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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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hönisches, gemeines Gelächter aus, "das wird auch ein schö-
nes Vergnügen sein, das fehlte noch, daß wir die Brüllerei
auch hier hören müßten, man ärgert sich in der Stadt ge-
nug -- nun, der Versemacher wird heute wohl nur den
Mond anschreien wollen und die andern werden's dicke
bekommen, nach seiner Pfeife zu tanzen."

"Jch glaube vielmehr," sagte der Bote Martin, "unser
sauberer Herr Schulmeister hat Alles angestellt, der ist so
von denselben Gelüsten und stürzte im Dorfe gern das
Oberste zu Unterst, wenn er nur könnte! Die Singerei
da oben sieht ihm ähnlich -- ob da nicht wieder so ein
Unsinn dabei heraus kommen wird, wie der Zug nach der
Eisenbahn war."

"Ja, die Dummheit hab' ich auch nicht mitgemacht,"
sagte Christlieb, "aber da ist auch der Pfarrer so schwach,
nimmt ihn noch in Schutz und läßt ihm so viel freien
Willen -- mir sollt' er kommen mit seinen Aufzügen!"

"Und daß der's auch zugelassen, was er in der Kirche
selbst vorgenommen hat!" warf der Wirth wieder hin.
"Sonst sang man doch ein Lied ordentlich langsam mit
Bedacht, das geht jetzt aber wer weiß wie schnell und die
Orgel spielt er auch ganz anders als der vorige Schul-
meister. Da singen sie auch jetzt nur, wo sonst schöne
Musik war und von der ist gar nichts mehr zu hören und
zu sehen -- die Posaune und die Orgel selber ausgenom-

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hoͤniſches, gemeines Gelaͤchter aus, „das wird auch ein ſchoͤ-
nes Vergnuͤgen ſein, das fehlte noch, daß wir die Bruͤllerei
auch hier hoͤren muͤßten, man aͤrgert ſich in der Stadt ge-
nug — nun, der Verſemacher wird heute wohl nur den
Mond anſchreien wollen und die andern werden’s dicke
bekommen, nach ſeiner Pfeife zu tanzen.“

„Jch glaube vielmehr,“ ſagte der Bote Martin, „unſer
ſauberer Herr Schulmeiſter hat Alles angeſtellt, der iſt ſo
von denſelben Geluͤſten und ſtuͤrzte im Dorfe gern das
Oberſte zu Unterſt, wenn er nur koͤnnte! Die Singerei
da oben ſieht ihm aͤhnlich — ob da nicht wieder ſo ein
Unſinn dabei heraus kommen wird, wie der Zug nach der
Eiſenbahn war.“

„Ja, die Dummheit hab’ ich auch nicht mitgemacht,“
ſagte Chriſtlieb, „aber da iſt auch der Pfarrer ſo ſchwach,
nimmt ihn noch in Schutz und laͤßt ihm ſo viel freien
Willen — mir ſollt’ er kommen mit ſeinen Aufzuͤgen!“

„Und daß der’s auch zugelaſſen, was er in der Kirche
ſelbſt vorgenommen hat!“ warf der Wirth wieder hin.
„Sonſt ſang man doch ein Lied ordentlich langſam mit
Bedacht, das geht jetzt aber wer weiß wie ſchnell und die
Orgel ſpielt er auch ganz anders als der vorige Schul-
meiſter. Da ſingen ſie auch jetzt nur, wo ſonſt ſchoͤne
Muſik war und von der iſt gar nichts mehr zu hoͤren und
zu ſehen — die Poſaune und die Orgel ſelber ausgenom-

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[129/0137] hoͤniſches, gemeines Gelaͤchter aus, „das wird auch ein ſchoͤ- nes Vergnuͤgen ſein, das fehlte noch, daß wir die Bruͤllerei auch hier hoͤren muͤßten, man aͤrgert ſich in der Stadt ge- nug — nun, der Verſemacher wird heute wohl nur den Mond anſchreien wollen und die andern werden’s dicke bekommen, nach ſeiner Pfeife zu tanzen.“ „Jch glaube vielmehr,“ ſagte der Bote Martin, „unſer ſauberer Herr Schulmeiſter hat Alles angeſtellt, der iſt ſo von denſelben Geluͤſten und ſtuͤrzte im Dorfe gern das Oberſte zu Unterſt, wenn er nur koͤnnte! Die Singerei da oben ſieht ihm aͤhnlich — ob da nicht wieder ſo ein Unſinn dabei heraus kommen wird, wie der Zug nach der Eiſenbahn war.“ „Ja, die Dummheit hab’ ich auch nicht mitgemacht,“ ſagte Chriſtlieb, „aber da iſt auch der Pfarrer ſo ſchwach, nimmt ihn noch in Schutz und laͤßt ihm ſo viel freien Willen — mir ſollt’ er kommen mit ſeinen Aufzuͤgen!“ „Und daß der’s auch zugelaſſen, was er in der Kirche ſelbſt vorgenommen hat!“ warf der Wirth wieder hin. „Sonſt ſang man doch ein Lied ordentlich langſam mit Bedacht, das geht jetzt aber wer weiß wie ſchnell und die Orgel ſpielt er auch ganz anders als der vorige Schul- meiſter. Da ſingen ſie auch jetzt nur, wo ſonſt ſchoͤne Muſik war und von der iſt gar nichts mehr zu hoͤren und zu ſehen — die Poſaune und die Orgel ſelber ausgenom- 9

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/137>, abgerufen am 28.04.2024.