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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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chens Wohlgefallen, obwohl sie das hübscheste Mädchen
im Dorfe war, zu erregen. Als er am Kindtaufsmahl
neben Suschen saß, dachte er schon darüber nach, wie
er ihr bei ehester Gelegenheit, vielleicht noch an dem-
selben Abend sagen wolle, wie herzlich lieb er sie habe,
und er zitterte schon vor Wonne dem Moment entgegen,
wo er sie werde als sein Bräutchen küssen dürfen --
da auf einmal mußte dieser Johannes kommen! --
Unser Schullehrer war, wie gesagt, nicht übertrieben
eitel, er mußte gestehen, noch nie einen schönern Jüng-
ling gesehen zu haben, als diesen Johannes, und daß er
selbst mit ihm durchaus in diesem Punkt gar keinen Ver-
gleich aushalte. Und dieser schöne Mensch war nicht etwa
als ein Fremdling gekommen, sondern als Suschens
Gespiele, er schien alte Rechte auf ihre Freundschaft gel-
tend machen zu können -- sie selbst hatte ihm dies ge-
stattet, hatte ihm ganz zärtlich die Hand gedrückt und
war gegen ihn nicht halb so zurückhaltend gewesen, wie
gegen unsern Schullehrer. Sehr traurig war er Abends
von der Kindtaufe nach Hause gegangen, die erst so
glücklich für ihn begonnen hatte. Ein ordentlicher Trost
wär' es ihm gewesen, wenn er den Johannes hätte
hassen oder wenigstens etwas an ihm auszusetzen fin-
den können -- er fand aber Nichts, außer eben jener
Vertraulichkeit mit Suschen, die er ihm auch wieder

chens Wohlgefallen, obwohl ſie das huͤbſcheſte Maͤdchen
im Dorfe war, zu erregen. Als er am Kindtaufsmahl
neben Suschen ſaß, dachte er ſchon daruͤber nach, wie
er ihr bei eheſter Gelegenheit, vielleicht noch an dem-
ſelben Abend ſagen wolle, wie herzlich lieb er ſie habe,
und er zitterte ſchon vor Wonne dem Moment entgegen,
wo er ſie werde als ſein Braͤutchen kuͤſſen duͤrfen —
da auf einmal mußte dieſer Johannes kommen! —
Unſer Schullehrer war, wie geſagt, nicht uͤbertrieben
eitel, er mußte geſtehen, noch nie einen ſchoͤnern Juͤng-
ling geſehen zu haben, als dieſen Johannes, und daß er
ſelbſt mit ihm durchaus in dieſem Punkt gar keinen Ver-
gleich aushalte. Und dieſer ſchoͤne Menſch war nicht etwa
als ein Fremdling gekommen, ſondern als Suschens
Geſpiele, er ſchien alte Rechte auf ihre Freundſchaft gel-
tend machen zu koͤnnen — ſie ſelbſt hatte ihm dies ge-
ſtattet, hatte ihm ganz zaͤrtlich die Hand gedruͤckt und
war gegen ihn nicht halb ſo zuruͤckhaltend geweſen, wie
gegen unſern Schullehrer. Sehr traurig war er Abends
von der Kindtaufe nach Hauſe gegangen, die erſt ſo
gluͤcklich fuͤr ihn begonnen hatte. Ein ordentlicher Troſt
waͤr’ es ihm geweſen, wenn er den Johannes haͤtte
haſſen oder wenigſtens etwas an ihm auszuſetzen fin-
den koͤnnen — er fand aber Nichts, außer eben jener
Vertraulichkeit mit Suschen, die er ihm auch wieder

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[94/0102] chens Wohlgefallen, obwohl ſie das huͤbſcheſte Maͤdchen im Dorfe war, zu erregen. Als er am Kindtaufsmahl neben Suschen ſaß, dachte er ſchon daruͤber nach, wie er ihr bei eheſter Gelegenheit, vielleicht noch an dem- ſelben Abend ſagen wolle, wie herzlich lieb er ſie habe, und er zitterte ſchon vor Wonne dem Moment entgegen, wo er ſie werde als ſein Braͤutchen kuͤſſen duͤrfen — da auf einmal mußte dieſer Johannes kommen! — Unſer Schullehrer war, wie geſagt, nicht uͤbertrieben eitel, er mußte geſtehen, noch nie einen ſchoͤnern Juͤng- ling geſehen zu haben, als dieſen Johannes, und daß er ſelbſt mit ihm durchaus in dieſem Punkt gar keinen Ver- gleich aushalte. Und dieſer ſchoͤne Menſch war nicht etwa als ein Fremdling gekommen, ſondern als Suschens Geſpiele, er ſchien alte Rechte auf ihre Freundſchaft gel- tend machen zu koͤnnen — ſie ſelbſt hatte ihm dies ge- ſtattet, hatte ihm ganz zaͤrtlich die Hand gedruͤckt und war gegen ihn nicht halb ſo zuruͤckhaltend geweſen, wie gegen unſern Schullehrer. Sehr traurig war er Abends von der Kindtaufe nach Hauſe gegangen, die erſt ſo gluͤcklich fuͤr ihn begonnen hatte. Ein ordentlicher Troſt waͤr’ es ihm geweſen, wenn er den Johannes haͤtte haſſen oder wenigſtens etwas an ihm auszuſetzen fin- den koͤnnen — er fand aber Nichts, außer eben jener Vertraulichkeit mit Suschen, die er ihm auch wieder

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/102>, abgerufen am 29.04.2024.