Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich kaum zugetrauet hätte, ohne Schaden ent¬
blößen. Verliebte Liebe hingegen -- bedenke dies
wenigstens für künftige Fälle. Denn der vortref¬
liche Mann, dem du etwa deine Flamme und de¬
ren Gegenstand bekannt gemacht, weiß nicht recht,
da er doch an deinen frohen Empfindungen den
frohesten Antheil nehmen will, wie er die Person
zu behandeln habe -- Ob ganz wie du? Aber
dann fehlte gar der Unterschied, und du knurrtest
wohl am Ende. -- Oder ob ganz matt und hoch¬
achtend? Dann wirst du gequält und gedrängt,
daß er dir mit seinen gipsernen Augen, in deine
naß-brennenden sieht. Der vortrefliche Mann
schluckt jedes Wort zurück, das nicht wie ein
Wunderungs-O über sie aussieht, dieser schöne
Selbstlauter, der im Munde eben so gut den Kreis
als die Nulle nachspielt. -- Ihr beide oder ihr
drei, sitzt immer befangen neben einander. Der
Mann schämt sich vor dem Mann stets mehr der
Liebe, als der Ehe; denn in der Ehe finden ein
paar Freunde schon eher etwas zum Sympathisi¬
ren, z. B. Wechsel-Jammern über ihre Weiber
u. s. w.

gleich kaum zugetrauet haͤtte, ohne Schaden ent¬
bloͤßen. Verliebte Liebe hingegen — bedenke dies
wenigſtens fuͤr kuͤnftige Faͤlle. Denn der vortref¬
liche Mann, dem du etwa deine Flamme und de¬
ren Gegenſtand bekannt gemacht, weiß nicht recht,
da er doch an deinen frohen Empfindungen den
froheſten Antheil nehmen will, wie er die Perſon
zu behandeln habe — Ob ganz wie du? Aber
dann fehlte gar der Unterſchied, und du knurrteſt
wohl am Ende. — Oder ob ganz matt und hoch¬
achtend? Dann wirſt du gequaͤlt und gedraͤngt,
daß er dir mit ſeinen gipſernen Augen, in deine
naß-brennenden ſieht. Der vortrefliche Mann
ſchluckt jedes Wort zuruͤck, das nicht wie ein
Wunderungs-O uͤber ſie ausſieht, dieſer ſchoͤne
Selbſtlauter, der im Munde eben ſo gut den Kreis
als die Nulle nachſpielt. — Ihr beide oder ihr
drei, ſitzt immer befangen neben einander. Der
Mann ſchaͤmt ſich vor dem Mann ſtets mehr der
Liebe, als der Ehe; denn in der Ehe finden ein
paar Freunde ſchon eher etwas zum Sympathiſi¬
ren, z. B. Wechſel-Jammern uͤber ihre Weiber
u. ſ. w.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0245" n="239"/>
gleich kaum zugetrauet ha&#x0364;tte, ohne Schaden ent¬<lb/>
blo&#x0364;ßen. Verliebte Liebe hingegen &#x2014; bedenke dies<lb/>
wenig&#x017F;tens fu&#x0364;r ku&#x0364;nftige Fa&#x0364;lle. Denn der vortref¬<lb/>
liche Mann, dem du etwa deine Flamme und de¬<lb/>
ren Gegen&#x017F;tand bekannt gemacht, weiß nicht recht,<lb/>
da er doch an deinen frohen Empfindungen den<lb/>
frohe&#x017F;ten Antheil nehmen will, wie er die Per&#x017F;on<lb/>
zu behandeln habe &#x2014; Ob ganz wie du? Aber<lb/>
dann fehlte gar der Unter&#x017F;chied, und du knurrte&#x017F;t<lb/>
wohl am Ende. &#x2014; Oder ob ganz matt und hoch¬<lb/>
achtend? Dann wir&#x017F;t du gequa&#x0364;lt und gedra&#x0364;ngt,<lb/>
daß er dir mit &#x017F;einen gip&#x017F;ernen Augen, in deine<lb/>
naß-brennenden &#x017F;ieht. Der vortrefliche Mann<lb/>
&#x017F;chluckt jedes Wort zuru&#x0364;ck, das nicht wie ein<lb/>
Wunderungs-O u&#x0364;ber &#x017F;ie aus&#x017F;ieht, die&#x017F;er &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Selb&#x017F;tlauter, der im Munde eben &#x017F;o gut den Kreis<lb/>
als die Nulle nach&#x017F;pielt. &#x2014; Ihr beide oder ihr<lb/>
drei, &#x017F;itzt immer befangen neben einander. Der<lb/>
Mann &#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;ich vor dem Mann &#x017F;tets mehr der<lb/>
Liebe, als der Ehe; denn in der Ehe finden ein<lb/>
paar Freunde &#x017F;chon eher etwas zum Sympathi&#x017F;<lb/>
ren, z. B. Wech&#x017F;el-Jammern u&#x0364;ber ihre Weiber<lb/>
u. &#x017F;. w.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0245] gleich kaum zugetrauet haͤtte, ohne Schaden ent¬ bloͤßen. Verliebte Liebe hingegen — bedenke dies wenigſtens fuͤr kuͤnftige Faͤlle. Denn der vortref¬ liche Mann, dem du etwa deine Flamme und de¬ ren Gegenſtand bekannt gemacht, weiß nicht recht, da er doch an deinen frohen Empfindungen den froheſten Antheil nehmen will, wie er die Perſon zu behandeln habe — Ob ganz wie du? Aber dann fehlte gar der Unterſchied, und du knurrteſt wohl am Ende. — Oder ob ganz matt und hoch¬ achtend? Dann wirſt du gequaͤlt und gedraͤngt, daß er dir mit ſeinen gipſernen Augen, in deine naß-brennenden ſieht. Der vortrefliche Mann ſchluckt jedes Wort zuruͤck, das nicht wie ein Wunderungs-O uͤber ſie ausſieht, dieſer ſchoͤne Selbſtlauter, der im Munde eben ſo gut den Kreis als die Nulle nachſpielt. — Ihr beide oder ihr drei, ſitzt immer befangen neben einander. Der Mann ſchaͤmt ſich vor dem Mann ſtets mehr der Liebe, als der Ehe; denn in der Ehe finden ein paar Freunde ſchon eher etwas zum Sympathiſi¬ ren, z. B. Wechſel-Jammern uͤber ihre Weiber u. ſ. w.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/245
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/245>, abgerufen am 26.04.2024.