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Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 1. Band: A-L. Berlin, 1898.

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wohin ihre Eltern zogen. Da sie keine Geschwister besass und im Hause von einer Gouvernante unterrichtet wurde, verlief die Zeit ihr äusserst eintönig. Gelegentliche weitere Reisen ihrer Eltern, bei denen sie sie begleiten durfte, sowie die Beschäftigung mit Malerei, allerhand anderen kunstgewerblichen Spielereien, thörichten schriftstellerischen Versuchen und Lektüre - die hinsichtlich ihrer Wahl weit über ihre Jahre ging - trösteten sie nur wenig über den Mangel an Spielgefährten. Mit dreizehn Jahren kam sie nach Königsberg in ein Mädchenpensionat. Mit fünfzehn Jahren verlobte und verheiratete sie sich mit dem Dr. med. O. Kossak, mit dem sie vierzehn Jahre in glücklichster Ehe lebte. Als ihr Mann von einer akuten Krankheit in wenigen Tagen hingerafft wurde, ertrug sie die engen Verhältnisse, in denen sie bisher lebte, nicht länger und ging mit ihrer ältesten Tochter - ihre jüngere liess sie ihren Eltern zum Trost - nach Berlin, um sich durch schriftstellerische und kunstgewerbliche Arbeit eine Existenz zu gründen Über diese ersten Versuche, ihre Arbeiten zu verwerten, äussert sich Frau M. K. nicht uninteressant wie folgt: "Wenn ich die Erfahrungen bedenke, die andere mittellose Schriftsteller und Schriftstellerinnen gemacht, so erscheit mir das von mir erzielte Resultat fast wie ein Wunder. Doch glaube ich, dass es den meisten an Energie und Unternehmungslust fehlt Sie schreiben, was ihnen Vergnügen macht und schicken es einer Redaktion ein, ohne zu fragen, ob es für dieselbe passt; erhalten sie ihre Arbeit dann zurück, so sind sie entmutigt. Man muss, um vorwärts zu kommen, täglich mehrere Stunden lang von einer Redaktion in die andere gehen; überall herumhören, was gebraucht wird, sich mit der Richtung jedes Blattes vertraut machen, sich mit den Herren zu verständigen suchen, vor allem aber nicht den Mut verlieren, wenn man seine Geisteskinder auch zum hundertstenmal retour bekommt. Es ist noch lange nicht gesagt, dass man ein Manuskript, das man bereits fünf Mal an ein und derselben Stelle eingereicht, nicht zum sechstenmal an der nämlichen los wird. Die Herren Redakteure würden diese Behauptung mit Entrüstung zurückweisen, aber ich bleibe doch dabei. Ich könnte aus meiner eigenen Erfahrung amüsante Erlebnisse in dieser Hinsicht erzählen. So hatte ich einen Roman an ein Blatt gesandt - wiederholt und immer vergeblich - da eines Abends litt der Redakteur an Zahnschmerzen und griff in seiner Verzweiflung in einen ungezählten Berg von Manuskripten, um auf gut Glück eines herauszuziehen. Zufällig erwischte er das meinige, diesen schon so oft begrüssten und wieder verabschiedeten Gast - der Roman gefiel ihm und er druckte ihn ab. Da er inzwischen meine Adresse verloren, erliess er in seiner Zeitung einen Aufruf nach mir - ich meldete mich und erhielt mein bis dato höchstes Honorar." Es erheischt ja eine unglaubliche Summe von Arbeit für eine Frau. - Von Berlin, wo sie zwei Jahre lebte, zog sie nach Jena, wo sie noch heute wohnt. Ihre grösseren Romane, die zumeist unter den früher angeführten Pseudonymen erschienen, kamen in den verschiedensten Zeitungen zum Abdruck. Ausser den grösseren Sachen hat sie eine ungezählte Menge von Feuilletons,

wohin ihre Eltern zogen. Da sie keine Geschwister besass und im Hause von einer Gouvernante unterrichtet wurde, verlief die Zeit ihr äusserst eintönig. Gelegentliche weitere Reisen ihrer Eltern, bei denen sie sie begleiten durfte, sowie die Beschäftigung mit Malerei, allerhand anderen kunstgewerblichen Spielereien, thörichten schriftstellerischen Versuchen und Lektüre – die hinsichtlich ihrer Wahl weit über ihre Jahre ging – trösteten sie nur wenig über den Mangel an Spielgefährten. Mit dreizehn Jahren kam sie nach Königsberg in ein Mädchenpensionat. Mit fünfzehn Jahren verlobte und verheiratete sie sich mit dem Dr. med. O. Kossak, mit dem sie vierzehn Jahre in glücklichster Ehe lebte. Als ihr Mann von einer akuten Krankheit in wenigen Tagen hingerafft wurde, ertrug sie die engen Verhältnisse, in denen sie bisher lebte, nicht länger und ging mit ihrer ältesten Tochter – ihre jüngere liess sie ihren Eltern zum Trost – nach Berlin, um sich durch schriftstellerische und kunstgewerbliche Arbeit eine Existenz zu gründen Über diese ersten Versuche, ihre Arbeiten zu verwerten, äussert sich Frau M. K. nicht uninteressant wie folgt: »Wenn ich die Erfahrungen bedenke, die andere mittellose Schriftsteller und Schriftstellerinnen gemacht, so erscheit mir das von mir erzielte Resultat fast wie ein Wunder. Doch glaube ich, dass es den meisten an Energie und Unternehmungslust fehlt Sie schreiben, was ihnen Vergnügen macht und schicken es einer Redaktion ein, ohne zu fragen, ob es für dieselbe passt; erhalten sie ihre Arbeit dann zurück, so sind sie entmutigt. Man muss, um vorwärts zu kommen, täglich mehrere Stunden lang von einer Redaktion in die andere gehen; überall herumhören, was gebraucht wird, sich mit der Richtung jedes Blattes vertraut machen, sich mit den Herren zu verständigen suchen, vor allem aber nicht den Mut verlieren, wenn man seine Geisteskinder auch zum hundertstenmal retour bekommt. Es ist noch lange nicht gesagt, dass man ein Manuskript, das man bereits fünf Mal an ein und derselben Stelle eingereicht, nicht zum sechstenmal an der nämlichen los wird. Die Herren Redakteure würden diese Behauptung mit Entrüstung zurückweisen, aber ich bleibe doch dabei. Ich könnte aus meiner eigenen Erfahrung amüsante Erlebnisse in dieser Hinsicht erzählen. So hatte ich einen Roman an ein Blatt gesandt – wiederholt und immer vergeblich – da eines Abends litt der Redakteur an Zahnschmerzen und griff in seiner Verzweiflung in einen ungezählten Berg von Manuskripten, um auf gut Glück eines herauszuziehen. Zufällig erwischte er das meinige, diesen schon so oft begrüssten und wieder verabschiedeten Gast – der Roman gefiel ihm und er druckte ihn ab. Da er inzwischen meine Adresse verloren, erliess er in seiner Zeitung einen Aufruf nach mir – ich meldete mich und erhielt mein bis dato höchstes Honorar.« Es erheischt ja eine unglaubliche Summe von Arbeit für eine Frau. – Von Berlin, wo sie zwei Jahre lebte, zog sie nach Jena, wo sie noch heute wohnt. Ihre grösseren Romane, die zumeist unter den früher angeführten Pseudonymen erschienen, kamen in den verschiedensten Zeitungen zum Abdruck. Ausser den grösseren Sachen hat sie eine ungezählte Menge von Feuilletons,

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Zitationshilfe: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 1. Band: A-L. Berlin, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pataky_lexikon01_1898/467>, abgerufen am 26.04.2024.