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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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ich habe Ihnen ja in dem ganzen Jahre nix verschrieben! Desto lieber schicke ich es, entgegnete Eiohmann, und werde mich bemühen, noch lange damit fortzufahren.

Einst war Heim drei oder vier Nächte hintereinander aus dem Bette geholt worden, und fühlte sich aufs äußerste erschöpft; er bedeutete daher Abends seine Frau, daß er nun nothwendig einmal ausschlafen müsse; wenn wieder geklingelt werde, so solle man zum Hülfsarzte schicken. Kaum hatte er sich niedergelegt, so ertönte die Nachtglocke. Da sagte er bei sich selbst: Lieber Gott! heute könntest Du es mir nicht übel nehmen, wenn ich liegen bliebe, aber ich will doch auftehn! Der Hülfesuchende war ein armer Unteroffizier, dessen Frau lebensgefährlich danieder lag. Heim stellte sie wieder her, und gab den Leuten, bei denen an Bezahlung nicht zu denken war, noch eine Geldunterstützung. Seitdem, erzählte Heim, sei die Dankbarkeit des Mannes überall, wo er ihn angetroffen, in den wärmsten Worten laut geworden; einmal habe Heim, wie er pflegte, einem Truppenmanöver zu Pferde beigewohnt und alsbald den Unteroffizier neben seiner Rotte in Reihe und Glied stehn gesehn, weil dieser aber in solchem Momente keine Hand rühren, nicht einmal mit dem Kopfe nicken durfte, so habe er nur durch möglichst starke Augenverdrehung und freundliches Lächeln sich für Heim bemerklich gemacht.

Der Grosmutter Eichmann widmeten die Kinder keine so starke Zuneigung als dem Grosvater. Sie war eine brave verständige Frau, die ihre beiden Töchter Lottchen und Jettchen mit aller Sorgfalt auferzogen, die es aber nicht unterlassen konnte, über jede Kleinigkeit zu keifen und zu schelten. Doch hörten wir ihr manchmal mit Ver-

ich habe Ihnen ja in dem ganzen Jahre nix verschrieben! Desto lieber schicke ich es, entgegnete Eiohmann, und werde mich bemühen, noch lange damit fortzufahren.

Einst war Heim drei oder vier Nächte hintereinander aus dem Bette geholt worden, und fühlte sich aufs äußerste erschöpft; er bedeutete daher Abends seine Frau, daß er nun nothwendig einmal ausschlafen müsse; wenn wieder geklingelt werde, so solle man zum Hülfsarzte schicken. Kaum hatte er sich niedergelegt, so ertönte die Nachtglocke. Da sagte er bei sich selbst: Lieber Gott! heute könntest Du es mir nicht übel nehmen, wenn ich liegen bliebe, aber ich will doch auftehn! Der Hülfesuchende war ein armer Unteroffizier, dessen Frau lebensgefährlich danieder lag. Heim stellte sie wieder her, und gab den Leuten, bei denen an Bezahlung nicht zu denken war, noch eine Geldunterstützung. Seitdem, erzählte Heim, sei die Dankbarkeit des Mannes überall, wo er ihn angetroffen, in den wärmsten Worten laut geworden; einmal habe Heim, wie er pflegte, einem Truppenmanöver zu Pferde beigewohnt und alsbald den Unteroffizier neben seiner Rotte in Reihe und Glied stehn gesehn, weil dieser aber in solchem Momente keine Hand rühren, nicht einmal mit dem Kopfe nicken durfte, so habe er nur durch möglichst starke Augenverdrehung und freundliches Lächeln sich für Heim bemerklich gemacht.

Der Grosmutter Eichmann widmeten die Kinder keine so starke Zuneigung als dem Grosvater. Sie war eine brave verständige Frau, die ihre beiden Töchter Lottchen und Jettchen mit aller Sorgfalt auferzogen, die es aber nicht unterlassen konnte, über jede Kleinigkeit zu keifen und zu schelten. Doch hörten wir ihr manchmal mit Ver-

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[226/0238] ich habe Ihnen ja in dem ganzen Jahre nix verschrieben! Desto lieber schicke ich es, entgegnete Eiohmann, und werde mich bemühen, noch lange damit fortzufahren. Einst war Heim drei oder vier Nächte hintereinander aus dem Bette geholt worden, und fühlte sich aufs äußerste erschöpft; er bedeutete daher Abends seine Frau, daß er nun nothwendig einmal ausschlafen müsse; wenn wieder geklingelt werde, so solle man zum Hülfsarzte schicken. Kaum hatte er sich niedergelegt, so ertönte die Nachtglocke. Da sagte er bei sich selbst: Lieber Gott! heute könntest Du es mir nicht übel nehmen, wenn ich liegen bliebe, aber ich will doch auftehn! Der Hülfesuchende war ein armer Unteroffizier, dessen Frau lebensgefährlich danieder lag. Heim stellte sie wieder her, und gab den Leuten, bei denen an Bezahlung nicht zu denken war, noch eine Geldunterstützung. Seitdem, erzählte Heim, sei die Dankbarkeit des Mannes überall, wo er ihn angetroffen, in den wärmsten Worten laut geworden; einmal habe Heim, wie er pflegte, einem Truppenmanöver zu Pferde beigewohnt und alsbald den Unteroffizier neben seiner Rotte in Reihe und Glied stehn gesehn, weil dieser aber in solchem Momente keine Hand rühren, nicht einmal mit dem Kopfe nicken durfte, so habe er nur durch möglichst starke Augenverdrehung und freundliches Lächeln sich für Heim bemerklich gemacht. Der Grosmutter Eichmann widmeten die Kinder keine so starke Zuneigung als dem Grosvater. Sie war eine brave verständige Frau, die ihre beiden Töchter Lottchen und Jettchen mit aller Sorgfalt auferzogen, die es aber nicht unterlassen konnte, über jede Kleinigkeit zu keifen und zu schelten. Doch hörten wir ihr manchmal mit Ver-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/238>, abgerufen am 27.04.2024.