Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Pathen Thümmel als eines kleinen blassen Mannes mit feinen Gesichtszügen und hochgepuderten Haaren; er trug einen rothen Rock mit blitzenden Knöpfen und einen Degen an der Seite. Als ich später Thümmels Reisen im südlichen Frankreich las, worin er als feuriger unternehmender Lebemann erscheint, so kam öfter das Bild des kleinen blassen Greises im rothen Tressenrock meiner Einbildungskraft in die Queere.

Die Taufhandlung ward mit vieler Feierlichkeit in dem sogenannten grauen Saale, neben dem Bibliotheksaale vollzogen und verfehlte nicht, auf meine Schwester und mich einen tiefen Eindruck zu machen. Der graue Saal war gewöhnlich verschlossen; wir befanden uns nun zum ersten Male in dem hohen, oben gewölbten Räume, in dem die Stimme des Predigers auf feierliche Weise wiederhallte. Von der Rede hörte ich sehr wenig, denn meine ganze Aufmerksamkeit war auf eine Reihe bunter Schweizerlandschaften von Aberli gerichtet, die Nicolai von seiner Reise heimgebracht und hier nebst einigen schönen Blättern von Bause und Wille hatte aufhängen lassen. Solche himmelhohen Felsen und schäumenden Wasserstürze einmal in der Natur zu sehn, wurde der glühende Wunsch meiner Seele.

Bei meines Vaters zweiter Verheirathung wurde Madame Clause entlassen und kehrte nach einem thränenreichen Abschiede in ihre Heimath Toulouse zurück. Allein sehr bald kamen von ihr die kläglichsten Briefe, in denen sie ihre unglückliche Lage auf das lebhafteste schilderte. Alle ihre Verwandten, mit denen sie dort zu leben gehofft, waren während ihrer Abwesenheit gestorben; sie hatte den Schmerz, sich in ihrer Vaterstadt als Fremde zu fühlen;

Pathen Thümmel als eines kleinen blassen Mannes mit feinen Gesichtszügen und hochgepuderten Haaren; er trug einen rothen Rock mit blitzenden Knöpfen und einen Degen an der Seite. Als ich später Thümmels Reisen im südlichen Frankreich las, worin er als feuriger unternehmender Lebemann erscheint, so kam öfter das Bild des kleinen blassen Greises im rothen Tressenrock meiner Einbildungskraft in die Queere.

Die Taufhandlung ward mit vieler Feierlichkeit in dem sogenannten grauen Saale, neben dem Bibliotheksaale vollzogen und verfehlte nicht, auf meine Schwester und mich einen tiefen Eindruck zu machen. Der graue Saal war gewöhnlich verschlossen; wir befanden uns nun zum ersten Male in dem hohen, oben gewölbten Räume, in dem die Stimme des Predigers auf feierliche Weise wiederhallte. Von der Rede hörte ich sehr wenig, denn meine ganze Aufmerksamkeit war auf eine Reihe bunter Schweizerlandschaften von Aberli gerichtet, die Nicolai von seiner Reise heimgebracht und hier nebst einigen schönen Blättern von Bause und Wille hatte aufhängen lassen. Solche himmelhohen Felsen und schäumenden Wasserstürze einmal in der Natur zu sehn, wurde der glühende Wunsch meiner Seele.

Bei meines Vaters zweiter Verheirathung wurde Madame Clause entlassen und kehrte nach einem thränenreichen Abschiede in ihre Heimath Toulouse zurück. Allein sehr bald kamen von ihr die kläglichsten Briefe, in denen sie ihre unglückliche Lage auf das lebhafteste schilderte. Alle ihre Verwandten, mit denen sie dort zu leben gehofft, waren während ihrer Abwesenheit gestorben; sie hatte den Schmerz, sich in ihrer Vaterstadt als Fremde zu fühlen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="15"/>
Pathen Thümmel als eines kleinen blassen Mannes mit feinen Gesichtszügen und hochgepuderten Haaren; er trug einen rothen Rock mit blitzenden Knöpfen und einen Degen an der Seite. Als ich später Thümmels Reisen im südlichen Frankreich las, worin er als feuriger unternehmender Lebemann erscheint, so kam öfter das Bild des kleinen blassen Greises im rothen Tressenrock meiner Einbildungskraft in die Queere. </p><lb/>
        <p>Die Taufhandlung ward mit vieler Feierlichkeit in dem sogenannten grauen Saale, neben dem Bibliotheksaale vollzogen und verfehlte nicht, auf meine Schwester und mich einen tiefen Eindruck zu machen. Der graue Saal war gewöhnlich verschlossen; wir befanden uns nun zum ersten Male in dem hohen, oben gewölbten Räume, in dem die Stimme des Predigers auf feierliche Weise wiederhallte. Von der Rede hörte ich sehr wenig, denn meine ganze Aufmerksamkeit war auf eine Reihe bunter Schweizerlandschaften von Aberli gerichtet, die Nicolai von seiner Reise heimgebracht und hier nebst einigen schönen Blättern von Bause und Wille hatte aufhängen lassen. Solche himmelhohen Felsen und schäumenden Wasserstürze einmal in der Natur zu sehn, wurde der glühende Wunsch meiner Seele. </p><lb/>
        <p>Bei meines Vaters zweiter Verheirathung wurde Madame Clause entlassen und kehrte nach einem thränenreichen Abschiede in ihre Heimath Toulouse zurück. Allein sehr bald kamen von ihr die kläglichsten Briefe, in denen sie ihre unglückliche Lage auf das lebhafteste schilderte. Alle ihre Verwandten, mit denen sie dort zu leben gehofft, waren während ihrer Abwesenheit gestorben; sie hatte den Schmerz, sich in ihrer Vaterstadt als Fremde zu fühlen;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0027] Pathen Thümmel als eines kleinen blassen Mannes mit feinen Gesichtszügen und hochgepuderten Haaren; er trug einen rothen Rock mit blitzenden Knöpfen und einen Degen an der Seite. Als ich später Thümmels Reisen im südlichen Frankreich las, worin er als feuriger unternehmender Lebemann erscheint, so kam öfter das Bild des kleinen blassen Greises im rothen Tressenrock meiner Einbildungskraft in die Queere. Die Taufhandlung ward mit vieler Feierlichkeit in dem sogenannten grauen Saale, neben dem Bibliotheksaale vollzogen und verfehlte nicht, auf meine Schwester und mich einen tiefen Eindruck zu machen. Der graue Saal war gewöhnlich verschlossen; wir befanden uns nun zum ersten Male in dem hohen, oben gewölbten Räume, in dem die Stimme des Predigers auf feierliche Weise wiederhallte. Von der Rede hörte ich sehr wenig, denn meine ganze Aufmerksamkeit war auf eine Reihe bunter Schweizerlandschaften von Aberli gerichtet, die Nicolai von seiner Reise heimgebracht und hier nebst einigen schönen Blättern von Bause und Wille hatte aufhängen lassen. Solche himmelhohen Felsen und schäumenden Wasserstürze einmal in der Natur zu sehn, wurde der glühende Wunsch meiner Seele. Bei meines Vaters zweiter Verheirathung wurde Madame Clause entlassen und kehrte nach einem thränenreichen Abschiede in ihre Heimath Toulouse zurück. Allein sehr bald kamen von ihr die kläglichsten Briefe, in denen sie ihre unglückliche Lage auf das lebhafteste schilderte. Alle ihre Verwandten, mit denen sie dort zu leben gehofft, waren während ihrer Abwesenheit gestorben; sie hatte den Schmerz, sich in ihrer Vaterstadt als Fremde zu fühlen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/27
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/27>, abgerufen am 26.04.2024.