bald in eine beträchtliche Tiefe. Mir war seltsam feyerlich zu Muthe, und das vordern Licht funkelte wie ein glücklicher Stern, der mir den Weg zu den verborgenen Schatzkam¬ mern der Natur zeigte. Wir kamen unten in einen Irrgarten von Gängen, und mein freundlicher Meister ward nicht müde meine neugierigen Fragen zu beantworten, und mich über seine Kunst zu unterrichten. Das Rauschen des Wassers, die Entfernung von der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit und Verschlungenheit der Gänge, und das entfernte Geräusch der arbeitenden Bergleute ergötzte mich ungemein, und ich fühlte nun mit Freuden mich im vollen Besitz dessen, was von jeher mein sehnlichster Wunsch ge¬ wesen war. Es läßt sich auch diese volle Be¬ friedigung eines angebornen Wunsches, diese wundersame Freude an Dingen, die ein nähe¬ res Verhältniß zu unserm geheimen Daseyn
bald in eine beträchtliche Tiefe. Mir war ſeltſam feyerlich zu Muthe, und das vordern Licht funkelte wie ein glücklicher Stern, der mir den Weg zu den verborgenen Schatzkam¬ mern der Natur zeigte. Wir kamen unten in einen Irrgarten von Gängen, und mein freundlicher Meiſter ward nicht müde meine neugierigen Fragen zu beantworten, und mich über ſeine Kunſt zu unterrichten. Das Rauſchen des Waſſers, die Entfernung von der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit und Verſchlungenheit der Gänge, und das entfernte Geräuſch der arbeitenden Bergleute ergötzte mich ungemein, und ich fühlte nun mit Freuden mich im vollen Beſitz deſſen, was von jeher mein ſehnlichſter Wunſch ge¬ weſen war. Es läßt ſich auch dieſe volle Be¬ friedigung eines angebornen Wunſches, dieſe wunderſame Freude an Dingen, die ein nähe¬ res Verhältniß zu unſerm geheimen Daſeyn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0145"n="137"/>
bald in eine beträchtliche Tiefe. Mir war<lb/>ſeltſam feyerlich zu Muthe, und das vordern<lb/>
Licht funkelte wie ein glücklicher Stern, der<lb/>
mir den Weg zu den verborgenen Schatzkam¬<lb/>
mern der Natur zeigte. Wir kamen unten<lb/>
in einen Irrgarten von Gängen, und mein<lb/>
freundlicher Meiſter ward nicht müde meine<lb/>
neugierigen Fragen zu beantworten, und<lb/>
mich über ſeine Kunſt zu unterrichten. Das<lb/>
Rauſchen des Waſſers, die Entfernung von<lb/>
der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit<lb/>
und Verſchlungenheit der Gänge, und das<lb/>
entfernte Geräuſch der arbeitenden Bergleute<lb/>
ergötzte mich ungemein, und ich fühlte nun<lb/>
mit Freuden mich im vollen Beſitz deſſen,<lb/>
was von jeher mein ſehnlichſter Wunſch ge¬<lb/>
weſen war. Es läßt ſich auch dieſe volle Be¬<lb/>
friedigung eines angebornen Wunſches, dieſe<lb/>
wunderſame Freude an Dingen, die ein nähe¬<lb/>
res Verhältniß zu unſerm geheimen Daſeyn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[137/0145]
bald in eine beträchtliche Tiefe. Mir war
ſeltſam feyerlich zu Muthe, und das vordern
Licht funkelte wie ein glücklicher Stern, der
mir den Weg zu den verborgenen Schatzkam¬
mern der Natur zeigte. Wir kamen unten
in einen Irrgarten von Gängen, und mein
freundlicher Meiſter ward nicht müde meine
neugierigen Fragen zu beantworten, und
mich über ſeine Kunſt zu unterrichten. Das
Rauſchen des Waſſers, die Entfernung von
der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit
und Verſchlungenheit der Gänge, und das
entfernte Geräuſch der arbeitenden Bergleute
ergötzte mich ungemein, und ich fühlte nun
mit Freuden mich im vollen Beſitz deſſen,
was von jeher mein ſehnlichſter Wunſch ge¬
weſen war. Es läßt ſich auch dieſe volle Be¬
friedigung eines angebornen Wunſches, dieſe
wunderſame Freude an Dingen, die ein nähe¬
res Verhältniß zu unſerm geheimen Daſeyn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/145>, abgerufen am 08.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.