Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen gegenüber sind wir in kein anderes Verhält-
niß zu bringen -- und wollen wir noch einen Vater
haben, so lasset ihn uns über der Erde suchen, der liebe
Gott im Himmel ist unser Vater und sonst Keiner. Die
nun Gottes Wort lehren, sollten das vor Allem auch
recht bedenken. Die sollten nicht jenem Papst zu Rom
nachahmen, der sich gar "heiliger Vater" nennen läßt,
um die Menschen dumm zu erhalten wie die kleinen
Kinder und sie dadurch desto besser beherrschen zu können.
Aber mit dieser Herrschaft geht es auch ganz zu Ende.
Eine Gemeinde wird ihren Pfarrer auch lieben -- wenn
er gut ist und Liebe verdient -- wenn sie ihn auch
nicht als Vater über sich stellt und sich selbst zu schwa-
chen Kindern macht, die ihm blindlings folgen ohne selbst
zu prüfen und zu überlegen. Eine Gemeinde wird in
ihrem ehrenwerthen Pfarrer ihren besten Freund sehen
und sich um so lieber Rath und Trost bei ihm holen,
als er sich als der Bruder seiner Dorfbewohner zeigt und
keine Scheidewand zieht zwischen sich und ihnen. Der
Pfarrer des Dorfes, von dem ich erzähle, hatte das wohl
erkannt. Er fürchtete nicht, wie viele seiner Amtsbrüder,
seiner Stellung etwas zu vergeben, wenn er die Leute
seines Kirchspengels nicht mit hochmüthiger Herablassung
behandelte, sondern mit ihnen vertraulich als mit seines
Gleichen redete, sich und seinen Rath ihnen aber auch

Menſchen gegenuͤber ſind wir in kein anderes Verhaͤlt-
niß zu bringen — und wollen wir noch einen Vater
haben, ſo laſſet ihn uns uͤber der Erde ſuchen, der liebe
Gott im Himmel iſt unſer Vater und ſonſt Keiner. Die
nun Gottes Wort lehren, ſollten das vor Allem auch
recht bedenken. Die ſollten nicht jenem Papſt zu Rom
nachahmen, der ſich gar „heiliger Vater“ nennen laͤßt,
um die Menſchen dumm zu erhalten wie die kleinen
Kinder und ſie dadurch deſto beſſer beherrſchen zu koͤnnen.
Aber mit dieſer Herrſchaft geht es auch ganz zu Ende.
Eine Gemeinde wird ihren Pfarrer auch lieben — wenn
er gut iſt und Liebe verdient — wenn ſie ihn auch
nicht als Vater uͤber ſich ſtellt und ſich ſelbſt zu ſchwa-
chen Kindern macht, die ihm blindlings folgen ohne ſelbſt
zu pruͤfen und zu uͤberlegen. Eine Gemeinde wird in
ihrem ehrenwerthen Pfarrer ihren beſten Freund ſehen
und ſich um ſo lieber Rath und Troſt bei ihm holen,
als er ſich als der Bruder ſeiner Dorfbewohner zeigt und
keine Scheidewand zieht zwiſchen ſich und ihnen. Der
Pfarrer des Dorfes, von dem ich erzaͤhle, hatte das wohl
erkannt. Er fuͤrchtete nicht, wie viele ſeiner Amtsbruͤder,
ſeiner Stellung etwas zu vergeben, wenn er die Leute
ſeines Kirchſpengels nicht mit hochmuͤthiger Herablaſſung
behandelte, ſondern mit ihnen vertraulich als mit ſeines
Gleichen redete, ſich und ſeinen Rath ihnen aber auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="13"/>
Men&#x017F;chen gegenu&#x0364;ber &#x017F;ind wir in kein anderes Verha&#x0364;lt-<lb/>
niß zu bringen &#x2014; und wollen wir noch einen Vater<lb/>
haben, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;et ihn uns u&#x0364;ber der Erde &#x017F;uchen, der liebe<lb/>
Gott im Himmel i&#x017F;t un&#x017F;er Vater und &#x017F;on&#x017F;t Keiner. Die<lb/>
nun Gottes Wort lehren, &#x017F;ollten das vor Allem auch<lb/>
recht bedenken. Die &#x017F;ollten nicht jenem Pap&#x017F;t zu Rom<lb/>
nachahmen, der &#x017F;ich gar &#x201E;heiliger Vater&#x201C; nennen la&#x0364;ßt,<lb/>
um die Men&#x017F;chen dumm zu erhalten wie die kleinen<lb/>
Kinder und &#x017F;ie dadurch de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er beherr&#x017F;chen zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
Aber mit die&#x017F;er Herr&#x017F;chaft geht es auch ganz zu Ende.<lb/>
Eine Gemeinde wird ihren Pfarrer auch lieben &#x2014; wenn<lb/>
er gut i&#x017F;t und Liebe verdient &#x2014; wenn &#x017F;ie ihn auch<lb/>
nicht als Vater u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;tellt und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;chwa-<lb/>
chen Kindern macht, die ihm blindlings folgen ohne &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu pru&#x0364;fen und zu u&#x0364;berlegen. Eine Gemeinde wird in<lb/>
ihrem ehrenwerthen Pfarrer ihren be&#x017F;ten Freund &#x017F;ehen<lb/>
und &#x017F;ich um &#x017F;o lieber Rath und Tro&#x017F;t bei ihm holen,<lb/>
als er &#x017F;ich als der Bruder &#x017F;einer Dorfbewohner zeigt und<lb/>
keine Scheidewand zieht zwi&#x017F;chen &#x017F;ich und ihnen. Der<lb/>
Pfarrer des Dorfes, von dem ich erza&#x0364;hle, hatte das wohl<lb/>
erkannt. Er fu&#x0364;rchtete nicht, wie viele &#x017F;einer Amtsbru&#x0364;der,<lb/>
&#x017F;einer Stellung etwas zu vergeben, wenn er die Leute<lb/>
&#x017F;eines Kirch&#x017F;pengels nicht mit hochmu&#x0364;thiger Herabla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
behandelte, &#x017F;ondern mit ihnen vertraulich als mit &#x017F;eines<lb/>
Gleichen redete, &#x017F;ich und &#x017F;einen Rath ihnen aber auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0021] Menſchen gegenuͤber ſind wir in kein anderes Verhaͤlt- niß zu bringen — und wollen wir noch einen Vater haben, ſo laſſet ihn uns uͤber der Erde ſuchen, der liebe Gott im Himmel iſt unſer Vater und ſonſt Keiner. Die nun Gottes Wort lehren, ſollten das vor Allem auch recht bedenken. Die ſollten nicht jenem Papſt zu Rom nachahmen, der ſich gar „heiliger Vater“ nennen laͤßt, um die Menſchen dumm zu erhalten wie die kleinen Kinder und ſie dadurch deſto beſſer beherrſchen zu koͤnnen. Aber mit dieſer Herrſchaft geht es auch ganz zu Ende. Eine Gemeinde wird ihren Pfarrer auch lieben — wenn er gut iſt und Liebe verdient — wenn ſie ihn auch nicht als Vater uͤber ſich ſtellt und ſich ſelbſt zu ſchwa- chen Kindern macht, die ihm blindlings folgen ohne ſelbſt zu pruͤfen und zu uͤberlegen. Eine Gemeinde wird in ihrem ehrenwerthen Pfarrer ihren beſten Freund ſehen und ſich um ſo lieber Rath und Troſt bei ihm holen, als er ſich als der Bruder ſeiner Dorfbewohner zeigt und keine Scheidewand zieht zwiſchen ſich und ihnen. Der Pfarrer des Dorfes, von dem ich erzaͤhle, hatte das wohl erkannt. Er fuͤrchtete nicht, wie viele ſeiner Amtsbruͤder, ſeiner Stellung etwas zu vergeben, wenn er die Leute ſeines Kirchſpengels nicht mit hochmuͤthiger Herablaſſung behandelte, ſondern mit ihnen vertraulich als mit ſeines Gleichen redete, ſich und ſeinen Rath ihnen aber auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/21
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/21>, abgerufen am 27.04.2024.