Seltsam ist nur hiebey, daß zwar diese schö¬ nen Spuren, zum Andenken der Gegenwart jener wohlthätigen Menschen, geblieben sind, aber entweder ihre Kunst, oder jene zarte Gefühligkeit der Natur verlohren gegangen ist. In diesen Zeiten hat es sich unter an¬ dern einmal zugetragen, daß einer jener son¬ derbaren Dichter oder mehr Tonkünstler -- wiewohl die Musik und Poesie wohl ziemlich eins seyn mögen und vielleicht eben so zu¬ sammen gehören, wie Mund und Ohr, da der erste nur ein bewegliches und antworten¬ des Ohr ist -- daß also dieser Tonkünstler übers Meer in ein fremdes Land reisen wollte. Er war reich an schönen Kleinodien und köstlichen Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt worden waren. Er fand ein Schiff am Ufer, und die Leute darinn schienen bereitwillig, ihn für den verheißenen Lohn nach der ver¬ langten Gegend zu fahren. Der Glanz und
Seltſam iſt nur hiebey, daß zwar dieſe ſchö¬ nen Spuren, zum Andenken der Gegenwart jener wohlthätigen Menſchen, geblieben ſind, aber entweder ihre Kunſt, oder jene zarte Gefühligkeit der Natur verlohren gegangen iſt. In dieſen Zeiten hat es ſich unter an¬ dern einmal zugetragen, daß einer jener ſon¬ derbaren Dichter oder mehr Tonkünſtler — wiewohl die Muſik und Poeſie wohl ziemlich eins ſeyn mögen und vielleicht eben ſo zu¬ ſammen gehören, wie Mund und Ohr, da der erſte nur ein bewegliches und antworten¬ des Ohr iſt — daß alſo dieſer Tonkünſtler übers Meer in ein fremdes Land reiſen wollte. Er war reich an ſchönen Kleinodien und köſtlichen Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt worden waren. Er fand ein Schiff am Ufer, und die Leute darinn ſchienen bereitwillig, ihn für den verheißenen Lohn nach der ver¬ langten Gegend zu fahren. Der Glanz und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0063"n="55"/>
Seltſam iſt nur hiebey, daß zwar dieſe ſchö¬<lb/>
nen Spuren, zum Andenken der Gegenwart<lb/>
jener wohlthätigen Menſchen, geblieben ſind,<lb/>
aber entweder ihre Kunſt, oder jene zarte<lb/>
Gefühligkeit der Natur verlohren gegangen<lb/>
iſt. In dieſen Zeiten hat es ſich unter an¬<lb/>
dern einmal zugetragen, daß einer jener ſon¬<lb/>
derbaren Dichter oder mehr Tonkünſtler —<lb/>
wiewohl die Muſik und Poeſie wohl ziemlich<lb/>
eins ſeyn mögen und vielleicht eben ſo zu¬<lb/>ſammen gehören, wie Mund und Ohr, da<lb/>
der erſte nur ein bewegliches und antworten¬<lb/>
des Ohr iſt — daß alſo dieſer Tonkünſtler übers<lb/>
Meer in ein fremdes Land reiſen wollte. Er<lb/>
war reich an ſchönen Kleinodien und köſtlichen<lb/>
Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt<lb/>
worden waren. Er fand ein Schiff am Ufer,<lb/>
und die Leute darinn ſchienen bereitwillig,<lb/>
ihn für den verheißenen Lohn nach der ver¬<lb/>
langten Gegend zu fahren. Der Glanz und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[55/0063]
Seltſam iſt nur hiebey, daß zwar dieſe ſchö¬
nen Spuren, zum Andenken der Gegenwart
jener wohlthätigen Menſchen, geblieben ſind,
aber entweder ihre Kunſt, oder jene zarte
Gefühligkeit der Natur verlohren gegangen
iſt. In dieſen Zeiten hat es ſich unter an¬
dern einmal zugetragen, daß einer jener ſon¬
derbaren Dichter oder mehr Tonkünſtler —
wiewohl die Muſik und Poeſie wohl ziemlich
eins ſeyn mögen und vielleicht eben ſo zu¬
ſammen gehören, wie Mund und Ohr, da
der erſte nur ein bewegliches und antworten¬
des Ohr iſt — daß alſo dieſer Tonkünſtler übers
Meer in ein fremdes Land reiſen wollte. Er
war reich an ſchönen Kleinodien und köſtlichen
Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt
worden waren. Er fand ein Schiff am Ufer,
und die Leute darinn ſchienen bereitwillig,
ihn für den verheißenen Lohn nach der ver¬
langten Gegend zu fahren. Der Glanz und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/63>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.