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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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"Bohnenfeld geht, schläfrig genug und könne ein¬
"schlafen -- Und da gerade die Nächte länger wür¬
"den und man also den einen längern Schlaf bedürfe,
"so sey es schön daß die Almanache gerade mit
"Winters Anfang erschienen und daß diese Blumen
"mit den Moosen zu einerlei Jahrszeit blühten --
"und wenn der murmelnde Bach einen nicht mehr
"auf einer Wiese einschläfere, so könn' er's allemal
"noch in einem Verse thun." -- --

Unser Viktor war so satirisch wie der Evange¬
list; er hatte im Hannöverischen so gut wie dieser
hier gelacht -- z. B. er hatte beklagt, daß die mei¬
sten Almanachssänger leider mehr für den Kenner ar¬
beiteten als für dumme Leser und zufrieden wären,
wenn sie nur jenen in den Schlaf brächten -- daß
ein Mensch, der keine Prose schreiben könnte, probi¬
ren sollte, ob er zu keinem Volkssänger tauge, wie
nur die Vögel, die nicht reden lernen, singen
können -- daß er einen guten Almanach am ersten
und angenehmsten durchhabe, wenn er bloß die Rei¬
me durchlaufe -- und daß flache Köpfe wie flache
Diamanten, denen keine Facetten zu geben sind, zu
Herzen würden und uns statt der Ideen Thränen
gäben, in denen nicht einmal ein Infusionsthiergen
einer Idee schwämme. . . .

Aber er sah noch eine Seite mehr als Maz, die
edle nämlich -- Es war seine Gewohnheit, gerade

Hesperus. II. Th. N

»Bohnenfeld geht, ſchlaͤfrig genug und koͤnne ein¬
»ſchlafen — Und da gerade die Naͤchte laͤnger wuͤr¬
»den und man alſo den einen laͤngern Schlaf beduͤrfe,
»ſo ſey es ſchoͤn daß die Almanache gerade mit
»Winters Anfang erſchienen und daß dieſe Blumen
»mit den Mooſen zu einerlei Jahrszeit bluͤhten —
»und wenn der murmelnde Bach einen nicht mehr
»auf einer Wieſe einſchlaͤfere, ſo koͤnn' er's allemal
»noch in einem Verſe thun.« — —

Unſer Viktor war ſo ſatiriſch wie der Evange¬
liſt; er hatte im Hannoͤveriſchen ſo gut wie dieſer
hier gelacht — z. B. er hatte beklagt, daß die mei¬
ſten Almanachsſaͤnger leider mehr fuͤr den Kenner ar¬
beiteten als fuͤr dumme Leſer und zufrieden waͤren,
wenn ſie nur jenen in den Schlaf braͤchten — daß
ein Menſch, der keine Proſe ſchreiben koͤnnte, probi¬
ren ſollte, ob er zu keinem Volksſaͤnger tauge, wie
nur die Voͤgel, die nicht reden lernen, ſingen
koͤnnen — daß er einen guten Almanach am erſten
und angenehmſten durchhabe, wenn er bloß die Rei¬
me durchlaufe — und daß flache Koͤpfe wie flache
Diamanten, denen keine Facetten zu geben ſind, zu
Herzen wuͤrden und uns ſtatt der Ideen Thraͤnen
gaͤben, in denen nicht einmal ein Infuſionsthiergen
einer Idee ſchwaͤmme. . . .

Aber er ſah noch eine Seite mehr als Maz, die
edle naͤmlich — Es war ſeine Gewohnheit, gerade

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[193/0203] »Bohnenfeld geht, ſchlaͤfrig genug und koͤnne ein¬ »ſchlafen — Und da gerade die Naͤchte laͤnger wuͤr¬ »den und man alſo den einen laͤngern Schlaf beduͤrfe, »ſo ſey es ſchoͤn daß die Almanache gerade mit »Winters Anfang erſchienen und daß dieſe Blumen »mit den Mooſen zu einerlei Jahrszeit bluͤhten — »und wenn der murmelnde Bach einen nicht mehr »auf einer Wieſe einſchlaͤfere, ſo koͤnn' er's allemal »noch in einem Verſe thun.« — — Unſer Viktor war ſo ſatiriſch wie der Evange¬ liſt; er hatte im Hannoͤveriſchen ſo gut wie dieſer hier gelacht — z. B. er hatte beklagt, daß die mei¬ ſten Almanachsſaͤnger leider mehr fuͤr den Kenner ar¬ beiteten als fuͤr dumme Leſer und zufrieden waͤren, wenn ſie nur jenen in den Schlaf braͤchten — daß ein Menſch, der keine Proſe ſchreiben koͤnnte, probi¬ ren ſollte, ob er zu keinem Volksſaͤnger tauge, wie nur die Voͤgel, die nicht reden lernen, ſingen koͤnnen — daß er einen guten Almanach am erſten und angenehmſten durchhabe, wenn er bloß die Rei¬ me durchlaufe — und daß flache Koͤpfe wie flache Diamanten, denen keine Facetten zu geben ſind, zu Herzen wuͤrden und uns ſtatt der Ideen Thraͤnen gaͤben, in denen nicht einmal ein Infuſionsthiergen einer Idee ſchwaͤmme. . . . Aber er ſah noch eine Seite mehr als Maz, die edle naͤmlich — Es war ſeine Gewohnheit, gerade Heſperus. II. Th. N

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/203>, abgerufen am 06.05.2024.