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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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niederschlagende Mittel, ihr Ruhe zu verschaffen -- sie
rang fort zwischen Leben und Sterben und rief nach ihrem
Johannes. --

Jede Minute konnte nun der Pfarrer kommen, aber
er kam nicht. --

"Es wird ein gutes Zeichen sein," tröstete Käthe, "er
wird gleich auf ihn warten sollen und das geht nicht so
schnell. Eh' die Gerichtspersonen ausführen, was sie be-
schlossen haben, hat's immer gute Weile!"

"Aber wo es sich um ein Sterbebette handelt, wo
jede Minute gezählt sein kann!" rief Suschen vorwurfs-
voll und halb entrüstet. --

Nochmals waren drei Stunden vergangen unter ewi-
gem Wehklagen der Kranken, unter Beten, Horchen und
ängstlichem Erwarten der Andern, das von Minute zu
Minute sich zur furchtbarsten Angst und quälendsten Un-
geduld steigerte. --

Endlich kam der Pfarrer -- allein. --

"Er kommt nicht mit?" rief Suschen, indem sie auf
ihn zustürzte.

Der Pfarrer sah sehr bleich und angegriffen aus,
Thränen standen in seinen Augen -- er vermochte kaum
zu sprechen. Endlich sagte er: "Es war Alles vergebens!
Erst mußte ich stundenlang warten, ehe ich nur mit dem
Amtmann sprechen konnte -- endlich wurde ich zu ihm

niederſchlagende Mittel, ihr Ruhe zu verſchaffen — ſie
rang fort zwiſchen Leben und Sterben und rief nach ihrem
Johannes. —

Jede Minute konnte nun der Pfarrer kommen, aber
er kam nicht. —

„Es wird ein gutes Zeichen ſein,“ troͤſtete Kaͤthe, „er
wird gleich auf ihn warten ſollen und das geht nicht ſo
ſchnell. Eh’ die Gerichtsperſonen ausfuͤhren, was ſie be-
ſchloſſen haben, hat’s immer gute Weile!“

„Aber wo es ſich um ein Sterbebette handelt, wo
jede Minute gezaͤhlt ſein kann!“ rief Suschen vorwurfs-
voll und halb entruͤſtet. —

Nochmals waren drei Stunden vergangen unter ewi-
gem Wehklagen der Kranken, unter Beten, Horchen und
aͤngſtlichem Erwarten der Andern, das von Minute zu
Minute ſich zur furchtbarſten Angſt und quaͤlendſten Un-
geduld ſteigerte. —

Endlich kam der Pfarrer — allein.

„Er kommt nicht mit?“ rief Suschen, indem ſie auf
ihn zuſtuͤrzte.

Der Pfarrer ſah ſehr bleich und angegriffen aus,
Thraͤnen ſtanden in ſeinen Augen — er vermochte kaum
zu ſprechen. Endlich ſagte er: „Es war Alles vergebens!
Erſt mußte ich ſtundenlang warten, ehe ich nur mit dem
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[301/0309] niederſchlagende Mittel, ihr Ruhe zu verſchaffen — ſie rang fort zwiſchen Leben und Sterben und rief nach ihrem Johannes. — Jede Minute konnte nun der Pfarrer kommen, aber er kam nicht. — „Es wird ein gutes Zeichen ſein,“ troͤſtete Kaͤthe, „er wird gleich auf ihn warten ſollen und das geht nicht ſo ſchnell. Eh’ die Gerichtsperſonen ausfuͤhren, was ſie be- ſchloſſen haben, hat’s immer gute Weile!“ „Aber wo es ſich um ein Sterbebette handelt, wo jede Minute gezaͤhlt ſein kann!“ rief Suschen vorwurfs- voll und halb entruͤſtet. — Nochmals waren drei Stunden vergangen unter ewi- gem Wehklagen der Kranken, unter Beten, Horchen und aͤngſtlichem Erwarten der Andern, das von Minute zu Minute ſich zur furchtbarſten Angſt und quaͤlendſten Un- geduld ſteigerte. — Endlich kam der Pfarrer — allein. — „Er kommt nicht mit?“ rief Suschen, indem ſie auf ihn zuſtuͤrzte. Der Pfarrer ſah ſehr bleich und angegriffen aus, Thraͤnen ſtanden in ſeinen Augen — er vermochte kaum zu ſprechen. Endlich ſagte er: „Es war Alles vergebens! Erſt mußte ich ſtundenlang warten, ehe ich nur mit dem Amtmann ſprechen konnte — endlich wurde ich zu ihm

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/309>, abgerufen am 14.05.2024.