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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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sich selber einhüllte, so sagte Vult im Fluge, aber
polnisch: "Mit großblätterigen Blumengewinden
rauscht die Lust um uns. Warum bin ich der
Einzige hier, der unaufhörlich stirbt, weil er kei¬
nen Himmel und keine Erde hat, Nonne? denn
du bist mir beides. Ich will alles sagen, ich bin
begeistert zur Pein, wie zur Lust -- willst du
einen Gottverlaßnen aus einem Gottwalt ma¬
chen? O gib ein Zeichen, aber eines Worts! Nur
der Zunge glaube ich mein Hochgericht; sie sey
mein Schwerdt, wenn sie sich bewegt, Nonne!"

"Gottwalt, sagte Wina erschüttert, und
schwerer, als er, dem Tanze folgend, wie könnte
eine Menschenzunge diß seyn? -- Aber dürfen
Sie mich so quälen, und sich?" -- "Nonne,
fuhr er fort, der Laut sey mein Schwerdt!" --
Harter, antwortete sie mit leiserer Stimme, Sie
foltern härter zum Schweigen, als andere zum
Reden.

Jezt hatt' er alles: nämlich ihr Liebes-Ja
für seinen Scheinmenschen, oder Rollenwalt, und
lachte den wahren aus, der als Rolle und als
Wahrheit noch blose Hoffnung sey und habe;

ſich ſelber einhuͤllte, ſo ſagte Vult im Fluge, aber
polniſch: „Mit großblaͤtterigen Blumengewinden
rauſcht die Luſt um uns. Warum bin ich der
Einzige hier, der unaufhoͤrlich ſtirbt, weil er kei¬
nen Himmel und keine Erde hat, Nonne? denn
du biſt mir beides. Ich will alles ſagen, ich bin
begeiſtert zur Pein, wie zur Luſt — willſt du
einen Gottverlaßnen aus einem Gottwalt ma¬
chen? O gib ein Zeichen, aber eines Worts! Nur
der Zunge glaube ich mein Hochgericht; ſie ſey
mein Schwerdt, wenn ſie ſich bewegt, Nonne!”

„Gottwalt, ſagte Wina erſchuͤttert, und
ſchwerer, als er, dem Tanze folgend, wie koͤnnte
eine Menſchenzunge diß ſeyn? — Aber duͤrfen
Sie mich ſo quaͤlen, und ſich?“ — „Nonne,
fuhr er fort, der Laut ſey mein Schwerdt!“ —
Harter, antwortete ſie mit leiſerer Stimme, Sie
foltern haͤrter zum Schweigen, als andere zum
Reden.

Jezt hatt' er alles: naͤmlich ihr Liebes-Ja
fuͤr ſeinen Scheinmenſchen, oder Rollenwalt, und
lachte den wahren aus, der als Rolle und als
Wahrheit noch bloſe Hoffnung ſey und habe;

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[291/0297] ſich ſelber einhuͤllte, ſo ſagte Vult im Fluge, aber polniſch: „Mit großblaͤtterigen Blumengewinden rauſcht die Luſt um uns. Warum bin ich der Einzige hier, der unaufhoͤrlich ſtirbt, weil er kei¬ nen Himmel und keine Erde hat, Nonne? denn du biſt mir beides. Ich will alles ſagen, ich bin begeiſtert zur Pein, wie zur Luſt — willſt du einen Gottverlaßnen aus einem Gottwalt ma¬ chen? O gib ein Zeichen, aber eines Worts! Nur der Zunge glaube ich mein Hochgericht; ſie ſey mein Schwerdt, wenn ſie ſich bewegt, Nonne!” „Gottwalt, ſagte Wina erſchuͤttert, und ſchwerer, als er, dem Tanze folgend, wie koͤnnte eine Menſchenzunge diß ſeyn? — Aber duͤrfen Sie mich ſo quaͤlen, und ſich?“ — „Nonne, fuhr er fort, der Laut ſey mein Schwerdt!“ — Harter, antwortete ſie mit leiſerer Stimme, Sie foltern haͤrter zum Schweigen, als andere zum Reden. Jezt hatt' er alles: naͤmlich ihr Liebes-Ja fuͤr ſeinen Scheinmenſchen, oder Rollenwalt, und lachte den wahren aus, der als Rolle und als Wahrheit noch bloſe Hoffnung ſey und habe;

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/297>, abgerufen am 14.05.2024.