Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

oder herzt seine Frau und Kinder, und er¬
götzt sich dankbar an der schönen Gabe des
traulichen Gesprächs!

Sein einsames Geschäft sondert ihn vom
Tage und dem Umgange mit Menschen einen
großen Theil seines Lebens ab. Er gewöhnt
sich nicht zu einer stumpfen Gleichgültigkeit
gegen diese überirdischen tiefsinnigen Dinge
und behält die kindliche Stimmung, in der
ihm alles mit seinem eigenthümlichsten Geiste
und in seiner ursprünglichen bunten Wunder¬
barkeit erscheint. Die Natur will nicht der
ausschließliche Besitz eines Einzigen seyn. Als
Eigenthum verwandelt sie sich in ein böses
Gift, was die Ruhe verscheucht, und die ver¬
derbliche Lust, alles in diesen Kreis des Be¬
sitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬
endlichen Sorgen und wilden Leidenschaften
herbeylockt. So untergräbt sie heimlich
den Grund des Eigenthümers, und begräbt

oder herzt ſeine Frau und Kinder, und er¬
götzt ſich dankbar an der ſchönen Gabe des
traulichen Geſprächs!

Sein einſames Geſchäft ſondert ihn vom
Tage und dem Umgange mit Menſchen einen
großen Theil ſeines Lebens ab. Er gewöhnt
ſich nicht zu einer ſtumpfen Gleichgültigkeit
gegen dieſe überirdiſchen tiefſinnigen Dinge
und behält die kindliche Stimmung, in der
ihm alles mit ſeinem eigenthümlichſten Geiſte
und in ſeiner urſprünglichen bunten Wunder¬
barkeit erſcheint. Die Natur will nicht der
ausſchließliche Beſitz eines Einzigen ſeyn. Als
Eigenthum verwandelt ſie ſich in ein böſes
Gift, was die Ruhe verſcheucht, und die ver¬
derbliche Luſt, alles in dieſen Kreis des Be¬
ſitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬
endlichen Sorgen und wilden Leidenſchaften
herbeylockt. So untergräbt ſie heimlich
den Grund des Eigenthümers, und begräbt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0154" n="146"/>
oder herzt &#x017F;eine Frau und Kinder, und er¬<lb/>
götzt &#x017F;ich dankbar an der &#x017F;chönen Gabe des<lb/>
traulichen Ge&#x017F;prächs!</p><lb/>
            <p>Sein ein&#x017F;ames Ge&#x017F;chäft &#x017F;ondert ihn vom<lb/>
Tage und dem Umgange mit Men&#x017F;chen einen<lb/>
großen Theil &#x017F;eines Lebens ab. Er gewöhnt<lb/>
&#x017F;ich nicht zu einer &#x017F;tumpfen Gleichgültigkeit<lb/>
gegen die&#x017F;e überirdi&#x017F;chen tief&#x017F;innigen Dinge<lb/>
und behält die kindliche Stimmung, in der<lb/>
ihm alles mit &#x017F;einem eigenthümlich&#x017F;ten Gei&#x017F;te<lb/>
und in &#x017F;einer ur&#x017F;prünglichen bunten Wunder¬<lb/>
barkeit er&#x017F;cheint. Die Natur will nicht der<lb/>
aus&#x017F;chließliche Be&#x017F;itz eines Einzigen &#x017F;eyn. Als<lb/>
Eigenthum verwandelt &#x017F;ie &#x017F;ich in ein bö&#x017F;es<lb/>
Gift, was die Ruhe ver&#x017F;cheucht, und die ver¬<lb/>
derbliche Lu&#x017F;t, alles in die&#x017F;en Kreis des Be¬<lb/>
&#x017F;itzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬<lb/>
endlichen Sorgen und wilden Leiden&#x017F;chaften<lb/>
herbeylockt. So untergräbt &#x017F;ie heimlich<lb/>
den Grund des Eigenthümers, und begräbt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0154] oder herzt ſeine Frau und Kinder, und er¬ götzt ſich dankbar an der ſchönen Gabe des traulichen Geſprächs! Sein einſames Geſchäft ſondert ihn vom Tage und dem Umgange mit Menſchen einen großen Theil ſeines Lebens ab. Er gewöhnt ſich nicht zu einer ſtumpfen Gleichgültigkeit gegen dieſe überirdiſchen tiefſinnigen Dinge und behält die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit ſeinem eigenthümlichſten Geiſte und in ſeiner urſprünglichen bunten Wunder¬ barkeit erſcheint. Die Natur will nicht der ausſchließliche Beſitz eines Einzigen ſeyn. Als Eigenthum verwandelt ſie ſich in ein böſes Gift, was die Ruhe verſcheucht, und die ver¬ derbliche Luſt, alles in dieſen Kreis des Be¬ ſitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬ endlichen Sorgen und wilden Leidenſchaften herbeylockt. So untergräbt ſie heimlich den Grund des Eigenthümers, und begräbt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/154
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/154>, abgerufen am 04.05.2024.