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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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schlossen sich ihnen an mit Sträußen auf den Hüten und
an der Brust. Eine grüne Fahne, auf der ein Pflug
und eine Korngarbe zu sehen war, ward ihnen voran-
getragen. Dann kam der Pfarrer, umgeben von dem
Gemeinderath. Hinterdrein folgte noch Alles, was nicht
mit in diesen Abtheilungen vertreten war und überhaupt
Beine hatte. Jm Dorfe war's unterdeß wie ausge-
storben. Nur in der Schenke war einiges Leben, weil
am andern Abend dort Tanz sein sollte und es da vor-
zubereiten gab. Der Schenkenwirth hatte seinen Jungen
doch noch gehen lassen. Er selbst war aus Aerger zu
Hause geblieben und ärgerte sich doch eigentlich gerade
darüber, daß er den verwünschten Dampfwagen nicht
einmal sehen konnte. Nun wäre er so gern mit dabei
gewesen, aber er dachte, er werde ausgelacht, wenn er
nun noch mitgehe, und so war er geblieben zu seinem
eigenen Verdruß. Den suchte er dafür an seinen Leuten
auszulassen, die schon so genug unter seiner Halsstarrig-
keit litten, da sie nicht mit dem Zuge hatten gehen
dürfen.

Auf dem Bahnhof war schon lange ein großes Le-
ben. Der Durchstich eines Berges in der Nähe hatte
viel Arbeit gekostet und deshalb war auch diese Strecke
die letzte der ganzen Bahn, welche fertig geworden und
die Eröffnung so lange verhindert hatte. Die Berg-

ſchloſſen ſich ihnen an mit Straͤußen auf den Huͤten und
an der Bruſt. Eine gruͤne Fahne, auf der ein Pflug
und eine Korngarbe zu ſehen war, ward ihnen voran-
getragen. Dann kam der Pfarrer, umgeben von dem
Gemeinderath. Hinterdrein folgte noch Alles, was nicht
mit in dieſen Abtheilungen vertreten war und uͤberhaupt
Beine hatte. Jm Dorfe war’s unterdeß wie ausge-
ſtorben. Nur in der Schenke war einiges Leben, weil
am andern Abend dort Tanz ſein ſollte und es da vor-
zubereiten gab. Der Schenkenwirth hatte ſeinen Jungen
doch noch gehen laſſen. Er ſelbſt war aus Aerger zu
Hauſe geblieben und aͤrgerte ſich doch eigentlich gerade
daruͤber, daß er den verwuͤnſchten Dampfwagen nicht
einmal ſehen konnte. Nun waͤre er ſo gern mit dabei
geweſen, aber er dachte, er werde ausgelacht, wenn er
nun noch mitgehe, und ſo war er geblieben zu ſeinem
eigenen Verdruß. Den ſuchte er dafuͤr an ſeinen Leuten
auszulaſſen, die ſchon ſo genug unter ſeiner Halsſtarrig-
keit litten, da ſie nicht mit dem Zuge hatten gehen
duͤrfen.

Auf dem Bahnhof war ſchon lange ein großes Le-
ben. Der Durchſtich eines Berges in der Naͤhe hatte
viel Arbeit gekoſtet und deshalb war auch dieſe Strecke
die letzte der ganzen Bahn, welche fertig geworden und
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[24/0032] ſchloſſen ſich ihnen an mit Straͤußen auf den Huͤten und an der Bruſt. Eine gruͤne Fahne, auf der ein Pflug und eine Korngarbe zu ſehen war, ward ihnen voran- getragen. Dann kam der Pfarrer, umgeben von dem Gemeinderath. Hinterdrein folgte noch Alles, was nicht mit in dieſen Abtheilungen vertreten war und uͤberhaupt Beine hatte. Jm Dorfe war’s unterdeß wie ausge- ſtorben. Nur in der Schenke war einiges Leben, weil am andern Abend dort Tanz ſein ſollte und es da vor- zubereiten gab. Der Schenkenwirth hatte ſeinen Jungen doch noch gehen laſſen. Er ſelbſt war aus Aerger zu Hauſe geblieben und aͤrgerte ſich doch eigentlich gerade daruͤber, daß er den verwuͤnſchten Dampfwagen nicht einmal ſehen konnte. Nun waͤre er ſo gern mit dabei geweſen, aber er dachte, er werde ausgelacht, wenn er nun noch mitgehe, und ſo war er geblieben zu ſeinem eigenen Verdruß. Den ſuchte er dafuͤr an ſeinen Leuten auszulaſſen, die ſchon ſo genug unter ſeiner Halsſtarrig- keit litten, da ſie nicht mit dem Zuge hatten gehen duͤrfen. Auf dem Bahnhof war ſchon lange ein großes Le- ben. Der Durchſtich eines Berges in der Naͤhe hatte viel Arbeit gekoſtet und deshalb war auch dieſe Strecke die letzte der ganzen Bahn, welche fertig geworden und die Eroͤffnung ſo lange verhindert hatte. Die Berg-

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/32>, abgerufen am 26.04.2024.