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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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unterbrochen, die von einer uralten Eiche
herzukommen schienen. Alle Blicke richteten
sich dahin, und man sah einen Jüngling in
einfacher, aber fremder Tracht stehen, der ei¬
ne Laute im Arm hielt, und ruhig in seinem
Gesange fortfuhr, indem er jedoch, wie der
König seinen Blick nach ihm wandte, eine
tiefe Verbeugung machte. Die Stimme war
außerordentlich schön, und der Gesang trug
ein fremdes, wunderbares Gepräge. Er
handelte von dem Ursprunge der Welt, von
der Entstehung der Gestirne, der Pflanzen,
Thiere und Menschen, von der allmächtigen
Sympathie der Natur, von der uralten gol¬
denen Zeit und ihren Beherrscherinnen, der
Liebe und Poesie, von der Erscheinung des
Hasses und der Barbarey und ihren Kämp¬
fen mit jenen wohlthätigen Göttinnen, und
endlich von dem zukünftigen Triumph der
letztern, dem Ende der Trübsale, der Verjün¬

unterbrochen, die von einer uralten Eiche
herzukommen ſchienen. Alle Blicke richteten
ſich dahin, und man ſah einen Jüngling in
einfacher, aber fremder Tracht ſtehen, der ei¬
ne Laute im Arm hielt, und ruhig in ſeinem
Geſange fortfuhr, indem er jedoch, wie der
König ſeinen Blick nach ihm wandte, eine
tiefe Verbeugung machte. Die Stimme war
außerordentlich ſchön, und der Geſang trug
ein fremdes, wunderbares Gepräge. Er
handelte von dem Urſprunge der Welt, von
der Entſtehung der Geſtirne, der Pflanzen,
Thiere und Menſchen, von der allmächtigen
Sympathie der Natur, von der uralten gol¬
denen Zeit und ihren Beherrſcherinnen, der
Liebe und Poeſie, von der Erſcheinung des
Haſſes und der Barbarey und ihren Kämp¬
fen mit jenen wohlthätigen Göttinnen, und
endlich von dem zukünftigen Triumph der
letztern, dem Ende der Trübſale, der Verjün¬

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[93/0101] unterbrochen, die von einer uralten Eiche herzukommen ſchienen. Alle Blicke richteten ſich dahin, und man ſah einen Jüngling in einfacher, aber fremder Tracht ſtehen, der ei¬ ne Laute im Arm hielt, und ruhig in ſeinem Geſange fortfuhr, indem er jedoch, wie der König ſeinen Blick nach ihm wandte, eine tiefe Verbeugung machte. Die Stimme war außerordentlich ſchön, und der Geſang trug ein fremdes, wunderbares Gepräge. Er handelte von dem Urſprunge der Welt, von der Entſtehung der Geſtirne, der Pflanzen, Thiere und Menſchen, von der allmächtigen Sympathie der Natur, von der uralten gol¬ denen Zeit und ihren Beherrſcherinnen, der Liebe und Poeſie, von der Erſcheinung des Haſſes und der Barbarey und ihren Kämp¬ fen mit jenen wohlthätigen Göttinnen, und endlich von dem zukünftigen Triumph der letztern, dem Ende der Trübſale, der Verjün¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/101>, abgerufen am 08.05.2024.