Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

einer Erzählung des Königs lachte die ganze Tafel, und Schulenburg fast am lautesten. Was hat der König gesagt? fragte Göckingk ihn leise. - Ich habe nichts verstanden! - Und haben doch gelacht? - Ja, das gehört zum kleinen Dienst!

Göckingks Hauptkorrespondentin war Frau von der Recke. Er nannte sie im Gespräche nie anders als Elisa, und diese Benennung galt auch in unserem Familienkreise als eine allgemein verständliche. Da er mit dieser Freundin in allen seinen Ansichten übereinstimmte, so konnte man wohl fragen, was sie sich mitzutheilen hatten? Aber bei einer freundschaftlichen Korrespondenz kömmt es nicht darauf an, was man schreibt, sondern daß man schreibt. Seit einer langen Reihe von Jahren schrieben sie sich wöchentlich zwei Mal; dies giebt für 20 Jahre auf jeden Korrespondenten über 1000 Briefe.

Bis zum Jahre 1824 lebte Göckingk in Berlin. Als er nach und nach alle seine alten Freunde verloren, beschloß er, der Welt zu entsagen, und zog mit seiner schönen Bibliothek zu seiner Tochter nach Deutsch-Wartenberg in Schlesien, wo er 80jährig in gänzlicher Vergessenheit sein Leben beschloß (1828). Einige Jahre vor seinem Tode ereignete es sich, daß ein Frankfurter Buchhändler bekannt machte, er wolle die gesammelten Werke des geachteten verstorbenen deutschen Dichters von Göckingk herausgeben. Hiegegen erließ Göckingk, der in seiner ländlichen Einsamkeit die Litteratur-Zeitungen fleißig studirte, eine sehr heftige Erklärung, welche ungefähr folgender Maaßen anfing: Ich bin nicht todt! und werde, wenn es mir beliebt, meine gesammelten Werke selbst herausgeben.

Nach seinem wirklich erfolgten Tode sendete mir

einer Erzählung des Königs lachte die ganze Tafel, und Schulenburg fast am lautesten. Was hat der König gesagt? fragte Göckingk ihn leise. – Ich habe nichts verstanden! – Und haben doch gelacht? – Ja, das gehört zum kleinen Dienst!

Göckingks Hauptkorrespondentin war Frau von der Recke. Er nannte sie im Gespräche nie anders als Elisa, und diese Benennung galt auch in unserem Familienkreise als eine allgemein verständliche. Da er mit dieser Freundin in allen seinen Ansichten übereinstimmte, so konnte man wohl fragen, was sie sich mitzutheilen hatten? Aber bei einer freundschaftlichen Korrespondenz kömmt es nicht darauf an, was man schreibt, sondern daß man schreibt. Seit einer langen Reihe von Jahren schrieben sie sich wöchentlich zwei Mal; dies giebt für 20 Jahre auf jeden Korrespondenten über 1000 Briefe.

Bis zum Jahre 1824 lebte Göckingk in Berlin. Als er nach und nach alle seine alten Freunde verloren, beschloß er, der Welt zu entsagen, und zog mit seiner schönen Bibliothek zu seiner Tochter nach Deutsch-Wartenberg in Schlesien, wo er 80jährig in gänzlicher Vergessenheit sein Leben beschloß (1828). Einige Jahre vor seinem Tode ereignete es sich, daß ein Frankfurter Buchhändler bekannt machte, er wolle die gesammelten Werke des geachteten verstorbenen deutschen Dichters von Göckingk herausgeben. Hiegegen erließ Göckingk, der in seiner ländlichen Einsamkeit die Litteratur-Zeitungen fleißig studirte, eine sehr heftige Erklärung, welche ungefähr folgender Maaßen anfing: Ich bin nicht todt! und werde, wenn es mir beliebt, meine gesammelten Werke selbst herausgeben.

Nach seinem wirklich erfolgten Tode sendete mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0222" n="210"/>
einer Erzählung des Königs lachte die ganze Tafel, und Schulenburg fast am lautesten. Was hat der König gesagt? fragte Göckingk ihn leise. &#x2013; Ich habe nichts verstanden! &#x2013; Und haben doch gelacht? &#x2013; Ja, das gehört zum kleinen Dienst! </p><lb/>
          <p>Göckingks Hauptkorrespondentin war Frau von der Recke. Er nannte sie im Gespräche nie anders als Elisa, und diese Benennung galt auch in unserem Familienkreise als eine allgemein verständliche. Da er mit dieser Freundin in allen seinen Ansichten übereinstimmte, so konnte man wohl fragen, was sie sich mitzutheilen hatten? Aber bei einer freundschaftlichen Korrespondenz kömmt es nicht darauf an, was man schreibt, sondern daß man schreibt. Seit einer langen Reihe von Jahren schrieben sie sich wöchentlich zwei Mal; dies giebt für 20 Jahre auf jeden Korrespondenten über 1000 Briefe. </p><lb/>
          <p>Bis zum Jahre 1824 lebte Göckingk in Berlin. Als er nach und nach alle seine alten Freunde verloren, beschloß er, der Welt zu entsagen, und zog mit seiner schönen Bibliothek zu seiner Tochter nach Deutsch-Wartenberg in Schlesien, wo er 80jährig in gänzlicher Vergessenheit sein Leben beschloß (1828). Einige Jahre vor seinem Tode ereignete es sich, daß ein Frankfurter Buchhändler bekannt machte, er wolle die gesammelten Werke des geachteten verstorbenen deutschen Dichters von Göckingk herausgeben. Hiegegen erließ Göckingk, der in seiner ländlichen Einsamkeit die Litteratur-Zeitungen fleißig studirte, eine sehr heftige Erklärung, welche ungefähr folgender Maaßen anfing: Ich bin nicht todt! und werde, wenn es mir beliebt, meine gesammelten Werke selbst herausgeben. </p><lb/>
          <p>Nach seinem wirklich erfolgten Tode sendete mir
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0222] einer Erzählung des Königs lachte die ganze Tafel, und Schulenburg fast am lautesten. Was hat der König gesagt? fragte Göckingk ihn leise. – Ich habe nichts verstanden! – Und haben doch gelacht? – Ja, das gehört zum kleinen Dienst! Göckingks Hauptkorrespondentin war Frau von der Recke. Er nannte sie im Gespräche nie anders als Elisa, und diese Benennung galt auch in unserem Familienkreise als eine allgemein verständliche. Da er mit dieser Freundin in allen seinen Ansichten übereinstimmte, so konnte man wohl fragen, was sie sich mitzutheilen hatten? Aber bei einer freundschaftlichen Korrespondenz kömmt es nicht darauf an, was man schreibt, sondern daß man schreibt. Seit einer langen Reihe von Jahren schrieben sie sich wöchentlich zwei Mal; dies giebt für 20 Jahre auf jeden Korrespondenten über 1000 Briefe. Bis zum Jahre 1824 lebte Göckingk in Berlin. Als er nach und nach alle seine alten Freunde verloren, beschloß er, der Welt zu entsagen, und zog mit seiner schönen Bibliothek zu seiner Tochter nach Deutsch-Wartenberg in Schlesien, wo er 80jährig in gänzlicher Vergessenheit sein Leben beschloß (1828). Einige Jahre vor seinem Tode ereignete es sich, daß ein Frankfurter Buchhändler bekannt machte, er wolle die gesammelten Werke des geachteten verstorbenen deutschen Dichters von Göckingk herausgeben. Hiegegen erließ Göckingk, der in seiner ländlichen Einsamkeit die Litteratur-Zeitungen fleißig studirte, eine sehr heftige Erklärung, welche ungefähr folgender Maaßen anfing: Ich bin nicht todt! und werde, wenn es mir beliebt, meine gesammelten Werke selbst herausgeben. Nach seinem wirklich erfolgten Tode sendete mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/222
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/222>, abgerufen am 27.04.2024.