häng' ich über den Loch- und Treibkasten (d. h. die Insel) meine Blüten, durchschieße den Kasten mit meinen Wurzelfasern, kann es (ich Hamadryade) aus meinem Laubwerk heraus nicht wahrnehmen, wie viel Moos die Jahre in meine Rinde, wie viel Holzkäfer die Zukunft in das Mark meines Herzens und wie viel Baumheber der Tod unter meine Wurzel setzen wird, nehme alles nicht wahr, sondern schwinge froh -- du gütiges Schicksal! -- die Zweige in dem Winde, lege die Blätter saugend an die mit Licht und Thau gefüllte Natur, und errege, vom allgemei¬ nen Lebensodem durchblättert, so viel artikulirtes Geräusch als nöthig ist, daß irgend ein trübes Men¬ schenherz, unter der Aufmerksamkeit auf diese Blät¬ ter, seine Stiche, sein Pochen, sein Stocken vergesse in kurzen sanften Träumen -- -- warum ist ein Mensch so glücklich?
Darum: weil er oft ein Litteratus ist. So oft das Schicksal unter seinem Schleier das Lebensström¬ gen eines Litteratus, das über einige Auditorien und Repositorien-Fachbretter rinnt, aus dem großen Weltatlas in eine Spezialkarte hineinpunktirt: so kann es so denken und sagen: "wolfeiler und sonder¬ "barer kann man doch kein Wesen glücklich machen "als wenn man es zu einem litterarischen macht: "sein Freudenbecher ist eine Dintenflasche -- sein "Trommetenfest und Fasching ist (wenn es rezensirt)
haͤng' ich uͤber den Loch- und Treibkaſten (d. h. die Inſel) meine Bluͤten, durchſchieße den Kaſten mit meinen Wurzelfaſern, kann es (ich Hamadryade) aus meinem Laubwerk heraus nicht wahrnehmen, wie viel Moos die Jahre in meine Rinde, wie viel Holzkaͤfer die Zukunft in das Mark meines Herzens und wie viel Baumheber der Tod unter meine Wurzel ſetzen wird, nehme alles nicht wahr, ſondern ſchwinge froh — du guͤtiges Schickſal! — die Zweige in dem Winde, lege die Blaͤtter ſaugend an die mit Licht und Thau gefuͤllte Natur, und errege, vom allgemei¬ nen Lebensodem durchblaͤttert, ſo viel artikulirtes Geraͤuſch als noͤthig iſt, daß irgend ein truͤbes Men¬ ſchenherz, unter der Aufmerkſamkeit auf dieſe Blaͤt¬ ter, ſeine Stiche, ſein Pochen, ſein Stocken vergeſſe in kurzen ſanften Traͤumen — — warum iſt ein Menſch ſo gluͤcklich?
Darum: weil er oft ein Litteratus iſt. So oft das Schickſal unter ſeinem Schleier das Lebensſtroͤm¬ gen eines Litteratus, das uͤber einige Auditorien und Repoſitorien-Fachbretter rinnt, aus dem großen Weltatlas in eine Spezialkarte hineinpunktirt: ſo kann es ſo denken und ſagen: »wolfeiler und ſonder¬ »barer kann man doch kein Weſen gluͤcklich machen »als wenn man es zu einem litterariſchen macht: »ſein Freudenbecher iſt eine Dintenflaſche — ſein »Trommetenfeſt und Faſching iſt (wenn es rezenſirt)
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haͤng' ich uͤber den Loch- und Treibkaſten (d. h. die
Inſel) meine Bluͤten, durchſchieße den Kaſten mit
meinen Wurzelfaſern, kann es (ich Hamadryade) aus
meinem Laubwerk heraus nicht wahrnehmen, wie viel
Moos die Jahre in meine Rinde, wie viel Holzkaͤfer
die Zukunft in das Mark meines Herzens und wie
viel Baumheber der Tod unter meine Wurzel ſetzen
wird, nehme alles nicht wahr, ſondern ſchwinge froh
— du guͤtiges Schickſal! — die Zweige in dem
Winde, lege die Blaͤtter ſaugend an die mit Licht
und Thau gefuͤllte Natur, und errege, vom allgemei¬
nen Lebensodem durchblaͤttert, ſo viel artikulirtes
Geraͤuſch als noͤthig iſt, daß irgend ein truͤbes Men¬
ſchenherz, unter der Aufmerkſamkeit auf dieſe Blaͤt¬
ter, ſeine Stiche, ſein Pochen, ſein Stocken vergeſſe
in kurzen ſanften Traͤumen — — warum iſt ein
Menſch ſo gluͤcklich?
Darum: weil er oft ein Litteratus iſt. So oft
das Schickſal unter ſeinem Schleier das Lebensſtroͤm¬
gen eines Litteratus, das uͤber einige Auditorien und
Repoſitorien-Fachbretter rinnt, aus dem großen
Weltatlas in eine Spezialkarte hineinpunktirt: ſo
kann es ſo denken und ſagen: »wolfeiler und ſonder¬
»barer kann man doch kein Weſen gluͤcklich machen
»als wenn man es zu einem litterariſchen macht:
»ſein Freudenbecher iſt eine Dintenflaſche — ſein
»Trommetenfeſt und Faſching iſt (wenn es rezenſirt)
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/55>, abgerufen am 09.10.2024.
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