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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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und sah Suschen lieber gar nicht an, weil er sich nicht
traute, sie ohne vorwurfsvolle Blicke ansehen zu können,
gleichwohl wollte er sich nun lieber gar nicht merken
lassen, wie sehr sie ihn kränke. Sie erzählt nun die
Geschichte von der Spitzenkrause noch einmal und daß
Laura mit suchen wollte."

"Ei, da suchen wir Alle mit," sagte Johannes
munter.

"Aber ich hab' keine Zeit mehr zum Warten!" ver-
sicherte Suschen.

"Das ist auch nicht nöthig!" und Johannes wendete
sich an den Schulmeister, "kommen Sie mit und suchen
wir die Spitzenkrause."

"Dabei werde ich wohl überflüssig sein," antwortete
unser Schulmeister schnell und fügte sanfter hinzu: "ich
habe oben noch so viel Bücher durchzusehen, so leid es
mir thut, ich kann jetzt nicht mitgehen. Guten Abend
miteinander!" und er ging in das Haus.

Suschen sah ihm recht betrübt nach, aber er konnte
diese Blicke nicht mehr sehen. Fast hätte sie über sein
Betragen die Lieblingshenne und ihre Flucht ganz ver-
gessen -- -- warum war denn nur auf einmal der
Schulmeister ganz wie umgewandelt, daß er jetzt nicht
einmal die Henne mit ihr suchen mochte, sondern recht
absichtlich von ihr weg ging, als möge er ihr gar keinen

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und ſah Suschen lieber gar nicht an, weil er ſich nicht
traute, ſie ohne vorwurfsvolle Blicke anſehen zu koͤnnen,
gleichwohl wollte er ſich nun lieber gar nicht merken
laſſen, wie ſehr ſie ihn kraͤnke. Sie erzaͤhlt nun die
Geſchichte von der Spitzenkrauſe noch einmal und daß
Laura mit ſuchen wollte.“

„Ei, da ſuchen wir Alle mit,“ ſagte Johannes
munter.

„Aber ich hab’ keine Zeit mehr zum Warten!“ ver-
ſicherte Suschen.

„Das iſt auch nicht noͤthig!“ und Johannes wendete
ſich an den Schulmeiſter, „kommen Sie mit und ſuchen
wir die Spitzenkrauſe.“

„Dabei werde ich wohl uͤberfluͤſſig ſein,“ antwortete
unſer Schulmeiſter ſchnell und fuͤgte ſanfter hinzu: „ich
habe oben noch ſo viel Buͤcher durchzuſehen, ſo leid es
mir thut, ich kann jetzt nicht mitgehen. Guten Abend
miteinander!“ und er ging in das Haus.

Suschen ſah ihm recht betruͤbt nach, aber er konnte
dieſe Blicke nicht mehr ſehen. Faſt haͤtte ſie uͤber ſein
Betragen die Lieblingshenne und ihre Flucht ganz ver-
geſſen — — warum war denn nur auf einmal der
Schulmeiſter ganz wie umgewandelt, daß er jetzt nicht
einmal die Henne mit ihr ſuchen mochte, ſondern recht
abſichtlich von ihr weg ging, als moͤge er ihr gar keinen

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[113/0121] und ſah Suschen lieber gar nicht an, weil er ſich nicht traute, ſie ohne vorwurfsvolle Blicke anſehen zu koͤnnen, gleichwohl wollte er ſich nun lieber gar nicht merken laſſen, wie ſehr ſie ihn kraͤnke. Sie erzaͤhlt nun die Geſchichte von der Spitzenkrauſe noch einmal und daß Laura mit ſuchen wollte.“ „Ei, da ſuchen wir Alle mit,“ ſagte Johannes munter. „Aber ich hab’ keine Zeit mehr zum Warten!“ ver- ſicherte Suschen. „Das iſt auch nicht noͤthig!“ und Johannes wendete ſich an den Schulmeiſter, „kommen Sie mit und ſuchen wir die Spitzenkrauſe.“ „Dabei werde ich wohl uͤberfluͤſſig ſein,“ antwortete unſer Schulmeiſter ſchnell und fuͤgte ſanfter hinzu: „ich habe oben noch ſo viel Buͤcher durchzuſehen, ſo leid es mir thut, ich kann jetzt nicht mitgehen. Guten Abend miteinander!“ und er ging in das Haus. Suschen ſah ihm recht betruͤbt nach, aber er konnte dieſe Blicke nicht mehr ſehen. Faſt haͤtte ſie uͤber ſein Betragen die Lieblingshenne und ihre Flucht ganz ver- geſſen — — warum war denn nur auf einmal der Schulmeiſter ganz wie umgewandelt, daß er jetzt nicht einmal die Henne mit ihr ſuchen mochte, ſondern recht abſichtlich von ihr weg ging, als moͤge er ihr gar keinen 8

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/121>, abgerufen am 29.04.2024.