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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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"Er sagte -- fuhr er fort -- die besten Sachen.
Gott, sagt' er, giebt in der Natur wie die Ora¬
kel die Antwort, eh die Frage gethan ist -- des¬
gleichen, Goldine: was uns Schwefelregen
der Strafe und Hölle däucht, offenbart sich zu¬
lezt, als bloßer gelber Blumenstaub eines zu¬
künftigen Flors. Und einen sehr guten Ausspruch
hab' ich ganz vergessen, weil ich meine Augen zu
sehr auf seine richtete. Ja da war die Welt rings
umher voll Zauberspiegel gestellt, und überall
stand eine Sonne, und auf der Erde gab es für
mich keine Schmerzen, als die seiner lieben Augen.
Liebe Goldine, ich machte auf der Stelle, so be¬
geistert war ich, den Polymeter: doppelte Sterne
erscheinen am Himmel als einer, aber o Einziger,
du zergehest in einen ganzen Himmel voll Sterne.
Dann nahm er meine Hand mit seiner sehr weichen
zarten, und ich muste ihm unser Dorf zeigen; da
sagt' ich kühn den Polymeter: sehet wie sich alles
schön verkehrt, die Sonne folgt der Sonneblume.
Da sagt' er, das thue nur Gott gegen die Men¬
schen, der sich mehr ihnen zuwende als sie ihm.
Darauf ermunterte er mich zur Poesie, scherzte

„Er ſagte — fuhr er fort — die beſten Sachen.
Gott, ſagt' er, giebt in der Natur wie die Ora¬
kel die Antwort, eh die Frage gethan iſt — des¬
gleichen, Goldine: was uns Schwefelregen
der Strafe und Hoͤlle daͤucht, offenbart ſich zu¬
lezt, als bloßer gelber Blumenſtaub eines zu¬
kuͤnftigen Flors. Und einen ſehr guten Ausſpruch
hab' ich ganz vergeſſen, weil ich meine Augen zu
ſehr auf ſeine richtete. Ja da war die Welt rings
umher voll Zauberſpiegel geſtellt, und uͤberall
ſtand eine Sonne, und auf der Erde gab es fuͤr
mich keine Schmerzen, als die ſeiner lieben Augen.
Liebe Goldine, ich machte auf der Stelle, ſo be¬
geiſtert war ich, den Polymeter: doppelte Sterne
erſcheinen am Himmel als einer, aber o Einziger,
du zergeheſt in einen ganzen Himmel voll Sterne.
Dann nahm er meine Hand mit ſeiner ſehr weichen
zarten, und ich muſte ihm unſer Dorf zeigen; da
ſagt' ich kuͤhn den Polymeter: ſehet wie ſich alles
ſchoͤn verkehrt, die Sonne folgt der Sonneblume.
Da ſagt' er, das thue nur Gott gegen die Men¬
ſchen, der ſich mehr ihnen zuwende als ſie ihm.
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[88/0098] „Er ſagte — fuhr er fort — die beſten Sachen. Gott, ſagt' er, giebt in der Natur wie die Ora¬ kel die Antwort, eh die Frage gethan iſt — des¬ gleichen, Goldine: was uns Schwefelregen der Strafe und Hoͤlle daͤucht, offenbart ſich zu¬ lezt, als bloßer gelber Blumenſtaub eines zu¬ kuͤnftigen Flors. Und einen ſehr guten Ausſpruch hab' ich ganz vergeſſen, weil ich meine Augen zu ſehr auf ſeine richtete. Ja da war die Welt rings umher voll Zauberſpiegel geſtellt, und uͤberall ſtand eine Sonne, und auf der Erde gab es fuͤr mich keine Schmerzen, als die ſeiner lieben Augen. Liebe Goldine, ich machte auf der Stelle, ſo be¬ geiſtert war ich, den Polymeter: doppelte Sterne erſcheinen am Himmel als einer, aber o Einziger, du zergeheſt in einen ganzen Himmel voll Sterne. Dann nahm er meine Hand mit ſeiner ſehr weichen zarten, und ich muſte ihm unſer Dorf zeigen; da ſagt' ich kuͤhn den Polymeter: ſehet wie ſich alles ſchoͤn verkehrt, die Sonne folgt der Sonneblume. Da ſagt' er, das thue nur Gott gegen die Men¬ ſchen, der ſich mehr ihnen zuwende als ſie ihm. Darauf ermunterte er mich zur Poeſie, ſcherzte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/98>, abgerufen am 29.04.2024.