Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

back und Wein, und speisete damit den an den Geist
gehangnen ziehenden Magen ab, um die helle mit
Himmelsblau und Himmelsroth ausgewölbte See
seines Innern durch keine hineingeworfne Fleischstücke
dunkel und schmutzig zu machen. Ueberhaupt haßte
er Fresser als Menschen von zu grobem Eigennutz
so wie alle lebendige Speckkammern, wo Fettlagen
den Geist wie Schneeklumpen eine Hütte einquet¬
schen. Die Seele, sagt er, nimmt von den Inlagen
des Körpers, wie der Wein vom Obst, das neben
ihm im Keller ist, den Geruch an, und im mephiti¬
schen Dampfe, in dem die Seelen der Flachsenfinger
über den ihre Kartoffeln und Biere siedenden Brau¬
kesseln ihre Magen zappeln, müssen wohl die armen
Vögelgen besoffen und erstickt in dieses todte Meer
herunterfallen.

Er brach seinen Zwieback nicht in einem Hause,
sondern im Knochengebäude, d. h. im Sparrwerk ei¬
nes Hauses, das erst aus den Händen und Beilen
der Zimmerleute vor das Dorf gekommen war. In¬
dem er durch alle Divisionen und Subdivisionen die¬
ses architektonischen Skelets und auf einmal durch
Stube, Küche, Stall und Boden sah: so dachte er:
"wieder ein Schauspielhaus für eine arme kleine
"Menschentruppe, die hier ihre Benefizkomödie, ihre
"Gay's Bettleroper abspielet, ohne daß eine Stim¬
"me aus der großen Loge schreiet: bis! Ach bis

back und Wein, und ſpeiſete damit den an den Geiſt
gehangnen ziehenden Magen ab, um die helle mit
Himmelsblau und Himmelsroth ausgewoͤlbte See
ſeines Innern durch keine hineingeworfne Fleiſchſtuͤcke
dunkel und ſchmutzig zu machen. Ueberhaupt haßte
er Freſſer als Menſchen von zu grobem Eigennutz
ſo wie alle lebendige Speckkammern, wo Fettlagen
den Geiſt wie Schneeklumpen eine Huͤtte einquet¬
ſchen. Die Seele, ſagt er, nimmt von den Inlagen
des Koͤrpers, wie der Wein vom Obſt, das neben
ihm im Keller iſt, den Geruch an, und im mephiti¬
ſchen Dampfe, in dem die Seelen der Flachſenfinger
uͤber den ihre Kartoffeln und Biere ſiedenden Brau¬
keſſeln ihre Magen zappeln, muͤſſen wohl die armen
Voͤgelgen beſoffen und erſtickt in dieſes todte Meer
herunterfallen.

Er brach ſeinen Zwieback nicht in einem Hauſe,
ſondern im Knochengebaͤude, d. h. im Sparrwerk ei¬
nes Hauſes, das erſt aus den Haͤnden und Beilen
der Zimmerleute vor das Dorf gekommen war. In¬
dem er durch alle Diviſionen und Subdiviſionen die¬
ſes architektoniſchen Skelets und auf einmal durch
Stube, Kuͤche, Stall und Boden ſah: ſo dachte er:
»wieder ein Schauſpielhaus fuͤr eine arme kleine
»Menſchentruppe, die hier ihre Benefizkomoͤdie, ihre
»Gay's Bettleroper abſpielet, ohne daß eine Stim¬
»me aus der großen Loge ſchreiet: bis! Ach bis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0234" n="223"/>
back und Wein, und &#x017F;pei&#x017F;ete damit den an den Gei&#x017F;t<lb/>
gehangnen ziehenden Magen ab, um die helle mit<lb/>
Himmelsblau und Himmelsroth ausgewo&#x0364;lbte See<lb/>
&#x017F;eines Innern durch keine hineingeworfne Flei&#x017F;ch&#x017F;tu&#x0364;cke<lb/>
dunkel und &#x017F;chmutzig zu machen. Ueberhaupt haßte<lb/>
er Fre&#x017F;&#x017F;er als Men&#x017F;chen von zu grobem Eigennutz<lb/>
&#x017F;o wie alle lebendige Speckkammern, wo Fettlagen<lb/>
den Gei&#x017F;t wie Schneeklumpen eine Hu&#x0364;tte einquet¬<lb/>
&#x017F;chen. Die Seele, &#x017F;agt er, nimmt von den Inlagen<lb/>
des Ko&#x0364;rpers, wie der Wein vom Ob&#x017F;t, das neben<lb/>
ihm im Keller i&#x017F;t, den Geruch an, und im mephiti¬<lb/>
&#x017F;chen Dampfe, in dem die Seelen der Flach&#x017F;enfinger<lb/>
u&#x0364;ber den ihre Kartoffeln und Biere &#x017F;iedenden Brau¬<lb/>
ke&#x017F;&#x017F;eln ihre Magen zappeln, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wohl die armen<lb/>
Vo&#x0364;gelgen be&#x017F;offen und er&#x017F;tickt in die&#x017F;es todte Meer<lb/>
herunterfallen.</p><lb/>
        <p>Er brach &#x017F;einen Zwieback nicht in einem Hau&#x017F;e,<lb/>
&#x017F;ondern im Knochengeba&#x0364;ude, d. h. im Sparrwerk ei¬<lb/>
nes Hau&#x017F;es, das er&#x017F;t aus den Ha&#x0364;nden und Beilen<lb/>
der Zimmerleute vor das Dorf gekommen war. In¬<lb/>
dem er durch alle Divi&#x017F;ionen und Subdivi&#x017F;ionen die¬<lb/>
&#x017F;es architektoni&#x017F;chen Skelets und auf einmal durch<lb/>
Stube, Ku&#x0364;che, Stall und Boden &#x017F;ah: &#x017F;o dachte er:<lb/>
»wieder ein Schau&#x017F;pielhaus fu&#x0364;r eine arme kleine<lb/>
»Men&#x017F;chentruppe, die hier ihre Benefizkomo&#x0364;die, ihre<lb/>
»Gay's Bettleroper ab&#x017F;pielet, ohne daß eine Stim¬<lb/>
»me aus der großen Loge &#x017F;chreiet: <hi rendition="#aq">bis</hi>! Ach bis<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0234] back und Wein, und ſpeiſete damit den an den Geiſt gehangnen ziehenden Magen ab, um die helle mit Himmelsblau und Himmelsroth ausgewoͤlbte See ſeines Innern durch keine hineingeworfne Fleiſchſtuͤcke dunkel und ſchmutzig zu machen. Ueberhaupt haßte er Freſſer als Menſchen von zu grobem Eigennutz ſo wie alle lebendige Speckkammern, wo Fettlagen den Geiſt wie Schneeklumpen eine Huͤtte einquet¬ ſchen. Die Seele, ſagt er, nimmt von den Inlagen des Koͤrpers, wie der Wein vom Obſt, das neben ihm im Keller iſt, den Geruch an, und im mephiti¬ ſchen Dampfe, in dem die Seelen der Flachſenfinger uͤber den ihre Kartoffeln und Biere ſiedenden Brau¬ keſſeln ihre Magen zappeln, muͤſſen wohl die armen Voͤgelgen beſoffen und erſtickt in dieſes todte Meer herunterfallen. Er brach ſeinen Zwieback nicht in einem Hauſe, ſondern im Knochengebaͤude, d. h. im Sparrwerk ei¬ nes Hauſes, das erſt aus den Haͤnden und Beilen der Zimmerleute vor das Dorf gekommen war. In¬ dem er durch alle Diviſionen und Subdiviſionen die¬ ſes architektoniſchen Skelets und auf einmal durch Stube, Kuͤche, Stall und Boden ſah: ſo dachte er: »wieder ein Schauſpielhaus fuͤr eine arme kleine »Menſchentruppe, die hier ihre Benefizkomoͤdie, ihre »Gay's Bettleroper abſpielet, ohne daß eine Stim¬ »me aus der großen Loge ſchreiet: bis! Ach bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/234
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/234>, abgerufen am 13.05.2024.