- ſönlich thätige Theilnahme im Volke betrifft, ſo will man die Sache, aber will ſelbſt nichts dafür thun; man wartet, ob der Nachbar nicht etwa die Güte hat. So haben denn die Turnlehrer zu wenig zum Leben, aber zu viel zum Sterben; viel Arbeit und wenig Le- bensmittel; — ſie altern vor der Zeit. Das Turnen, ſo nach Herodikos, Hippokrates, Gallen und Hufeland ſonſt wohl für Jeden ein Lebensverlängerungsmittel, wird nur für ſie ein Lebensverkürzungsmittel. Was iſt zu thun? Um Gottes willen ja keine Winkelturnanſtalten, d. h. wo jede Schulanſtalt für ſich ihren Turnplatz in ſo und ſo viel verkleinertem Maßſtabe beſitzet. Oeffentlich muß es ſein das Turnen, der Lehrer muß ein öffentlicher ſein, es und er, er und es müſſen unabhängig daſtehen von den einzelnen An- ſtalten, unabhängig von der jedesmaligen Laune des Publikums, abhängig nur von der vorgeſetzten Schul- behörde. Die Turnanſtalt ſoll eine Volkserziehungs-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/90>, abgerufen am 27.04.2024.