ihn über die Unebenheiten der Erdoberfläche, die in der Höhe so unbeträchtlich erschienen, so wild und unersteiglich sie auch dem Wan¬ derer vorkamen. Zulima ging still neben ihm her, und führte das Kind. Heinrich trug die Laute. Er suchte die sinkende Hoffnung sei¬ ner Begleiterinn, ihr Vaterland dereinst wie¬ der zu sehn, zu beleben, indem er innerlich einen heftigen Beruf fühlte, ihr Retter zu seyn, ohne zu wissen, auf welche Art es ge¬ schehen könne. Eine besondere Kraft schien in seinen einfachen Worten zu liegen, denn Zu¬ lima empfand eine ungewohnte Beruhigung und dankte ihm für seine Zusprache auf die rührendste Weise. Die Ritter waren noch bey ihren Bechern und die Mutter in häus¬ lichen Gesprächen. Heinrich hatte keine Lust in den lärmenden Saal zurückzugehn. Er fühlte sich müde, und begab sich bald mit seiner Mutter in das angewiesene Schlafge¬
ihn über die Unebenheiten der Erdoberfläche, die in der Höhe ſo unbeträchtlich erſchienen, ſo wild und unerſteiglich ſie auch dem Wan¬ derer vorkamen. Zulima ging ſtill neben ihm her, und führte das Kind. Heinrich trug die Laute. Er ſuchte die ſinkende Hoffnung ſei¬ ner Begleiterinn, ihr Vaterland dereinſt wie¬ der zu ſehn, zu beleben, indem er innerlich einen heftigen Beruf fühlte, ihr Retter zu ſeyn, ohne zu wiſſen, auf welche Art es ge¬ ſchehen könne. Eine beſondere Kraft ſchien in ſeinen einfachen Worten zu liegen, denn Zu¬ lima empfand eine ungewohnte Beruhigung und dankte ihm für ſeine Zuſprache auf die rührendſte Weiſe. Die Ritter waren noch bey ihren Bechern und die Mutter in häus¬ lichen Geſprächen. Heinrich hatte keine Luſt in den lärmenden Saal zurückzugehn. Er fühlte ſich müde, und begab ſich bald mit ſeiner Mutter in das angewieſene Schlafge¬
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ihn über die Unebenheiten der Erdoberfläche,
die in der Höhe ſo unbeträchtlich erſchienen,
ſo wild und unerſteiglich ſie auch dem Wan¬
derer vorkamen. Zulima ging ſtill neben ihm
her, und führte das Kind. Heinrich trug die
Laute. Er ſuchte die ſinkende Hoffnung ſei¬
ner Begleiterinn, ihr Vaterland dereinſt wie¬
der zu ſehn, zu beleben, indem er innerlich
einen heftigen Beruf fühlte, ihr Retter zu
ſeyn, ohne zu wiſſen, auf welche Art es ge¬
ſchehen könne. Eine beſondere Kraft ſchien in
ſeinen einfachen Worten zu liegen, denn Zu¬
lima empfand eine ungewohnte Beruhigung
und dankte ihm für ſeine Zuſprache auf die
rührendſte Weiſe. Die Ritter waren noch
bey ihren Bechern und die Mutter in häus¬
lichen Geſprächen. Heinrich hatte keine Luſt
in den lärmenden Saal zurückzugehn. Er
fühlte ſich müde, und begab ſich bald mit
ſeiner Mutter in das angewieſene Schlafge¬
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/133>, abgerufen am 08.05.2024.
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