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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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bei sich überlegte, ob er grammatische Aenderungen in einem offiziellen Schreiben eigenmächtig machen dürfe, kam eine freundliche Einladung vom General zum Diner und zu einer Partie Whist. Vergessen war die tadelnde Bemerkung, und das angefangene Schreiben ward kassirt.

Ein anderes Mal diktirte Osten einen Brief an seine Frau, der also anfing: Geliebte Emilie! Die Kreuzigung meiner wird immer größer! Eben schickt mir der Kaiser von Rußland das Kreuz zum Wladimir-Orden, und das Kreuz zum östreichischen Leopoldi-Orden besitze ich schon. Nichts desto weniger sehne ich mich von Herzen nach meinem lieben Hauskreuz, und hoffe, dasselbe bei meiner Rückkehr in bester Gesundheit anzutreffen!

Eduards Bruder Julius, ein schlanker Mann mit edel geformtem Gesichte, den wir den schönen Julius nannten, war nicht im aktiven Dienst, sondern bei der Magazinverwaltung thätig gewesen. Er hieß deshalb auch der Mehlwurm, und wurde, wenn der Wein die Laune erhöhte, von den andern damit geneckt, daß er kein Pulver gerochen. "Laßt's gut sein", sagte er sanft, "wenn ich nicht für euch Kommisbrodt angeschafft hätte, so hättet ihr ja gar kein Pulver riechen können!"

Von den beiden Söhnen, die der Onkel Brese ins Feld geschickt, kam nur der älteste zurück; der jüngste, den wir wenig gekannt, blieb vor Danzig, bei einem heftigen Gefechte in den Laufgräben. Es trat dabei der seltne Fall ein, daß man seine Leiche nicht auffand, die Angehörigen schwebten daher längere Zeit in Ungewißheit über sein Schicksal. Als jedoch endlich die Festung von den Franzosen übergeben ward, aberzeugte man sich bald, daß er nicht etwa als Schwerverwundeter gefangen genommen sei.

bei sich überlegte, ob er grammatische Aenderungen in einem offiziellen Schreiben eigenmächtig machen dürfe, kam eine freundliche Einladung vom General zum Diner und zu einer Partie Whist. Vergessen war die tadelnde Bemerkung, und das angefangene Schreiben ward kassirt.

Ein anderes Mal diktirte Osten einen Brief an seine Frau, der also anfing: Geliebte Emilie! Die Kreuzigung meiner wird immer größer! Eben schickt mir der Kaiser von Rußland das Kreuz zum Wladimir-Orden, und das Kreuz zum östreichischen Leopoldi-Orden besitze ich schon. Nichts desto weniger sehne ich mich von Herzen nach meinem lieben Hauskreuz, und hoffe, dasselbe bei meiner Rückkehr in bester Gesundheit anzutreffen!

Eduards Bruder Julius, ein schlanker Mann mit edel geformtem Gesichte, den wir den schönen Julius nannten, war nicht im aktiven Dienst, sondern bei der Magazinverwaltung thätig gewesen. Er hieß deshalb auch der Mehlwurm, und wurde, wenn der Wein die Laune erhöhte, von den andern damit geneckt, daß er kein Pulver gerochen. „Laßt’s gut sein“, sagte er sanft, „wenn ich nicht für euch Kommisbrodt angeschafft hätte, so hättet ihr ja gar kein Pulver riechen können!“

Von den beiden Söhnen, die der Onkel Brese ins Feld geschickt, kam nur der älteste zurück; der jüngste, den wir wenig gekannt, blieb vor Danzig, bei einem heftigen Gefechte in den Laufgräben. Es trat dabei der seltne Fall ein, daß man seine Leiche nicht auffand, die Angehörigen schwebten daher längere Zeit in Ungewißheit über sein Schicksal. Als jedoch endlich die Festung von den Franzosen übergeben ward, aberzeugte man sich bald, daß er nicht etwa als Schwerverwundeter gefangen genommen sei.

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[439/0451] bei sich überlegte, ob er grammatische Aenderungen in einem offiziellen Schreiben eigenmächtig machen dürfe, kam eine freundliche Einladung vom General zum Diner und zu einer Partie Whist. Vergessen war die tadelnde Bemerkung, und das angefangene Schreiben ward kassirt. Ein anderes Mal diktirte Osten einen Brief an seine Frau, der also anfing: Geliebte Emilie! Die Kreuzigung meiner wird immer größer! Eben schickt mir der Kaiser von Rußland das Kreuz zum Wladimir-Orden, und das Kreuz zum östreichischen Leopoldi-Orden besitze ich schon. Nichts desto weniger sehne ich mich von Herzen nach meinem lieben Hauskreuz, und hoffe, dasselbe bei meiner Rückkehr in bester Gesundheit anzutreffen! Eduards Bruder Julius, ein schlanker Mann mit edel geformtem Gesichte, den wir den schönen Julius nannten, war nicht im aktiven Dienst, sondern bei der Magazinverwaltung thätig gewesen. Er hieß deshalb auch der Mehlwurm, und wurde, wenn der Wein die Laune erhöhte, von den andern damit geneckt, daß er kein Pulver gerochen. „Laßt’s gut sein“, sagte er sanft, „wenn ich nicht für euch Kommisbrodt angeschafft hätte, so hättet ihr ja gar kein Pulver riechen können!“ Von den beiden Söhnen, die der Onkel Brese ins Feld geschickt, kam nur der älteste zurück; der jüngste, den wir wenig gekannt, blieb vor Danzig, bei einem heftigen Gefechte in den Laufgräben. Es trat dabei der seltne Fall ein, daß man seine Leiche nicht auffand, die Angehörigen schwebten daher längere Zeit in Ungewißheit über sein Schicksal. Als jedoch endlich die Festung von den Franzosen übergeben ward, aberzeugte man sich bald, daß er nicht etwa als Schwerverwundeter gefangen genommen sei.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/451>, abgerufen am 30.04.2024.