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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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in den Ruf eines Libertins, eines frechen Mäd¬
gen-Wolfs setzen, der nicht einmal die Unschuld
schonet, wofür er Jakobine hielt, weil sie sanfte
blaue Augen hatte.

"Aber Sie wagen beim Himmel zu kühn!"
sagt' er. "Schwerlich, so bald nur Sie nicht
wagen" versezte Sie. Er deutete, was sie von
seinen Anfällen sagte, irrig auf seinen unbeflek¬
ten Ruf, und wuste nicht, wie er ihr mit Zärte
die Rüksicht auf seinen ohne Eigennutz -- denn
ihr Ruf war ja noch wichtiger -- in der grösten
Eile und Kürze (wegen des Generals und der
Thüre) auseinander setzen sollte. Und doch war
er von so guten ehrlichen Eltern, von so unbe¬
scholtenem Wandel -- und trug den Brautkranz
jungfräulicher Sittsamkeit so lange vor dem Bru¬
der und jedem mit Ehren, -- -- er hatte den
Henker davon, wenn der verfluchte Schein und
Ruf hereingrif und ihm den gedachten Kranz vom
Kopfe zog, gesezt auch, es wuchs ihm nachher
eine frische Martyrerkrone nach.

Ihm wurde ganz warm, das Gesicht roth,
der Blik irre, der Anstand wild: "gute Jako¬

in den Ruf eines Libertins, eines frechen Maͤd¬
gen-Wolfs ſetzen, der nicht einmal die Unſchuld
ſchonet, wofuͤr er Jakobine hielt, weil ſie ſanfte
blaue Augen hatte.

„Aber Sie wagen beim Himmel zu kuͤhn!“
ſagt' er. „Schwerlich, ſo bald nur Sie nicht
wagen“ verſezte Sie. Er deutete, was ſie von
ſeinen Anfaͤllen ſagte, irrig auf ſeinen unbeflek¬
ten Ruf, und wuſte nicht, wie er ihr mit Zaͤrte
die Ruͤkſicht auf ſeinen ohne Eigennutz — denn
ihr Ruf war ja noch wichtiger — in der groͤſten
Eile und Kuͤrze (wegen des Generals und der
Thuͤre) auseinander ſetzen ſollte. Und doch war
er von ſo guten ehrlichen Eltern, von ſo unbe¬
ſcholtenem Wandel — und trug den Brautkranz
jungfraͤulicher Sittſamkeit ſo lange vor dem Bru¬
der und jedem mit Ehren, — — er hatte den
Henker davon, wenn der verfluchte Schein und
Ruf hereingrif und ihm den gedachten Kranz vom
Kopfe zog, geſezt auch, es wuchs ihm nachher
eine friſche Martyrerkrone nach.

Ihm wurde ganz warm, das Geſicht roth,
der Blik irre, der Anſtand wild: „gute Jako¬

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[195/0203] in den Ruf eines Libertins, eines frechen Maͤd¬ gen-Wolfs ſetzen, der nicht einmal die Unſchuld ſchonet, wofuͤr er Jakobine hielt, weil ſie ſanfte blaue Augen hatte. „Aber Sie wagen beim Himmel zu kuͤhn!“ ſagt' er. „Schwerlich, ſo bald nur Sie nicht wagen“ verſezte Sie. Er deutete, was ſie von ſeinen Anfaͤllen ſagte, irrig auf ſeinen unbeflek¬ ten Ruf, und wuſte nicht, wie er ihr mit Zaͤrte die Ruͤkſicht auf ſeinen ohne Eigennutz — denn ihr Ruf war ja noch wichtiger — in der groͤſten Eile und Kuͤrze (wegen des Generals und der Thuͤre) auseinander ſetzen ſollte. Und doch war er von ſo guten ehrlichen Eltern, von ſo unbe¬ ſcholtenem Wandel — und trug den Brautkranz jungfraͤulicher Sittſamkeit ſo lange vor dem Bru¬ der und jedem mit Ehren, — — er hatte den Henker davon, wenn der verfluchte Schein und Ruf hereingrif und ihm den gedachten Kranz vom Kopfe zog, geſezt auch, es wuchs ihm nachher eine friſche Martyrerkrone nach. Ihm wurde ganz warm, das Geſicht roth, der Blik irre, der Anſtand wild: „gute Jako¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/203>, abgerufen am 14.05.2024.